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OLG Stuttgart - Neues Unterhaltsrecht - FD-Platzhalter-rund

Rechtsprechung zum Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts [UÄndG]
OLG Stuttgart 2008 - 2011




Urteil vom 05.02.2008 - 18 UF 225/07: BGB §§ 1582, 1601, 1609; SGB II § 11
Urteil vom 05.08.2008 - 17 UF 42/08: BGB §§ 1572, 1573, 1578b; EGZPO § 36
Urteil vom 20.08.2008 - 18 UF 256/07: BGB § 1578b; ZPO §§ 323, 794
Urteil vom 23.12.2008 - 17 UF 180/08: BGB §§ 1573, 1574, 1577, 1578b; EGZPO § 36
Beschluß vom 08.01.2009 - 16 UF 204/08: BGB §§ 1573, 1578b; EGZPO § 36
Urteil vom 15.09.2009 - 17 UF 128/09: BGB §§ 1573, 1578b

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1. Arbeitslosengeld II, das der Struktur nach Sozialhilfe für bedürftige, aber arbeitsfähige Personen ist, ist kein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Die Auffassung, Entgelte aus einer Nebentätigkeit neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II seien ohne Berücksichtigung der Selbstbehaltssätze an das unterhaltsberechtigte Kind auszuzahlen, findet im Gesetz keine Stütze.
2. Einem gegenüber minderjährigen Kindern Unterhaltsverpflichteten ohne Berufsausbildung ist im Rahmen der Leistungspflicht für Kindesunterhalt jede Art von Hilfstätigkeit zumutbar.
3. Zeigt die geringe Anzahl von Bewerbungen, daß sich ein erwerbsloser Unterhaltsschuldner nicht mit der erforderlichen Intensität um eine Arbeitsstelle bemüht hat, dann ist ihm fiktives Einkommen zuzurechnen.
4. Der Abzug der 5%-igen Erwerbsaufwandspauschale ist auch im Mangelfall zu berücksichtigen.
5. Der Nachrang der zweiten Ehefrau gilt nach altem Recht auch dann, wenn die Mutter der minderjährigen Unterhaltsberechtigten keinen nachehelichen Unterhalt geltend macht.

Urteil vom 05.02.2008 - 18 UF 225/07: BGB §§ 1582, 1601, 1609; SGB II § 11

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1. Die stets wandelbaren Lebensverhältnisse rechtfertigen eine spätere erstmalige Geltendmachung nachehelichen Ehegattenunterhalts, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern (hier: teilweiser Wegfall von Verbindlichkeiten).
2. Wird nach rechtskräftiger Ehescheidung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder eine außergerichtliche Schuldenbereinigung unternommen, so sind ehebedingte Verbindlichkeiten nur noch im Umfang der pfändbaren Beträge berücksichtigungsfähig.
3. Für die Frage einer Befristung des nachehelichen Ehegattenunterhalts ist nicht ausschließlich auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in dem früher gewählten Beruf abzustellen. Die Tatsache oder auch nur die Möglichkeit einer Tätigkeit im erlernten Beruf ist deshalb allein als Indiz für das Fehlen ehebedingter Nachteile anzusehen. Für die Befristungsdauer (Übergangsfrist) ist auch der seitherige Unterhaltszeitraum in Betracht zu ziehen. Dem hat der Umstand gleichzustehen, daß Unterhalt wegen der Zahlung auf gemeinsame Verbindlichkeiten nicht geschuldet ist.

Urteil vom 05.08.2008 - 17 UF 42/08: BGB §§ 1572, 1573, 1578b; EGZPO § 36

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1. Ein gerichtlicher Vergleich ist wie ein sonstiges privatrechtliches Rechtsgeschäft allein nach den Regeln des materiellen Rechts an veränderte Umstände anzupassen; maßgeblich sind die Grundsätze über die Veränderung oder den Fortfall der Geschäftsgrundlage.
2. Haben sich danach die Umstände, die zur Grundlage einer Absprache erhoben worden sind, nach Abschluß des Vergleichs schwerwiegend geändert, so kann eine Anpassung unter Wahrung des Parteiwillens verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
3. Die Bemessung des Unterhalts im Abänderungsverfahren ermöglicht diese keine freie, von der bisher festgesetzten Höhe unabhängige Neubemessung des Unterhalts und keine abweichende Beurteilung der zugrunde liegenden Verhältnisse; vielmehr kann die Abänderungsentscheidung nur in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Angleichung bestehen, wobei allein auf den Parteiwillen als dem Geltungsgrund der Vereinbarung abzustellen ist. Ist danach eine Änderung eingetreten, so muß die gebotene Anpassung nach Möglichkeit unter Wahrung des Parteiwillens und der ihm entsprechenden Grundlagen erfolgen.
4. Der Wandel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Begrenzung des nachehelichen Unterhalts hat durch die Regelung in § 1578b BGB nicht nur eine Konkretisierung erfahren, sondern ist darüber hinaus mit dem Ziel weiterentwickelt worden, die Beschränkung von Unterhaltsansprüchen anhand objektiver Billigkeitskriterien, insbesondere des Maßstabs der »ehebedingten Nachteile«, zu erleichtern.
5. Eine Änderung der Gesetzeslage stellt regelmäßig eine wesentliche Abweichung von der Geschäftsgrundlage eines Vergleichs dar, die dessen Anpassung rechtfertigt.
6. Im Rahmen der Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ist vorrangig zu prüfen, ob sich eine Einkommensdivergenz der geschiedenen Ehegatten, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründet, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich rechtfertigt.
7. Ein geschiedener Ehegatte durfte nach langer Ehedauer bis zum Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2008 auf eine getroffene Unterhaltsregelung vertrauen. Da dieses Vertrauen in eine getroffene Regelung aufgrund der Übergangsregelung in § 36 Nr. 1 EGZPO nicht übergangen werden darf, hat der Unterhaltsschuldner für eine angemessene Übergangszeit Sorge zu tragen, um dem Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit zu geben, sich auf den Wegfall seines Unterhaltsanspruchs und ein damit verbundenes Absinken seines Lebensstandards einzustellen.

Urteil vom 20.08.2008 - 18 UF 256/07: BGB §§ 1572, 1573, 1578b; EGZPO § 36

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1. Zur Abänderbarkeit eines Prozeßvergleichs nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts.
2. Zur Frage der Erwerbsobliegenheit nach langer beruflicher Abstinenz mit Verlust ehemals erworbener beruflicher Qualifikationen und der Möglichkeit der Verweisung (auch) auf Berufe minderer Qualifikation.
3. Zur Bedarfsdeckung aus Zinserträgen, wenn mit Nachforderungen der Staatskasse aus der ratenfreien Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gerechnet werden muß.
4. Zur Begrenzung des nachehelichen Unterhalts bei ehebedingten Nachteilen.

Urteil vom 23.12.2008 - 17 UF 180/08: BGB §§ 1573, 1574, 1577, 1578b; EGZPO § 36

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Ist bereits nach dem vor dem 1. Januar 2008 geltenden Recht eine Befristung des Ehegattenunterhalts möglich gewesen, insbesondere nach der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab dem Frühjahr 2006, so sind Umstände, die in einem im Jahre 2007 entschiedenen Unterhaltsrechtsstreit bereits hätten berücksichtigt werden können, in einem nach dem 1. Januar 2008 eingeleiteten Abänderungsverfahren präkludiert. § 36 Nr. 2 EGZPO steht dem nicht entgegen.

Beschluß vom 08.01.2008 - 16 UF 204/08: BGB §§ 1573, 1578b; EGZPO § 36

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1. Ein fortwirkender ehebedingter Nachteil kann auch zu einer Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b Abs. 1 BGB führen.
2. Hat eine unterhaltsberechtigte Ehefrau den Beruf einer Bankkauffrau erlernt und infolge einer Familienpause ca. 20 Jahre lang in diesem Beruf nicht mehr gearbeitet, so können bei bestehender Erwerbsobliegenheit Einkünfte aus einer Tätigkeit als Bürohilfskraft zugerechnet werden.

Urteil vom 15.09.2009 - 17 UF 128/09: BGB §§ 1573, 1578b

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