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OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2008 - 1 UF 208/07 - FD-Platzhalter-rund

OLG Hamm, Urteil vom 20.05.2008
1 UF 208/07



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Aufstockungsunterhalt; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts; ehebedingte Nachteile; Abänderung einer im Scheidungstermin abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung aufgrund der Unterhaltsreform; Einkommensminderung wegen Altersteilzeit.

BGB §§ 1578, 1578b, 313; ZPO § 323

1. Haben sich die einer im Scheidungsverfahren getroffenen Vereinbarung betreffend den nachehelichen Unterhalt zugrunde liegenden Tatsachen wesentlich geändert, dann kann (auch) eine solche Vereinbarung nach Maßgabe des § 313 BGB an die aktuellen Gegebenheiten angepaßt werden.
2. Bezweckt eine Abfindungszahlung, dem Arbeitnehmer einen Teil des Verlustes auszugleichen, den er wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente an Rentenkürzung hinnehmen muß, dann ist diese Abfindung zuzüglich anfallender Zinsen auf die zu erwartende Dauer des künftigen Rentenbezugs zu verteilen.
3. Veräußert der Unterhaltsschuldner eine Immobilie nur deshalb, weil er sich aus Gründen der Bequemlichkeit oder zur Erlangung flüssiger Mittel für andere Zwecke dieser Immobilie entledigen will, dann muß er sich gegebenenfalls so behandeln lassen, als sei er nach wie vor Eigentümer dieser Immobilie.
4. Ob und in welchem Umfange Unterhaltsansprüche beschränkt werden können, hängt im wesentlichen davon ab, ob und in welchem Ausmaße durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
5. Von entscheidender Bedeutung kann sein, daß der Unterhaltsberechtigte aufgrund eines gemeinschaftlich getroffenen Entschlusses anläßlich der Geburt des gemeinsamen Kindes aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und dadurch ehebedingte Nachteile erlitten hat.

OLG Hamm, Urteil vom 20. Mai 2008 - 1 UF 208/07

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.08.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Minden (30 F 245/06) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der am 03.06.2004 vom Amtsgericht - Familiengericht - Minden (10 F 359/02) protokollierte Vergleich der Parteien wird für die Zeit ab 01.08.2006 abgeändert.
Der Kläger bleibt verpflichtet, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt zu zahlen, und zwar in Höhe von monatlich 204 € für die Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2010 und 62 € für die Zeit ab 01.01.2011. Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien, die im Jahre 2004 nach 36-jähriger Ehe, aber nach rund 18-jähriger Trennung voneinander geschieden worden sind, streiten um nachehelichen Unterhalt. Im Scheidungstermin am 3. Juni 2004 hatten sie sich auf eine monatlich vom Kläger zu zahlende Unterhaltsrente für die Beklagte in Höhe von 325 € geeinigt. Diesem Vergleich lag die Erwägung zugrunde, daß der Kläger zum damaligen Zeitpunkt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.400 € verfügte. Seit 1. August 2006 bezieht er eine Altersrente in Höhe von nur noch 1.024,42 € monatlich netto, was er zum Anlaß für eine Abänderungsklage genommen hat, mit der er ein völliges Entfallen seiner Unterhaltsverpflichtung erstrebt.

Auf seine Abänderungsklage hat das Amtsgericht - Familiengericht - Minden durch das am 7. August 2007 verkündete Urteil, wegen dessen vollständigen Sachverhalts und der Entscheidungsgründe auf die Akten des Amtsgerichts verwiesen wird, seinem Begehren teilweise stattgegeben und den am 3. Juni 2004 geschlossenen Vergleich mit Wirkung ab 1. August 2007 dahin abgeändert, daß der Kläger nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 217 € monatlich, zahlbar bis zum jeden dritten eines Monats, verpflichtet blieb, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger verfüge über ein monatliches Renteneinkommen in Höhe von 1.024 € netto. Er habe zusätzlich mit Eintritt in den Ruhestand von seinem Arbeitgeber eine Abfindung von 7.935,18 € als Ausgleich für die Mindereinkünfte infolge der zuvor vereinbarten Altersteilzeit erhalten. Diese Abfindung sei billigerweise auf 36 Monate umzulegen und ergebe monatlich anteilige 220,42 €. Nach Abzug der Kreditbelastung von 138 €, die noch bestünde, und die Vergleichsgrundlage gewesen sei, verblieben ihm monatlich rund 1.107 €. Bei einem ihm zuzubilligenden Selbstbehalt von 890 € sei er deshalb in Höhe von 217 € monatlich leistungsfähig.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiter verfolgt, sowie - erstmals in der Berufungsinstanz und unter Bezugnahme auf die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung sowie auf das seit 1. Januar 2008 geltende Recht nach der Unterhaltsreform - hilfsweise eine Befristung des zu zahlenden nachehelichen Unterhalts begehrt. Seine Einkünfte seien seit dem Vergleich stark gesunken: Er verfüge nur noch über Renteneinkünfte. Die Darlehensbelastung belaufe sich auch nicht auf 138 €, wie es im Vergleich aus dem Jahre 2004 heiße, sondern tatsächlich auf 160 € monatlich (so sein schriftsätzlicher Vortrag) bzw. auf 185 € monatlich (so sein Prozeßbevollmächtigter im Senatstermin). Auch im Jahre 2004 seien das nicht monatlich 138 € monatlich gewesen, die er gezahlt habe, sondern habe sich auf das Doppelte belaufen. Schon beim Vergleichsschluß hätten »die vorhandenen Mieteinnahmen den Wohnwert nicht überstiegen«. Im Senatstermin, dem der Kläger trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens ferngeblieben ist, erläuterte sein Prozeßbevollmächtigter dies dahin, daß auf seiner Seite praktisch kein Wohnwert vorgelegen habe: Die Belastungen hätten den Wohnvorteil und die Mieteinnahmen immer überstiegen. Die Mieteinnahmen seien unregelmäßig gewesen. Zwar treffe zu, daß die letzten Einkommensbescheide vor der Veräußerung des Hauses Gewinne ausgewiesen hätten; diese Gewinne berücksichtigen indessen nicht die Tilgungsleistungen, die er ebenfalls zu erbringen gehabt habe. Es sei abzusehen gewesen, daß er mit seiner Rente trotz der Mieteinkünfte die Zins- und Tilgungsleistungen nicht würde aufbringen können; deshalb habe er sich zum Verkauf des Hauses entschlossen. Er habe 177.000 € erlöst; davon seien rund 137.000 € an die Bank geflossen, was im wesentlichen der Höhe des Darlehens entsprochen habe, das er ursprünglich aufgenommen habe. Mit dem Überschuß von knapp 40.000 € habe er seine Steuerschulden, Anwaltskosten aus dem Scheidungsverfahren und Schulden bei Freunden beglichen.

Wegen der Einzelheiten dieser Erläuterungen zum Wohnwert wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen auf den Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 17. April 2008 verwiesen.

Der Kläger behauptet, auf seiten der Beklagten sei immer ein echter Wohnwert vorhanden gewesen; dieser belaufe sich auf monatlich mindestens 800 €. Dazu erklärte sein Prozeßbevollmächtigter im Senatstermin, im Jahre 2004 habe unter den Parteien nicht geklärt werden können, welche der Parteien im Innenverhältnis die Verbindlichkeiten, deretwegen die Immobilie als Sicherheit diene, träfen; deshalb seien die Parteien auf den Vorschlag des Richters eingegangen, Wohn- oder sonstige Vorteile aus den beiderseits vorhandenen Immobilien bei der Unterhaltsberechnung gänzlich unberücksichtigt zu lassen und daraus resultierende Ungerechtigkeiten gegebenenfalls einem separat durchzuführenden Gesamtschuldnerausgleich zuzuführen.

Der Kläger rügt, die Zubilligung eines Selbstbehalts von nur 890 € sei unangemessen; er beansprucht einen billigen Selbstbehalt von 1.000 € monatlich. Er wendet sich gegen eine Berücksichtigung der Abfindung; jedenfalls sei es unangemessen, diese nur auf 36 Monate umzulegen. Als Ausgleichszahlung für die wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeit geringere Altersrente sei jedenfalls ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen, nämlich zumindest derjenige bis zum Erreichen der statistischen Lebenserwartung von 80 Jahren, die er erreichen würde. Seinen Hilfsantrag auf Befristung des nachehelichen Unterhalts begründet er damit, daß die Beklagte nach der Trennung ihrer Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nachgekommen sei: Deshalb habe sie selbst zu vertreten, wenn sie jetzt keine ihren Unterhaltsbedarf deckende Rente erhalten könne. Bei alledem sei sie finanziell wesentlich besser gestellt als er, da sie neben ihrer Rente Mieteinkünfte aus ihrer Immobilie erziele und sich einen Wohnvorteil zurechnen lassen müsse, während er gemeinsame Verbindlichkeiten bediene.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auf seiten des Klägers sei mit fiktiv höheren Einkünften zu rechnen. Das Absinken der Einkünfte infolge des verfrühten Eintritts in die Altersrente nach Altersteilzeit sei vorwerfbar; jedenfalls seien die damaligen Vergleichsgrundlagen weiterhin bindend, soweit auf seiner Seite lediglich 138 € monatlich für das Bedienen von Krediten abzusetzen seien. Auf seiten des Klägers seien darüber hinaus zumindest fiktiv Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, weil ihm zuzumuten gewesen wäre, den Erlös aus dem Verkauf seiner Immobilie zinswirksam anzulegen. Es treffe auch nicht zu, daß der Kläger nur Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu verzeichnen gehabt habe. Die letzten, die Zeit vor der Veräußerung der Immobilie betreffenden Einkommensteuerbescheide wiesen in den Jahren 2001 und 2002 nicht Verluste, sondern Gewinne aus Vermietung und Verpachtung aus. Seine Einkünfte für die Jahre 2003 und 2004 habe er nicht dargelegt. Die Immobilie hätte sich aus den Mieterlösen getragen, und auch die Kredite hätten weiter bedient und getilgt werden können. Tatsächlich sei der Grund für die Veräußerung der Immobilie gewesen, daß er mit seiner Lebensgefährtin zusammengezogen sei, die Immobilie für eigene Wohnzwecke nicht mehr benötigt habe, und seither mietfrei wohne. Auch dies sei - als neue Tatsache - bei einer Neuberechnung zu berücksichtigen. Sie bestreitet, daß sie selbst einen Wohnvorteil in der behaupteten Höhe aus ihrer Immobilie erziele: Ihr Wohnvorteil belaufe sich allenfalls auf 500 € monatlich. Die Beklagte wendet sich auch gegen eine Befristung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers. Sie seien lange Jahre verheiratet gewesen; auf die Trennungszeit komme es dabei nicht an. Der Kläger habe es in der Hand gehabt, diese Trennungszeit durch einen Scheidungsantrag zu verkürzen. Sie habe sich auch durchaus um eine Erwerbstätigkeit bemüht, soweit ihr dies möglich gewesen sei. Zunächst habe sie sich allerdings überwiegend um die Erziehung des gemeinsamen Sohnes gekümmert; danach habe sie ihr Gesundheitszustand an einer frühen Wiederaufnahme ihrer früheren Erwerbstätigkeit oder deren Ausweitung gehindert.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze sowie auf den Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 17. April 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel des Klägers hat teilweise Erfolg. Es führt zu einer geringfügigen Herabsetzung des Anspruchs der Beklagten auf Aufstockungsunterhalt und auf den Hilfsantrag hin zu einer Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse bis zum Ende des Jahres 2010. Für die Folgezeit hat der Senat den Unterhaltsanspruch auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt. Ein völliges Entfallen des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt erreicht der Kläger allerdings nicht. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Erwägungen:

1. Die Parteien haben anläßlich des Termins im Scheidungsverfahren im Jahre 2004 eine Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt getroffen, die sie auch weiterhin bindet. Beide Parteien haben allerdings nach Maßgabe des § 313 BGB einen Anspruch darauf, daß diese Unterhaltsvereinbarung, soweit sich die zugrunde liegenden Tatsachen maßgeblich geändert haben, an die aktuellen Gegebenheiten angepaßt werden. Unstreitig ist insoweit, daß der Kläger, anders noch als im Jahre 2004, nun über geringere Einkünfte verfügt, weil er kein Arbeitseinkommen mehr bezieht, sondern nur noch Renteneinkünfte. Diese belaufen sich, ebenso unstreitig, auf 1.024,42 € netto monatlich.

Der Senat hat keine Veranlassung, den Kläger insoweit an seinen früheren Einkünften zu messen aus dem Gesichtspunkt, daß er letztlich auf sein eigenes Betreiben verfrüht und deshalb vorwerfbar in den vorzeitigen Ruhestand gewechselt sei, denn im Bereich der tariflich Beschäftigten ist der Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand nach vorangegangener Altersteilzeit ein nicht mehr umkehrbarer Vorgang. Die Tatsachen, die in ihrer Konsequenz zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bei geminderten Rentenbezügen geführt haben, lagen bereits im Jahre 2004 vor, waren den Parteien bekannt und binden beide auch heute noch. Bereits im Jahre 2004 war die wesentliche Tatsache gesetzt, die dazu geführt hat, daß der Kläger ab dem 60. Lebensjahr nur noch gegenüber der regulären Altersrente verringerte Rentenbezüge erhalten würde. An dieser Tatsache muß sich die Beklagte auch heute noch festhalten lassen.

Eine gewisse Kompensation erfährt das Einkommen des Klägers dadurch, daß er von seinem Arbeitgeber nach dem Ende der Altersteilzeit und damit mit dem Eintritt in den Ruhestand wegen des Bezugs einer verkürzten Rente eine Abfindung erhalten hat. Diese ist - wovon auch das Amtsgericht zu Recht ausgegangen ist - zu berücksichtigen und angemessen umzulegen. Allerdings teilt der Senat die Ansicht des Amtsgerichts nicht, wonach ein Zeitraum von drei Jahren dem Zahlungszweck angemessen wäre, denn diese Abfindungszahlung findet ihre Zweckbestimmung darin, dem Kläger einen Teil des Verlustes auszugleichen, den er wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente an Rentenkürzung hinnehmen muß. Soll die Abfindungszahlung danach für den Rest des zu erwartenden Rentenbezugs die Verluste auffüllen, überzeugt auch die Ansicht des Klägers, daß eine Verteilung dieser Abfindung, allerdings zuzüglich anfallender Zinsen, auf die zu erwartende Dauer des künftigen Rentenbezugs angemessen sei. Das beinhaltet allerdings eine Reihe von Unwägbarkeiten, wobei nur die Ungewißheit hinsichtlich der Dauer des künftigen Rentenbezugs und die Entwicklung des Kapitalmarkts genannt sei, und erlaubt daher lediglich eine Schätzung anhand von Erfahrungswerten.

Ausgehend von einer Lebenserwartung von noch 20 Jahren ab Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand und von einer durchschnittlichen Verzinsung von 5%, die auf die Sicht von 20 Jahren nicht unrealistisch erscheint, könnte der Kläger monatlich 50 € dem Depot entnehmen, bis das Kapital dann mit Erreichen des 80. Lebensjahres verbraucht wäre.

Im Ergebnis bedeutungslos ist - jedenfalls für den Unterhaltsbedarf der Beklagten -, daß der Kläger unentgeltlich in der Wohnung seiner Lebensgefährtin lebt. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung Dritter, die nicht den Zweck hat, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit bedarfsbestimmend zu erhöhen.

Im übrigen ergibt sich zur Überzeugung des Senats gegenüber der Situation, wie sie sich für die Parteien bei Abschluß des Vergleichs im Jahre 2004 darstellte, keine wesentliche Änderung.

Das gilt zunächst für die beiderseitigen Wohnwerte bzw. deren Surrogat, denn die Parteien haben sich im Jahre 2004 darauf verständigt, daß der Wohnwert bzw. die Nutzungen, die beide aus ihren Immobilien zogen oder hätten ziehen können, bei der Unterhaltsbedarfsbestimmung außer Betracht bleiben sollten. Wie die Erörterung im Senatstermin ergeben hat, war es nämlich nicht so, daß die Parteien der Auffassung waren, daß die beiderseitig gezogenen oder zu ziehenden Nutzungen einander ebenbürtig und deshalb für die Unterhaltsbedarfsbestimmung neutral waren, sondern sie haben sich angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Streitigkeiten und einem Vorschlag des amtierenden Richters folgend dazu entschlossen, diesen Streit nicht im Unterhaltsverfahren, sondern gegebenenfalls an anderer Stelle klären zu lassen. Das bindet beide Parteien auch heute noch.

Entsprechendes gilt für die Belastungen, die sie mit 138 € monatlich bei der Unterhaltsbedarfsrechnung berücksichtigen wollten. Wie der Kläger selbst dargelegt hat, hat sich in tatsächlicher Hinsicht, jedenfalls zu seinen Gunsten, insoweit nichts geändert. Er behauptete, schon im Jahre 2004 habe die von ihm getragene Rate eigentlich doppelt so hoch gelegen. Weil der Zweck zwischen den Parteien damals streitig gewesen sei, hätten sie sich darauf verständigt, sie lediglich in Höhe von 138 € bei der Unterhaltsbedarfsberechnung zu berücksichtigen. Weggefallen ist diese Belastung bis heute nicht; sie ist auch nicht unter den Betrag von 138 € gesunken. Der Kläger ist daher weiterhin an die Vereinbarung aus dem Jahre 2004 gebunden, wonach diese Belastung, auch wenn sie tatsächlich höher liegt, nur mit 138 € monatlich in die Berechnung einzustellen ist, denn die Parteien haben damals bewußt den Streit um die Zahlungspflicht im Innenverhältnis dem Unterhaltsstreitverfahren entzogen und sich durch gegenseitiges Entgegenkommen auf diesen Betrag von 138 € monatlich geeinigt.

Der Kläger dringt auch mit seiner Behauptung nicht durch, daß die im Jahre 2006 erhaltene Abfindung seine wirtschaftlichen Verhältnisse heute nicht mehr mitbestimme, weil er damit Schulden getilgt habe, denn zum einen hat er sich darauf berufen, mit der Abfindung Steuerschulden getilgt zu haben - bewiesen hat er dies indessen nicht; außerdem hatte er bereits im Zusammenhang mit dem Gewinn aus der Veräußerung seiner Immobilie in Anspruch genommen, damit neben Anwaltsschulden und solchen bei Freunden und Bekannten Steuerschulden getilgt zu haben. Dabei bezog er sich auf die Steuerbescheide, die durchgehend aus dem Jahre 2005 stammen und Folge einer Nachveranlagung für zurückliegende Jahre waren. Diese waren indessen sofort fällig, so daß die Annahme ohnehin näher liegt, daß er, wenn schon, den Veräußerungserlös im Jahre 2005 aus der Veräußerung der Immobilie zumindest teilweise auf die Steuerschulden verwendet hat. Nach alledem ergibt sich, unter Wahrung der Vergleichsgrundlagen aus dem Jahr 2004, folgende Unterhaltsbedarfsberechnung: (Renteneinkünfte des Klägers 1.024,42 € + Abfindung anteilig monatlich 50 € ./. Annuität 138 € =) anrechenbares Einkommen 936,42 € ./. Renteneinkünfte der Beklagten 530,12 € = Differenz 406,30 €; die Hälfte davon, aufgerundet 204 € monatlich, ergibt den Unterhaltsbedarf der Beklagten nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse.

2. Die Aufrechterhaltung eines monatlichen Unterhaltsanspruchs in Höhe von 204 € monatlich scheitert auch nicht an Leistungsfähigkeit des Klägers; insbesondere ist insoweit der vorstehend dargestellte Barbetrag von 936,42 €, auf den der Kläger zurückgreifen kann, nicht maßgeblich. Im Rahmen der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Beklagten, für die der Vergleich keine Festlegungen enthält, sind durchaus die Dinge von Bedeutung, die die Parteien für die Unterhaltsbedarfsberechnung ausgeschlossen haben, namentlich Wohnvorteil, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder deren Surrogate. Auch die Tatsache, daß der Kläger unentgeltlich bei seiner Lebensgefährtin wohnt, ist bei der Bemessung des eheangemessenen Selbstbehalts zu berücksichtigen.

a) Der Senat erachtet es zunächst als angemessen, dem Beklagten fiktive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. einen fiktiven Wohnvorteil in Höhe von 300 € monatlich aus seiner im Jahre 2005 veräußerten Immobilie zuzurechnen. Auszugehen ist insoweit von der Darlegungs- und Beweislast des Beklagten für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Der Beklagte hat im Senatstermin, nachdem er seiner uneingeschränkten Freizeitgestaltung gegenüber seiner Verpflichtung, zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, den Vorzug gegeben und damit die Gelegenheit, sein Anliegen näher zu erläutern, nicht wahrgenommen hat, durch seinen Prozeßbevollmächtigen - wie schon zuvor schriftsätzlich - erklären lassen, er habe aus seiner Immobilie keinerlei Gewinne erwirtschaften sowie diese auf Dauer nicht halten können, und wäre deshalb über kurz oder lang ohnehin zu deren Veräußerung gezwungen gewesen.

Die Beklagte hatte diesen Vortrag bereits schriftsätzlich bestritten und dieses Bestreiten im Senatstermin im Hinblick auf die vom Kläger selbst vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002 wiederholt. Diese sind im Senatstermin eingehend erörtert worden, gerade auch im Hinblick auf die Erläuterungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Senatstermin. Aus den Einkommensteuerbescheiden ergab sich, daß der Kläger im Jahre 2001 Gewinne aus Vermietung und Verpachtung nach Abzug von Abschreibungen in Höhe von rund 8.000 DM hatte, und im darauffolgenden Jahre 2002 ebensolche in Höhe von rund 6.000 €. Ausgehend davon, daß es sich dabei um Gewinne handelt, berücksichtigen diese Beträge bereits die vom Kläger geleisteten Kreditzinsen, wenn auch nicht die Tilgungsleistungen. Solche könnten im Ergebnis zwar dazu führen, daß per Saldo - neben dem eigenen Wohnvorteil und abgesehen von der Vermögenssteigerung durch Verringerung der Verbindlichkeiten - kein monatlich abschätzbarer Betrag für den Lebensunterhalt verblieb. Allerdings kann der Senat aufgrund des eigenen Sachvortrags des Klägers, den sich die Beklagte im Senatstermin hilfsweise zu eigen gemacht hat, ausschließen, daß der Kläger überhaupt Tilgungsleistungen erbracht hat, denn er hat durch seinen Prozeßbevollmächtigten selbst vortragen lassen, daß zum Zeitpunkt der Ablösung des Kredits nach der Veräußerung des Hauses im Jahre 2005 noch nahezu derselbe Betrag valutierte, wie er der Kreditsumme bei dessen Inanspruchnahme entsprach. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger keineswegs aus wirtschaftlichen Gründen, auch nicht in Erwartung einer knappen Rente, gezwungen war, seine Immobilie zu veräußern, weil sich diese nämlich nicht nur selbst trug, sondern sogar Gewinne erwirtschaftete und den Kläger in die Lage versetzt hätte, sogar Tilgungsleistungen zu erbringen. Die Veräußerung der Immobilie kann daher nur von dem Willen getragen gewesen sein, sich dieser aus Gründen der Bequemlichkeit oder zur Erlangung flüssiger Mittel für andere Zwecke zu entledigen. Im Hinblick auf die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit bedeutet dies, daß er sich so behandeln lassen muß, als sei er nach wie vor Eigentümer dieser Immobilie.

Ausgehend von den Gewinnen für die Jahre 2001 und 2002 - jüngere Zahlen liegen nicht vor und sind auch nicht dargelegt - schätzt der Senat die monatlichen Einkünfte aus der Immobilie unter Berücksichtigung zu entrichtender Steuern, einer etwaigen Instandhaltungsrücklage, etwaigen Mietausfällen wegen säumiger Mietzahler und einer angemessenen Tilgung auf zumindest noch monatlich 300 €, die der Senat dem Beklagten fiktiv bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zurechnet.

Danach verfügt der Kläger über tatsächliche und fiktive Einkünfte in Höhe von rund 1.374 € monatlich (Renteneinkünfte 1.024 € netto, fiktive Entnahme aus der Abfindung von 50 € monatlich, fiktive Gewinne aus Vermietung und Verpachtung von 300 € monatlich). Damit wäre, selbst ohne Berücksichtigung des zur Absenkung des Selbstbehalts führenden freien Wohnens bei der Lebensgefährtin, der eheangemessene Selbstbehalt von 1.000 € monatlich selbst dann gewahrt, wenn der Kläger nicht nur monatlich 204 € an Unterhalt zu zahlen hätte, sondern auch unter Berücksichtigung der schriftsätzlich vorgetragenen und von ihm tatsächlich zu leistenden Rate auf die Verbindlichkeiten in Höhe von 160 statt 138 €.

b) Einen gewissen Erfolg, allerdings aufgrund des Vorbringens erst in der Berufungsinstanz, hat der Kläger insoweit, als er unter Berufung auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. und auf den seit 1. Januar 2008 geltenden neuen § 1578b BGB eine Befristung bzw. eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs begehrt. Diese Bestimmungen, die sich trotz etwas anders lautendem Wortlaut aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes inhaltlich einander entsprechen, erlauben beim Aufstockungsunterhalt unter gewissen engen Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen entweder eine Befristung der Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts überhaupt oder eine Beschränkung dergestalt, daß der Unterhaltsberechtigte nur noch für einen bestimmten Zeitraum Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse verlangen und sein Unterhalt danach auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen ist. Bei der Abwägung sind insbesondere ehebedingte Nachteile zu berücksichtigen, die beim Unterhaltsberechtigten infolge einer Einschränkung seiner Möglichkeit eingetreten sind, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen. Derartige Nachteile können sich vor allem aus der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aber auch aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

Im konkreten Fall waren die Parteien 36 Jahre lang miteinander verheiratet. Eine derartig lange Ehedauer hindert aber noch nicht von sich aus die Annahme, daß der Unterhalt aus Billigkeitsgründen begrenzt oder beschränkt werden kann. Auch der Bundesgerichtshof hat sich immer und sogar vergleichsweise früh nach der Einführung der Beschränkungsmöglichkeiten durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom 20. September 1986 gegen die Annahme fester Zeitgrenzen gewandt, andererseits aber auch dargelegt, daß ab einer Ehedauer von etwa zehn Jahren der »Grenzbereich« für eine Befristung erreicht sei (BGH FamRZ 1990, 857, 858 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 17 = BGHF 7, 176), denn angesichts der vielfältigen persönlichen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Ehe sei eine feste Zeitschranke zu eng und könne die durch die gesetzliche Regelung bezweckte Billigkeitsentscheidung unzulässig behindern. Zwar sei nicht zu verkennen, daß der über eine Ehedauer von zehn Jahren hinausgehende Bereich sich einer Ehe von langer Dauer nähere; auch spreche die Lebenserfahrung dafür, daß die Ehegatten mit fortschreitender Ehe ihre Lebensführung wechselseitig aufeinander eingestellt und sich insoweit wechselseitig Abhängigkeiten entwickelt hätten. Gleichwohl könne für die gebotene Billigkeitsabwägung nur die jeweilige Lebenssituation der Ehegatten und nicht eine von vornherein festgelegte Ehedauer maßgeblich sein.

Seine anfangs restriktive Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof namentlich in den zurückliegenden zwei Jahren zusehends gelockert, erstmals wahrnehmbar in der Entscheidung vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006 = FuR 2006, 374 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 25). Danach beruht die Möglichkeit, den Aufstockungsunterhalt zu befristen, auf dem Gedanken, daß eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur dann angemessen sei, wenn etwa die Ehe lange gedauert habe, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen seien, die der Berechtigte betreue oder betreut habe, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen habe oder wenn sonstige Gründe (z.B. Alter oder Gesundheitszustand des Berechtigten) für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprächen. Lägen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, habe sich der Lebensstandard des Berechtigten durch die Ehe sogar verbessert, sei ihm nach einer Übergangszeit ein Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspreche, den er vor der Ehe gehabt habe. Ein Aufstockungsunterhalt komme dann nicht mehr bis zum vollen eheangemessenen Unterhalt in Betracht, sondern allenfalls in dem Umfange, den der Berechtigte aufgrund seiner eigenen beruflichen Qualifikation ohne den Eintritt ehebedingter Nachteile hätte erreichen können (BGH aaO S. 1007). Diese Rechtsprechung, die auf das Vorliegen sog. ehebedingter Nachteile abstellt, hat der Bundesgerichtshof seither fortgesetzt. In einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 25. Oktober 2006 - FamRZ 2007, 200 = FuR 2007, 25 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 26) hat er diese Grundsätze bestätigt und darauf hingewiesen, daß erhebliche fortwirkende ehebedingte Nachteile in der beruflichen Entwicklung nur in ihrem jeweiligen Umfange und bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des unterhaltsbedürftigen Ehegatten rechtfertigten, auch wenn im übrigen die Voraussetzungen einer zeitlichen Begrenzung bzw. einer Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf vorlägen.

Diese ihm teilweise bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Gesetzgeber mit der Neufassung der Beschränkungs-/Befristungsmöglichkeiten in einer einzigen statt zuvor in zwei Bestimmungen im neuen § 1578b BGB unter Ausweitung des Anwendungsbereichs nicht nur auf den Aufstockungs-, sondern auf sämtliche Unterhaltstatbestände aufgenommen. Dazu heißt es in der amtlichen Begründung (BT-Dr. 1830 S. 18):

» Mit § 1578b des Entwurfs wird eine grundsätzlich für alle Unterhaltstatbestände geltende Billigkeitsregelung eingeführt, die nach Maßgabe der in der Regelung aufgeführten Billigkeitskriterien eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung von Unterhaltsansprüchen ermöglicht. Damit wird der vom Gesetzgeber in dem Unterhaltsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 eingeschlagene Weg fortgesetzt. Das erste Ehereformgesetz vom 14. Juni 1976 ... ließ in der bis zum 1. April 1986 geltenden Fassung kaum Raum für Billigkeitsabwägungen. Die Möglichkeit einer zeitlichen Begrenzung bestand nicht. Von Beginn an ist dies unter Hinweis darauf kritisiert worden, daß einschneidende wirtschaftliche Folgen einer Trennung und Scheidung, wie sie insbesondere durch die Auferlegung einer grundsätzlich lebenslangen Unterhaltspflicht entstehen, nicht völlig losgelöst von Billigkeitsgesichtspunkten geregelt werden kann.

Diese Kritik hat der Gesetzgeber mit dem Unterhaltsänderungsgesetz aufgegriffen und durch die Einführung von § 1573 Abs. 5 BGB erstmals die Möglichkeit geschaffen, den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und den Aufstockungsunterhalt aufgrund von Billigkeitserwägungen zeitlich zu begrenzen. Gleichzeitig wurde durch § 1578 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB ermöglicht, bei allen Unterhaltstatbeständen das Maß des Unterhalts auf den eheangemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. Das Gesetz verfolgt hiermit ausdrücklich das Ziel, die Eigenverantwortung zu fördern und der Einzelfallgerechtigkeit mehr Raum zu geben. Von diesen Möglichkeiten hat die Rechtsprechung in den folgenden Jahren jedoch kaum Gebrauch gemacht. In jüngerer Zeit hat die Kritik vor allem vor dem Hintergrund der Abkehr des Bundesgerichtshofs von der sog. Anrechnungsmethode unter Hinwendung zu sog. Differenzmethode mit der Entscheidung vom 13. Juni 2001 deutlich zugenommen. In der neueren Rechtsprechung ist eine Tendenz zu einer vermehrten Beschränkung von Unterhaltsansprüchen festzustellen. Daran knüpft der Entwurf mit dem neu eingeführten § 1578b an. Die Neuregelung verfolgt das Ziel, die Beschränkung von Unterhaltsansprüchen anhand objektiver Billigkeitsmaßstäbe und hier insbesondere anhand des Maßstabs der ehebedingten Nachteile zu erleichtern. «

Hinsichtlich des Begriffs dieser ehebedingten Nachteile knüpft der Gesetzgeber an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Gleichwertigkeit in der Ehe arbeitsteilig erbrachter Leistungen der Ehepartner an. Diese begründet aber nicht von vornherein eine Lebensstandardgarantie im Sinne einer zeitlich unbegrenzten und der Höhe nach nicht abänderbaren Teilhabe nach der Scheidung; die nacheheliche Solidarität gebiete vielmehr nur, dem bedürftigen Partner die Nachteile auszugleichen, die ihm deshalb entstehen, weil er wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe nicht oder nicht ausreichend in der Lage sei, nach der Scheidung für seinen Unterhalt zu sorgen. Beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit nennt der Gesetzgeber dabei die Kindesbetreuung, an die vornehmlich bei Betreuungs-, Ausbildungs- und Aufstockungsunterhalt zu denken sei. Soweit andere Unterhaltsansprüche betroffen sind (Alters-, Krankheits- oder Arbeitslosigkeitsunterhalt), träfen die diesen Unterhaltstatbeständen zugrunde liegenden Tatsachen teilweise unabhängig von der Ehe ein und seien nicht »ehebedingt«. Deshalb könne gerade in diesen Fällen, was aber in jedem Einzelfall sorgfältig unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe zu prüfen sei, eine uneingeschränkte Fortwirkung ehelicher Solidarität, die sich in einem Unterhaltsanspruch niederschlage, unangemessen sein.
Namentlich im Hinblick auf Krankheitsfälle heißt es in dem Entwurf (aaO):

» § 1578b des Entwurfs erfaßt auch die Fälle, in denen es nicht um die Kompensation 'ehebedingter Nachteile', sondern allein um das Ausmaß der darüber hinausgehenden nachehelichen Solidarität geht. Zu denken ist etwa an den Fall der Erkrankung eines Ehegatten, die ganz unabhängig von der Ehe eingetreten ist. Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts ist hier allein die fortwirkende Solidarität im Lichte des Grundsatzes der Eigenverantwortung, wobei die in § 1578b Abs. 1 S. 3 des Entwurfs genannten Umstände auch Bedeutung für das Ausmaß einer fortwirkenden Verantwortung haben. Dies gilt insbesondere für die Dauer der Ehe. Die gleichen Grundsätze gelten auch für den Fall, in dem etwa eine Erwerbstätigkeit allein an der bestehenden Arbeitsmarktlage scheitert und damit nicht auf einen 'ehebedingten Nachteil' zurückzuführen ist. Ob und in welchem Ausmaß der Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit gemäß § 1573 BGB in Höhe und/oder Dauer beschränkt werden kann, wird auch hier ganz wesentlich von der Dauer der Ehe abhängen. ...

Ob und in welchem Umfang Unterhaltsansprüche beschränkt werden können, hängt danach wesentlich davon ab, ob und in welchem Ausmaß durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Hinsichtlich der Verknüpfung 'durch die Ehe' genügt es, daß der Nachteil, nicht für den eigenen Unterhalt sorgen zu können, ganz überwiegend bzw. im wesentlichen auf die vereinbarte Aufgabenteilung während der Ehe zurückzuführen ist. Die wichtigsten Umstände, aus denen sich solche Nachteile ergeben können, benennt Abs. 1 S. 3. Steht die Unbilligkeit fest, besteht kein Ermessensspielraum; der Unterhaltsanspruch muß hinsichtlich der Höhe und/oder Dauer begrenzt werden. «

Gemäß diesen Ausführungen hat der Senat im konkreten Fall insbesondere der objektiven Dauer der Ehe Bedeutung zugemessen, die hier 36 Jahre bis zur Rechtskraft der Scheidung gedauert hat, allerdings auch dem Umstand, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien seit über 18 Jahren, der Dauer der Trennung, wirtschaftlich entflochten waren. Beide lebten ihr eigenes Leben, und zwar im wesentlichen aufgrund der eigenen Einkünfte und des eigenen Vermögens. Auch die Betreuung des gemeinschaftlichen Sohnes, der zum Zeitpunkt der Trennung volljährig war, ist ein weiteres Indiz für die wirtschaftliche Selbständigkeit der Parteien seit heute über 20 Jahren. Dabei mißt der Senat dem Umstand, daß die Parteien sich gleichwohl noch als »verheiratet« fühlten, und die Beklagte es nach eigenem Bekunden deshalb auch zuließ, daß der Kläger ein nur ihm und seinem Interesse gewährtes Darlehen über ihre Immobilie absichern ließ, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Ähnliches gilt für die Tatsache, daß die Parteien sich über Jahre hinweg noch gemeinschaftlich steuerlich veranlagen ließen, obwohl sie längst getrennt lebten.

Kein Zusammenhang mit der Ehe und daher als für die Beklagte eher »schicksalhaft« sieht der Senat auch die beiden durchaus erheblichen Erkrankungen an, die die Beklagte im Laufe der Ehe erlitten hat, nämlich die Erkrankung an Morbus Crohn im Jahre 1986 und die später diagnostizierte Erkrankung an Morbus Bechterew. Soweit die Beklagte hierdurch an einer Ausübung einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert war, sind dies nicht ehebedingte Nachteile, sondern schicksalhaft erlittene Nachteile, die auch vor dem Hintergrund der langen Ehedauer den Kläger nicht zu einer lebenslangen nachehelichen Solidarität nötigen. Von entscheidender Bedeutung ist es zur Überzeugung des Senats aber, daß die Beklagte aufgrund eines gemeinschaftlich getroffenen Entschlusses anläßlich der Geburt des gemeinsamen Sohnes aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und, da die Eheleute noch bis Mitte der 80-er Jahre zusammenlebten, aufgrund ihrer Arbeitsleistung infolge des ehelichen Zusammenlebens und der Betreuung des Sohnes bis zur Trennung der Eheleute im Jahre 1986 auch an einer Wiederaufnahme der Berufstätigkeit gehindert war. Wie sie dazu nachvollziehbar dargelegt hat, hat sie danach in ihrem erlernten Beruf nach knapp 20-jähriger Abwesenheit nicht wieder Fuß fassen können und sich um eine Umschulung bemüht. Anschließend im Jahre 1989 - drei Jahre nach der Trennung - und nach einer Umschulung hat sie beruflich, wenn auch geringer qualifiziert, wieder Fuß fassen können. Ehebedingte Nachteile nach der Vorstellung des Gesetzgebers und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die heute noch fortwirken, sind daher ohne weiteres feststellbar. Zumal die Beklagte jetzt ebenfalls eine Rente bezieht, steht zur Überzeugung des Senats fest, daß diese Rente, die Ehe und das dadurch bedingte endgültige Ausscheiden aus dem erlernten Beruf als Bankangestellte hinweggedacht, heute höher ausgefallen wäre. Diese ehebedingten Nachteile wirken auch über den Zeitpunkt der Scheidung bis an das Lebensende der Beklagten fort.

Darüber hinaus besteht indessen, insbesondere auch aufgrund der langen Trennungszeit, aus Billigkeitsgründen keine Veranlassung, den Kläger an der Verpflichtung zur Zahlung des eheangemessenen Unterhalts nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse festzuhalten. Daraus ergibt sich, daß eine Befristung des Unterhaltsanspruchs wegen der fortwirkend ehebedingten Nachteile ausscheidet, andererseits aber, zumal die Unbilligkeit feststeht, der Zeitraum, während dessen die Beklagte Aufstockungsunterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse beanspruchen kann, zu beschränken und der Unterhaltsanspruch danach auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen.

Der Unterhaltsbedarf nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse beträgt - wie im vorstehenden dargelegt - aufgerundet 204 € monatlich. Der Senat hat die Frage zu beantworten, für welche Zeitdauer der Kläger aus Billigkeitsgründen noch an diesem Unterhaltsanspruch festzuhalten ist. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, daß die Beklagte konkret eigentlich erst seit der Lockerung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab April 2006 angesichts der objektiven Dauer der Ehe mit einem solchen Einwand rechnen mußte. Der Kläger hat auch noch nicht sogleich mit der Klageerhebung, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, eine Beschränkung bzw. Befristung des Unterhaltsanspruchs aus Billigkeitsgründen geltend gemacht, sondern erstmals mit der Berufungsbegründung vom 19. Juli 2007 und damit nahezu zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts. Davon ausgehend erscheint dem Senat, auch aus Billigkeitsgründen, eine Übergangsfrist von zumindest drei Jahren, beginnend mit dem erstmaligen Beschränkungs-/Befristungsbegehren des Klägers, erforderlich, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, ihre Lebensumstände diesen neuen rechtlichen Gegebenheiten anzupassen. Demgemäß hält der Senat das Ende des Jahres 2010 für den angemessenen Zeitpunkt, ab dem eine Herabsetzung des Aufstockungsunterhalts nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse auf den angemessenen Bedarf eintreten soll.

Der Senat sieht den Kläger nicht mit dem Einwand der Beschränkung/Befristung als präkludiert an, auch nicht vor dem Hintergrund, daß er theoretisch schon im Lichte der Rechtsprechungsänderung des Jahres 2001 bei Vergleichsschluß im Jahre 2004 die nunmehr geltend gemachte Befristung/Beschränkung hätte geltend machen können, denn daß bei einer Ehe von 36 Jahren Dauer eine solche Befristung oder Beschränkung ernsthaft in Erwägung zu ziehen wäre, eröffnete sich den Rechtsunterworfenen frühestens ab dem Jahre 2006 mit der Verkündung der entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidung und der Betonung der sog. ehebedingten Nachteile.

c) Bei der Bemessung des angemessenen Unterhaltsbedarfs gemäß § 1578b Abs. 1 BGB hat der Senat - wie dargelegt - im wesentlichen auf die Auswirkungen der Ehe im Hinblick auf die berufliche Karriere der Beklagten und konkret auf die Höhe ihrer heute bezogenen Rente abgestellt. Insoweit ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf für die Beklagte, der sich in der beigezogenen Scheidungsakte befindet, daß sie bis zu ihrem Ausscheiden aus dem erlernten Beruf Mitte des Jahres 1969 in jedem Jahr etwa 0,93 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Unterstellt, sie wäre weiterhin dort beschäftigt gewesen, wäre nicht die Ehe mit dem Kläger eingegangen und hätte kein Kind geboren, betreut und erzogen, kann deshalb unterstellt werden, daß sie auch in den Jahren bis zur Trennung - nur bis dahin wurde auch der Versorgungsausgleich durchgeführt - im Jahre 1986 weitere Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hätte, und zwar hochgerechnet etwa 16,4 Entgeltpunkte. Welchen Einfluß die Erkrankung der Beklagten darauf gehabt hätte, wäre vom Kläger darzulegen gewesen und kann daher nicht berücksichtigt werden. Statt dessen hat sie aber in der gesetzlichen Rentenversicherung nur Pflichtbeiträge für Kindererziehung erworben sowie aufgrund von freiwillig entrichteten Beiträgen bis zur Trennung knappe drei Entgeltpunkte, also insgesamt rund 13,4 Entgeltpunkte weniger, als ohne Ehe zu erwarten gewesen wäre. Diese Entgeltpunkte entsprechen bei dem aktuellen allgemeinen Rentenwert einer monatlichen Rente in Höhe von rund 352 €. Allerdings würde sie, die Ehe hinweggedacht, heute nicht 352 € monatlich mehr an Rente beziehen, weil die aktuelle Rente durch die Durchführung des (einverständlich nur bis zum Zeitpunkt der Trennung) durchgeführten Versorgungsausgleichs in Höhe von rund 290 € beeinflußt ist. Daraus ergibt sich eine monatliche Differenz von 62 € zwischen der fiktiven Rente unter Außerachtlassung der Ehe und der tatsächlich bezogenen Rente. In Höhe dieser 62 € monatlich wirken somit ehebedingte Nachteile bei den Rentenansprüchen der Beklagten auch heute noch fort. Deshalb hat der Senat den monatlichen Unterhaltsanspruch als den angemessenen Unterhalt gemäß § 1578b Abs. 1 BGB für die Zeit ab 1. Januar 2011 auf monatlich 62 € festgesetzt.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschränkung des Unterhalts ab 2011 hat wirtschaftlich erhebliche Bedeutung und rechtfertigt für die erste Instanz eine Aufhebung der Kosten. Für die Berufungsinstanz stellt dies allerdings keinen Erfolg im kostenrechtlichen Sinne dar, weil der Kläger diesen Einwand erstmals im Berufungsverfahren erhoben hat (§ 97 Abs. 2 ZPO).

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