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OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2009 - 2 UF 6/09 - FD-Platzhalter-rund

OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2009
2 UF 6/09



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts; fortwirkende ehebedingte Nachteile (hier: Mehrkosten einer privaten Krankenversicherung zur Aufrechterhaltung des Umfangs des ehegewohnten Versicherungsschutzes); zeitliche Begrenzung eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt im Falle einer chronischen Erkrankung; gegenwärtige Prognose zur künftigen Verbesserung der wirtschaftlichen Situation durch eigene Berufstätigkeit.

BGB §§ 1572, 1578b

1. Besteht für eine geschiedene Ehefrau die Notwendigkeit zum Abschluß einer privaten Krankenversicherung, um den Umfang ihres aus der Ehe gewohnten Versicherungsschutzes aufrechtzuerhalten, kann in den hierdurch ausgelösten Mehrkosten ein fortwirkender ehebedingter Nachteil liegen.
2. Im Falle einer chronischen Erkrankung ist bei der Frage einer zeitlichen Begrenzung eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt aus § 1572 BGB auch zu berücksichtigen, ob die Anspruchsberechtigte nach gegenwärtiger Prognose jemals in der Lage sein wird, ihre wirtschaftliche Situation durch eine eigene Berufstätigkeit zu verbessern.

OLG Hamm, Urteil vom 18. Juni 2009 - 2 UF 6/09

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Brakel vom 20.06.2008 (9 F 149/07) wird teilweise abgeändert.
In Abänderung des Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11.05.2006 (6 UF 98/05) ist der Beklagte der Klägerin gegenüber zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt zwischen September 2007 und Dezember 2007 in Höhe von monatlich 715 €, für Januar 2008 in Höhe von 797 €, zwischen Februar 2008 und Dezember 2009 in Höhe von monatlich 949 € sowie ab Januar 2010 auch über den 31.03.2012 hinaus in Höhe von monatlich 450 €, fällig zum 3. Kalendertag eines jeweiligen Monats im voraus, verpflichtet.
2. Die Berufung und die Anschlußberufung im übrigen werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten der ersten Instanz fallen der Klägerin zu 36% und dem Beklagten zu 64% zur Last. Die Kosten der zweiten Instanz haben die Klägerin zu 43% und der Beklagte zu 57% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie streiten über die Abänderung nachehelichen Unterhalts.

Die Eheschließung zwischen den Parteien erfolgte am 16. Juni 1978. Zur Trennung kam es am 1. März 2002. Durch Urteil vom 13. April 2005 vor dem Amtsgericht Brakel (9 F 44/03) wurden die Parteien geschieden. Die Zustellung des Ehescheidungsantrages des Beklagten an die Bevollmächtigten der Klägerin war am 14. März 2003 erfolgt. Aus der Ehe gingen die drei inzwischen erwachsenen Töchter K. (geboren am 31. Oktober 1981), J. (geboren am 19. Mai 1983) und M. (geboren am 12. Oktober 1988) hervor. M. und K. sind bereits selbständig und bedürfen seit längerer Zeit der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern nicht. Die Tochter J. beendete im Dezember 2007 ihr Lehramtsstudium und trat zum 1. Februar 2008 ihre Referendarausbildung an.

Die am 18. Juli 1951 geborene Klägerin ist ausgebildete Fotografin. Zwischen dem 1. März 1972 und dem 31. Dezember 1973 war sie in diesem Beruf halbtags im Physiologischen Institut II der Universität N. beschäftigt; im Anschluß arbeitete sie zwischen dem 1. Januar 1974 und dem 31. März 1981 vollschichtig als technische Assistentin ohne staatliche Anerkennung im Institut für Geophysik, ebenfalls an der Universität N. Ihre dortige Vergütung erfolgte nach Tarifgruppe BAT VIb. Spätestens im Februar 1981 gab die Klägerin ihre Berufstätigkeit auf. Sie verzog zusammen mit dem Beklagten zunächst nach X. und dann nach C3, wo beide Parteien nach wie vor wohnen. Während der Betreuung und Versorgung der drei gemeinsamen Töchter ging die Klägerin einer Berufstätigkeit nicht nach. Eine in dieser Zeit angebotene Stelle bei der Universität Q. konnte sie aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten.

Die Klägerin leidet seit ihrer Kindheit an einer Skoliose; diese äußert sich insbesondere in Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich. Die ersten Beeinträchtigungen traten im Alter von etwa 12 Jahren auf. Als sich die Parteien kennenlernten, schlief die Klägerin in einem Gipsbett und trug tagsüber ein Stahlkorsett. Der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechterte sich während der Ehe allmählich. Im Jahre 2000 unterzog sie sich einem ersten operativen Eingriff, der zu einer erhofften Verbesserung nicht führte; unter anderem kam es zu einem Schraubenbruch in ihrer Wirbelsäule. Seit diesem Zeitpunkt wird die Klägerin von ihren behandelnden Ärzten als nicht erwerbsfähig eingestuft und bezieht etwa seit den Jahren 2001/2002 eine Rente wegen vollständig verminderter Erwerbsfähigkeit. Nachfolgende Operationen haben dazu geführt, daß einzelne Wirbel versteift worden sind. Während der letzten zehn Jahre haben sich erschwerend eine Fibromyalgie (Weichteil-Rheuma) sowie Osteoporose eingestellt.

Der Beklagte (geboren am 11. Mai 1951) arbeitet im Schuldienst. Als Oberstudienrat war er zunächst an einem Gymnasium in C3 und danach - bis einschließlich Januar 2009 - an einem Gymnasium in I2 tätig. Zum Februar 2009 wechselte er an ein Gymnasium nach C4, wo er die Stelle des stellvertretenden Schulleiters innehat; er strebt dort zum Ende des Jahres 2009 die Beförderung zum Schulleiter an.

Durch Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 (6 UF 98/05) hat sich der Beklagte der Klägerin gegenüber zunächst zu nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich 340 € verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt waren noch alle drei Töchter, denen die Parteien in unterhaltsrechtlicher Hinsicht von Anfang an Vorrang vor etwaigen Ansprüchen der Klägerin eingeräumt hatten, unterhaltsberechtigt. Mit der sukzessiven Reduzierung der Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten gegenüber den gemeinsamen Kindern haben die Parteien im Wege außergerichtlicher Vereinbarungen den Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt bis einschließlich August 2007 geregelt. Im Zusammenhang mit dem Fortfall der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten auch gegenüber der Tochter J. zum Jahreswechsel 2007/2008 begehrt die Klägerin nunmehr die förmliche Abänderung des Unterhaltsvergleichs vom 11. Mai 2006 ab dem Monat September 2007. Sie hat beantragt, den Vergleich vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß der Beklagte zu nachehelichem Unterhalt ab September 2007 in Höhe von monatlich 797 € und ab Januar 2008 in Höhe von monatlich 1.175 €, fällig zum 3. Kalendertag eines jeweiligen Monats im voraus, verpflichtet sei.

Der Beklagte hat den Antrag der Klägerin insoweit anerkannt, als für September 2007 eine Erhöhung auf 627 € abzüglich bereits geleisteter 627 €, für die Zeit zwischen Oktober 2007 und Dezember 2007 eine Erhöhung auf monatlich 579 € abzüglich für diesen Zeitraum bereits geleisteter 1.737 €, für Januar 2008 eine Erhöhung auf 532 € abzüglich bereits geleisteter 532 €, für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Mai 2008 eine Erhöhung auf monatlich 661 € abzüglich für diesen Zeitraum bereits geleisteter 2.644 €, sowie für den Zeitraum ab Juni 2008, befristet bis zum 31. Dezember 2008, eine Erhöhung auf monatlich 661 €, fällig jeweils zum 3. Kalendertag eines jeweiligen Monats im voraus, begehrt werde. Im übrigen hat er beantragt, die Klage abzuweisen. Widerklagend hat er beantragt, den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß festgestellt werde, daß er ab Januar 2009 nicht länger zu nachehelichem Unterhalt verpflichtet sei; hilfsweise hat er die Begrenzung bzw. Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs geltend gemacht.

Die Klägerin hat im Umfang des teilweisen Anerkenntnisses den Erlaß eines Teil-Anerkenntnisurteils und im übrigen beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Das Amtsgericht Brakel hat mit Urteil vom 20. Juni 2008 (9 F 149/07) den vor dem Oberlandesgericht Hamm geschlossenen Vergleich vom 11. Mai 2006 (6 UF 98/05) dahingehend abgeändert, daß nachehelicher Unterhalt für September 2007 in Höhe von 723 €, für den Zeitraum zwischen Oktober 2007 und Dezember 2007 in Höhe von monatlich jeweils 723 €, für Januar 2008 in Höhe von 921 €, sowie für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Dezember 2008 in Höhe von monatlich jeweils 949 €, fällig zum 3. Kalendertag eines jeweiligen Monats im voraus, abzüglich zwischen September 2007 und Januar 2008 monatlich gezahlter 615,50 €, für Februar 2008 gezahlter 900 €, für März 2008 gezahlter 820 €, und für April und Mai 2008 jeweils gezahlter 860 € geschuldet wird. Auf die Widerklage hat es festgestellt, daß mit Ablauf des 31. März 2012 eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von nachehelichem Unterhalt länger nicht besteht.

Dazu hat es ausgeführt, daß im Zusammenhang mit Ansprüchen der Tochter J. gegen den Beklagten auf Kindesunterhalt das Kindergeld für J. bedarfsdeckend nicht in Abzug zu bringen sei. Auch im Vorverfahren seien lediglich BAföG-Leistungen angerechnet worden. Die Studiengebühren für J. in Höhe von 641,13 € seien grundsätzlich bis einschließlich Januar 2008 bedarfserhöhend zu berücksichtigen. Das beziehe sich allerdings nicht auf die ASTA-Gebühren, welche neben dem Kindesunterhalt nicht gesondert geltend gemacht werden könnten. Auf seiten der Klägerin seien 90 € für allgemeine krankheitsbedingte Aufwendungen einkommensmindernd einzustellen. Für eine angemessene private Krankenversicherung habe die Klägerin nunmehr monatlich etwa 550 € aufzubringen.

Eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt sei nicht unbillig; insbesondere habe sich im Hinblick auf die Erkrankung der Klägerin ihre Situation durch die Ehe nicht verschlechtert, sondern verbessert. Ohne die Ehe wäre die Klägerin möglicherweise noch einige Jahre in der Lage gewesen, in ihrem erlernten Beruf zu arbeiten. Allerdings würde ihre Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht die Höhe erreichen, in der sie nunmehr - nach Durchführung des Versorgungsausgleichs - zu ihren Gunsten ausgezahlt werde.

Hiergegen richten sich die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten.

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe mittwochs regelmäßig dienstfrei und nehme auch ansonsten andere Tätigkeiten in seinem Berufsfeld war; die Fahrten zur Schule seien daher allenfalls an 150 Tagen im Jahr mit einer einfachen Fahrtstrecke von 14 km einzustellen. Kindesunterhalt für J. sei unter Abzug des vollen Kindergeldes in Ansatz zu bringen. Die Studiengebühren für J. würden sich für das Wintersemester 2007/2008 auf lediglich 500 € belaufen; der überschießende Betrag sei der Rückmeldebetrag für das Semester, welcher in den Bedarfssätzen für eine Studentin bereits enthalten sei. Aufgrund der generell gestiegenen Kosten für eine private Krankenversicherung könne die Klägerin ihre aktuellen Beiträge in voller Höhe von etwa 600 € absetzen. Sie ist der Auffassung, der Beklagte sei mit dem Einwand der Befristung bzw. Begrenzung ihres Unterhaltsanspruchs präkludiert. Hätte sie weiterhin am Institut für Geophysik der Universität N. arbeiten können, hätte sie durchaus die BAT-Gruppe III erreichen können. Ihre gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung wäre dann noch höher gewesen als die aktuell bezogenen Leistungen; außerdem wäre sie dann bis in die Gegenwart gesetzlich krankenversichert geblieben.

Die Klägerin beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Brakel vom 20. Juni 2008 (9 F 149/07) den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 (6 UF 98/05) dahingehend zu ändern, daß der Beklagte mit Wirkung ab Januar 2008 zu nachehelichem Ehegattenunterhalt in Höhe von zeitlich unbefristet monatlich 1.149 €, abzüglich für Januar 2008 bereits gezahlter 532 € und zwischen Februar 2008 und März 2009 monatlich bereits gezahlter 661 €, verpflichtet ist. Eine vorbehaltene Erweiterung ihrer Berufung mit dem Antrag, den Beklagten in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Brakel und des Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Hamm für die Monate September 2007 bis Dezember 2007 zu nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich 919,35 € zu verurteilen, hat sie in den Terminen am 2. April 2009 und am 4. Juni 2009 nicht geltend gemacht.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Im Wege einer Anschlußberufung hat er im Termin am 2. April 2009 zunächst beantragt, in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Brakel vom 20. Juni 2008 den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß nachehelicher Ehegattenunterhalt für September 2007 in Höhe von 671 €, für den Zeitraum zwischen Oktober 2007 und Dezember 2007 in Höhe von monatlich 636 €, für Januar 2008 in Höhe von 756 €, für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Dezember 2008 in Höhe von monatlich 882 €, sowie für den Zeitraum zwischen Januar 2009 und März 2012 in Höhe von monatlich 773 €, abzüglich zwischen September 2007 und Dezember 2007 monatlich bereits gezahlter 723 €, für Januar 2008 bereits gezahlter 921 € sowie ab Februar 2009 monatlich bereits gezahlter 949 € geschuldet ist. Im Termin am 4. Juni 2009 hat er diesen Antrag dahingehend erweitert, daß er nunmehr beantragt, in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Brakel vom 20. Juni 2008 den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß nachehelicher Ehegattenunterhalt für September 2007 in Höhe von 671 €, für den Zeitraum zwischen Oktober 2007 und Dezember 2007 in Höhe von monatlich 636 €, für Januar 2008 in Höhe von 756 €, für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Dezember 2008 in Höhe von monatlich 882 €, fällig zum 3. Kalendertag eines jeweiligen Monats, abzüglich zwischen September 2007 und Dezember 2007 monatlich bereits gezahlter 723,00 €, für Januar 2008 bereits gezahlter 921 € sowie zwischen Februar 2008 und Dezember 2008 monatlich bereits gezahlter 949 € geschuldet ist.

Ferner beantragt er, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß festgestellt wird, daß er ab 1. Januar 2009 zu nachehelichem Unterhalt gegenüber der Klägerin nicht länger verpflichtet ist. Hilfeweise beantragt er, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Brakel vom 20. Juni 2008 den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Hamm vom 11. Mai 2006 dahingehend abzuändern, daß er ab 1. Januar 2009 einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 118,11 € zu zahlen hat.

Die Klägerin beantragt, die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, es sei bereits Grundlage des Vorvergleichs vom 11. Mai 2006 gewesen, daß er mittwochs nicht in die Schule fahre. Der September 2007 gehöre noch zum Sommersemester 2007, so daß anteilige Semestergebühren für das Wintersemester 2007/2008 erst zum Oktober 2007 umgelegt werden könnten. Der Beklagte ist der Auffassung, daß der Vorvergleich vom 11. Mai 2006 Bindungswirkung exakt in Höhe der damals auf seiten der Klägerin in Ansatz gebrachten Kosten für eine angemessene Krankenversicherung, d.h. in Höhe von monatlich 540 €, entfalte. Im übrigen weist er in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 28. April 2009 darauf hin, daß für die Klägerin die Möglichkeit eines Wechsels in einen Standardtarif bei der K. Krankenversicherung a.G. zu einem monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 393,42 € bestehe. Die Leistungen im Rahmen dieses Tarifs seien den Leistungen im Fall einer gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar.

Im Jahre 2009 werde sich seine Steuerrückerstattung erheblich reduzieren, da während des Jahres 2008 die bislang gewährten Kinderfreibeträge in Höhe von 8.228 € sowie anerkannte Ausbildungskosten für die Kinder in Höhe von 2.618 € entfallen würden.

Beide Parteien sind sowohl erstinstanzlich im Termin am 20. Juni 2008 vor dem Amtsgericht Brakel als auch erneut in der Berufungsinstanz vor dem Senat im Termin am 2. April 2009 angehört worden. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2009 hat der Beklagte Rechtsanwalt C. aus Q., welcher ihn im Vorverfahren anwaltlich vertreten hatte, den Streit mit der Aufforderung verkündet, dem Rechtstreit auf seiner Seite beizutreten. Mit Schriftsatz vom 18. März 2009 hat Rechtsanwalt C. erklärt, ein Beitritt sei von seiner Seite gegenwärtig nicht beabsichtigt.

Entscheidungsgründe

I. Berufung und Anschlußberufung sind zulässig; sie sind insbesondere innerhalb der Fristen der §§ 517, 574 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden. In der Sache haben Berufung und Anschlußberufung jeweils teilweise Erfolg.

1. Es ist davon auszugehen, daß das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil vom 20. Juni 2008 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 949 € nicht nur für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Dezember 2008, sondern darüber hinaus auch für den Zeitraum bis einschließlich März 2012 tituliert hat, denn die zeitliche Befristung soll nach Tenor und Begründung der angefochtenen Entscheidung erst ab 31. März 2012 erfolgen.

2. Der Einwand der Verspätung seitens der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 8. April 2009 bezüglich der Erweiterung der Anschlußberufung durch den Beklagten im Schriftsatz vom 28. April 2009 entfaltet Wirkung nicht, da die Erweiterung innerhalb der im Termin am 2. April 2009 gewährten Fristverlängerung bis zum 29. April 2009 erfolgt ist. Durch die Erweiterung der Anschlußberufung im Schriftsatz vom 28. April 2009 ist auch nicht das teilweise Anerkenntnis des Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Mai 2008 berührt worden. Dieses betraf in zeitlicher Hinsicht lediglich die Unterhaltsverpflichtung zwischen September 2007 und Dezember 2008. Die Erweiterung der Anschlußberufung bezieht sich demgegenüber auf eine vollständige Befreiung des Beklagten von seiner Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber erst ab Januar 2009.

3. Soweit Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf nachehelichen Unterhalt bestehen, basieren sie ausschließlich auf § 1572 Nr. 1 BGB. Aufgrund der gesundheitlichen Verfassung der Klägerin kann von ihr eine Erwerbstätigkeit auch im teilschichtigen Bereich nicht länger erwartet werden (vgl. BGH FamRZ 2009, 406 = FuR 2009, 203 Tz. 20; OLG Celle FamRZ 2009, 56).

4. Das Einkommen des Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum bis einschließlich Dezember 2008 ergibt sich aus den vorgelegten Einzelbezügemitteilungen für Januar 2007 bis Dezember 2008. Das Jahresbruttoeinkommen für das Jahr 2007 errechnet sich auf 59.759,46 €; abzüglich Lohnsteuer (12.664,88 €), Solidaritätszuschlag (352,67 €) und Kirchensteuer (577,11 €) resultiert ein Jahresnettoeinkommen in Höhe von 46.164,80 €, welches zu einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen in Höhe von 3.847,07 € führt.

Das Jahresbruttoeinkommen für das Jahr 2008 beläuft sich auf 57.312,12 €; abzüglich Lohnsteuer (9.977,46 €), Solidaritätszuschlag (510,56 €) und Kirchensteuer (792,02 €) ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen in Höhe von 46.032,08 €, welches zu einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen in Höhe von 3.836,01 € führt.

Es wird nicht übersehen, daß mit dem Ende der Ausbildung des Kindes J. der Familienzuschlag für die gemeinsamen Kinder zum April 2008 endgültig entfällt, nachdem er bereits während des Jahres 2007 durch den sukzessiven Abschluß der Ausbildungen der beiden anderen Töchter teilweise reduziert worden war. Zudem wechselt der Beklagte zum Juli 2008 von Steuerklasse II in Steuerklasse I, da J. im Zusammenhang mit dem Eintritt in das Referendariat seinen Haushalt verläßt. Gleichwohl ist in unterhaltsrechtlicher Hinsicht ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen in bezug auf das gesamte Jahr 2008 zu bilden, da sich insbesondere der Wechsel der Steuerklasse durch eine parallel erfolgte geringfügige Erhöhung der Bezüge zum Juli 2008 allenfalls unwesentlich auswirkt.

Für das laufende Unterhaltsjahr 2009 sind die Werte aus 2008 fortzuschreiben; insbesondere ist noch nicht konkret vorhersehbar, ob und gegebenenfalls wann eine Beförderung des Beklagten zum Schulleiter erfolgen wird. Daß Anfang des Jahres 2008 noch ein Familienzuschlag für die Tochter J. gewährt worden ist, führt im Wege der Fortschreibung des Bruttoeinkommens im Jahre 2009 zu einer unangemessenen Benachteiligung auf seiten des Beklagten nicht, denn der Familienzuschlag beschränkte sich ausweislich der Einzelbezügemitteilungen auf den Zeitraum zwischen Januar 2008 und März 2008 in Höhe von monatlich brutto 90,05 € (insgesamt 270,15 €). Hierdurch kommt es im Wege der Fortschreibung für das Jahr 2009 zu einer spürbaren Steigerung des durchschnittlichen Nettoeinkommens nicht.

a) Einkommensteigernd wirken sich die Steuerrückerstattungen aus. Im Jahre 2007 hat der Beklagte für das Jahr 2006 insgesamt 1.129,88 € erhalten; hieraus ergibt sich ein Monatsbetrag in Höhe von 94,16 €. Im Jahre 2008 hat er für das Jahr 2007 insgesamt 3.053,97 € erhalten; der Monatsbetrag hieraus beläuft sich auf 254,50 €. Ein Steuerbescheid für das Jahr 2008 ist im laufenden Unterhaltsjahr 2009 noch nicht vorgelegt worden. Wegen des zu erwartenden Wegfalls der Kinderfreibeträge in Höhe von 8.228 € und bislang anerkannter Ausbildungskosten in Höhe von 2.618 € für das Steuerjahr 2008 ist im Wege der Prognose der geringere Rückerstattungsbetrag im Jahre 2007 für das Jahr 2006 in Höhe von 1.129,88 € zugrundezulegen. Im Jahre 2009 wird sich hiernach pro Monat eine Einkommensteigerung aus Steuerrückerstattung in Höhe von 94,16 € ergeben.

Entgegen der Situation zum Abschluß des Vorvergleichs am 11. Mai 2006 bedarf es einer Anrechnung eines fiktiven Betrages für die Durchführung des steuerlichen Realsplittings länger nicht. Im Vorverfahren war diese Fiktion vor dem Hintergrund erfolgt, daß der Beklagte damals das begrenzte Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch nicht in Anspruch nahm; deshalb wurden die zu erwartenden Vorteile aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings in Höhe von monatlich 180 € hinzugerechnet. Wie sich aus den vorgelegten Steuerbescheiden ergibt, führt der Beklagte inzwischen das begrenzte Realsplitting durch. Über die rückerstatteten Steuervorauszahlungen profitiert hiervon in unterhaltsrechtlicher Hinsicht auch die Klägerin jeweils zeitversetzt um ein Jahr. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte für das Jahr 2006 Unterhaltsleistungen in Höhe von insgesamt 8.660 € sowie für das Jahr 2007 in Höhe von weiteren 7.422 € geltend gemacht. Damit dürfte er sämtliche Unterhaltsbeträge einschließlich der freiwilligen Leistungen über seine bislang titulierte Unterhaltsverpflichtung in Höhe von monatlich 340 € berücksichtigt haben.

Der Nachteilsausgleich, welchen der Beklagte im Rahmen des begrenzten Realsplittings an die Klägerin zu leisten hat, beläuft sich während des Jahres 2007 auf monatlich 30,91 €. Im Jahre 2008 zahlt der Beklagte einmalig 317,04 € bzw. monatlich 26,42 €. Dieser Betrag ist einkommensmindernd auch für das laufende Jahr 2009 fortzuschreiben. Ausweislich einer Einkommensteuerberechnung der Steuerberater T. vom 15. August 2008 geht der Beklagte im Jahre 2009 von einem höheren Nachteilsausgleich für das Steuerjahr 2008 aus. Die Nachzahlungsverpflichtung für die Klägerin im Jahre 2009 für das Jahr 2008 werde ihre Nachzahlungsverpflichtung im Jahre 2008 für das Jahr 2007 voraussichtlich um etwa 1.200 € übersteigen. Steuerbescheide der Parteien für das Jahr 2008, aus denen sich eine derartige Steuerbelastung für die Klägerin ergeben könnte, sind allerdings nicht zu den Akten gereicht worden, weswegen eine Berücksichtigung in unterhaltsrechtlicher Hinsicht nicht erfolgen kann.

Unbilligkeiten für den Beklagten entstehen durch die Fortschreibung des Betrages aus 2008 für das Jahr 2009 nicht, da der ermittelte Unterhaltsanspruch der Klägerin während des Jahres 2009 durch eine gebotene Begrenzung nach § 1578b Abs. 1 BGB ihren möglichen Bedarf ohnehin nicht vollständig ausfüllt (s. unten).

b) Berufsbedingte Aufwendungen auf seiten des Beklagten in Höhe von monatlich 50 € für Schulmaterial sind zwischen den Parteien unstreitig.

c) Bezüglich seiner geltend gemachten Fahrtkosten ist dem Senat aus eigener Sachkunde bekannt, daß die Entfernung von seiner Wohnung in C3 zu seinem bisherigen Dienstort in I2 für eine einfache Fahrtstrecke nicht 14, sondern mindestens 34 km beträgt. Solange der Beklagte in I2 eingesetzt ist, sind pro Jahr lediglich 160 Schultage in Ansatz zu bringen. Unstreitig ist er während dieses Zeitraums jeweils am Mittwoch von einer Unterrichtsverpflichtung befreit. Entgegen seiner Auffassung ist diese Entlastung jedoch noch nicht Grundlage des Vergleichs aus dem Jahre 2006 gewesen. Damals hatte er vorgetragen, an 190 Schultagen im Jahr täglich von C3 nach I2 zu pendeln; durch zusätzliche Veranstaltungen am Nachmittag komme er auf insgesamt 220 Fahrten im Jahr. Unter Zugrundelegung dieser Umstände hatten sich die Parteien im Vergleichswege auf 200 Fahrten pro Jahr verständigt. Entfällt nunmehr in etwa 40 Schulwochen im Jahr der jeweilige Mittwoch, reduzieren sich die anrechenbaren Unterrichtstage entsprechend von 200 auf 160 pro Jahr.

Es wird nicht übersehen, daß der Beklagte verschiedene Zusatzaufgaben wahrnimmt; insbesondere ist er im Fachbereich Sport für die Bezirksregierung tätig. Die Kosten, die ihm durch diesbezügliche Fahrten entstehen, werden jedoch von seinem Dienstherrn unmittelbar ausgeglichen und entfalten in unterhaltsrechtlicher Hinsicht einkommensmindernde Wirkung nicht. Entsprechend sind derartige Belastungen auch nicht in den Unterhaltsvergleich aus dem Jahre 2006 eingestellt worden, obwohl der Beklagte diesbezügliche Aktivitäten bereits im Jahre 1999 aufgenommen hatte.

Zwischen September 2007 und Dezember 2007 gelten die Hammer Leitlinien [Stand: 01.07.2007] mit den Kilometerpauschalen in Höhe von 0,24 € für die ersten 30 Kilometer und 0,09 € für jeden darüber hinaus gefahrenen Kilometer. Es ergibt sich eine monatliche Belastung für den Beklagten mit Fahrtkosten in Höhe von 201,60 €. Zum Januar 2008 steigt die Kilometerpauschale nach Ziffer 10.2.2 HLL an. Für die ersten 30 Kilometer sind nunmehr 0,30 € in Ansatz zu bringen, für jeden weiteren Kilometer 0,10 €. Die monatliche Belastung für den Beklagten vergrößert sich auf 250,67 €. Zum Februar 2009 wechselt der Beklagte seinen Schulort von I2 nach C4. Die Entfernung zu seinem Wohnort C3 beträgt nunmehr unstreitig 18 km.

Seine Behauptungen, als stellvertretender Schulleiter wieder täglich in der Schule anwesend zu sein, sind von der Klägerin nicht bestritten worden. Entsprechend dem Vergleich vom 11. Mai 2006 sind daher wieder 200 Schultage im Jahr in Ansatz zu bringen; es resultiert eine monatliche Belastung mit Fahrtkosten in Höhe von 180 €.

d) Gemäß Ziff. 10.6 HLL sind die Nettobeträge der arbeitgeberseitigen Zuwendungen für die vermögenswirksamen Leistungen einkommensmindernd anzurechnen. Im Jahre 2007 belaufen sie sich auf seiten des Beklagten auf monatlich 5,14 €. Zum Januar 2008 steigern sie sich auf monatlich 5,34 € und sind in dieser Höhe auch für das Jahr 2009 fortzuschreiben.

e) Die Aufwendungen des Beklagten für seine eigene private Krankenversicherung bei der K. Krankenversicherung a.G. betragen zwischen September 2007 und Januar 2008 monatlich 169,33 €; zum Februar 2008 erhöhen sie sich ausweislich des Versicherungsscheins vom 19. Februar 2008 auf monatlich 275,36 €. Die geringfügige Mitversicherung für die Tochter K. Höhe von monatlich 5,91 € ist entsprechend der erstinstanzlichen Würdigung nicht zu berücksichtigen.

Spiegelbildlich zu dem ganz erheblichen anrechenbaren Aufwand der Klägerin für ihre private Krankenversicherung (s. unten) ist es allerdings auf seiten des Beklagten angemessen, auch die Position für das Krankenhaustagegeld in Höhe von 4,14 € pro Monat zu berücksichtigen. Die Kostendämpfungspauschale für den Beklagten in Höhe von jährlich 300 € ist unstreitig als Eigenbeteiligung an der Beihilfe mit einem Betrag in Höhe von monatlich 25 € in Ansatz zu bringen. Seine Kosten für die Pflegeversicherung belaufen sich zwischen September 2007 und Juni 2008 auf monatlich 16,21 €; zum Juli 2008 steigern sie sich auf monatlich 17,55 €. Dieser Betrag ist für das Jahr 2009 fortzuschreiben.

Für die drei gemeinsamen Töchter hat der Beklagte bis einschließlich Januar 2008 einen monatlichen Versicherungsbeitrag in Höhe von 91,76 € zu zahlen. Dieser Betrag ist auch im Januar 2008 anrechenbar, obwohl J. bereits im Dezember 2007 ihr Studium abgeschlossen hat. Angesichts der gesättigten wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien kann in unterhaltsrechtlicher Hinsicht von der gemeinsamen Tochter J. nicht erwartet werden, sich für einen einzigen Monat zwischen dem Abschluß ihrer Hochschulausbildung im Dezember 2007 und dem Eintritt ins Referendariat zum 1. Februar 2008 selbst krankenzuversichern. Ab Februar 2008 ist der Beklagte mit Krankenversicherungsbeiträgen für die Kinder unstreitig nicht länger belastet.

Unter Berücksichtigung der Einzelpositionen beläuft sich das modifizierte Nettoeinkommen des Beklagten zwischen September 2007 und Dezember 2007 auf monatlich 3.351,28 €, für Januar 2008 auf 3.455,78 €, zwischen Februar 2008 und Juni 2008 (Wegfall der Krankenversicherung für J., Erhöhung der eigenen Krankenversicherungsbeiträge des Beklagten) auf monatlich 3.441,51 €, zwischen Juli 2008 und Dezember 2008 (Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge des Beklagten) auf monatlich 3.440,17 €, für Januar 2009 auf 3.279,83 € und ab Februar 2009 (Verringerung seiner Fahrtkosten) auf monatlich 3.350,49 €.

f) Der Unterhaltsbedarf in Höhe von monatlich 640 €, den das Amtsgericht zwischen September 2007 und Dezember 2007 für J. in Ansatz gebracht hat, entspricht Ziff. 13.1.2. HLL und ist in der Berufungsinstanz von keiner der Parteien angegriffen worden.

Im Januar 2008 hat der Beklagte Unterhalt an J. in Höhe von unstreitig 300 € geleistet. Auch diese Belastung ist auf seiten des Beklagten einkommensmindernd zu berücksichtigen, denn es ist davon auszugehen, daß die Parteien ihre Tochter auch während intakter Ehe für einen einzigen Monat zwischen dem Ende ihrer Hochschulausbildung im Dezember 2007 und dem Beginn ihres Referendariats zum 1. Februar 2008 in dieser Höhe unterstützt hätten, ohne die vorübergehende Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im geringfügigen Bereich zu erwarten. Bedarfsdeckende Unterstützungsleistungen durch BAföG-Leistungen fallen für J. seit April 2007 länger nicht an; gegenteilige Behauptungen der Klägerin stehen in Widerspruch zu dem außergerichtlichen Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 26. März 2007. Hiernach hatten sich die Parteien auf eine Reduzierung des nachehelichen Unterhalts für die Klägerin von 650 € auf monatlich 602 € zum April 2007 gerade deshalb geeinigt, weil die BAföG-Leistungen für J. entfallen waren. Zudem hat der Beklagte im Termin am 2. April 2009 ein Schreiben des Amtes für Ausbildungsförderung an der Universität Q. vom 30. März 2009 überreicht, wonach J. im Jahre 2007 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz lediglich bis zum 31. März 2007 empfangen hat.

g) Das Kindergeld für J. ist entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH FamRZ 2006, 99 = FuR 2006, 76 Tz. 22 ff) nicht bedarfsmindernd anzurechnen; insoweit ist der Vergleich vom 11. Mai 2006 bindend. Im Vergleich vom 11. Mai 2006 hatten sich die Parteien zeitlich nach Veröffentlichung dieser Entscheidung (in der FamRZ im Januar 2006) ausdrücklich darauf geeinigt, Kindergeld nicht in Abzug zu bringen.

Bereits das Amtsgericht hatte im Vorverfahren (AmtsG Brakel - 9 F 44/03) im Zusammenhang mit den Unterhaltsansprüchen der volljährigen Töchter Kindergeld in keiner Weise in die Berechnungen eingestellt; es hatte lediglich den Bezug von »BAföG« bedarfsmindernd berücksichtigt. Daraufhin hatte die Klägerin selbst in ihrer damaligen Berufungsbegründung einen absoluten Unterhaltsbetrag für J. in Höhe von 336 € in Ansatz gebracht, ohne auf eine Anrechnung von Kindergeld einzugehen (OLG Hamm - 6 UF 98/05 = AmtsG Brakel - 9 F 44/03). Allein der Beklagte hatte in seiner Berufungserwiderung zu seinen Ungunsten das Kindergeld vollständig in Abzug gebracht (OLG Hamm aaO). Gleichwohl wurde im Unterhaltsvergleich vom 11. Mai 2006 der Bedarf für die beiden volljährigen Töchter K. und J. lediglich um die BAföG-Leistungen, nicht jedoch um das Kindergeld gekürzt.

In diesem Zusammenhang kann auch nicht angenommen werden, die Parteien seien im Vorverfahren davon ausgegangen, das Kindergeld sei im Bruttoeinkommen des Beklagten bereits enthalten. Ausweislich der Bezügemitteilungen wird das Kindergeld erst nach Abzug von Steuern, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer dem Nettoeinkommen des Beklagten hinzugerechnet. Ein Bestandteil des Bruttoeinkommens, von welchem die Parteien nach den Vergleichsgrundlagen ausgegangen waren (OLG Hamm aaO), ist es daher gerade nicht.

h) Unstreitig hat der Beklagte im Oktober 2007 ausbildungsbedingte Gebühren für J. in Höhe von 641,13 € mit Bezug auf das Wintersemester 2007/2008 gezahlt. Soweit hierin Studiengebühren in Höhe von 500 € enthalten sind, handelt es sich um eine außergewöhnlich hohe Belastung im Sinne eines Mehrbedarfs (vgl. OLG Braunschweig OLGR 2008, 322), welcher vom Unterhaltsverpflichteten gesondert zu befriedigen ist. Die restlichen 141,13 € entfallen demgegenüber auf Rückmelde- und ASTA-Gebühren, welche vom regulären Unterhaltsbedarf in Höhe von monatlich 640 € zu tragen sind.

Nach zutreffender Ansicht der Klägerin beziehen sich die Studiengebühren auf das gesamte Wintersemester von Oktober 2007 bis März 2008 und sind daher während dieses Zeitraums monatlich jeweils in Höhe von 1/6-Anteil in Ansatz zu bringen. Es resultieren Belastungen des Beklagten in Höhe von monatlich 83,33 €. Entsprechend dem ergänzenden Vortrag des Beklagten im Senatstermin am 2. April 2009 ist ferner davon auszugehen, daß Studiengebühren in Höhe von 500 € auch für das Sommersemester 2007, d.h. bis einschließlich September 2007, geleistet worden sind. Es ist gerichtsbekannt, daß die Erhebung von Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen spätestens zum Sommersemester 2007 einsetzte. Zur Substantiierung seiner Behauptungen hat der Beklagte zudem einen Kontoauszug vom 2. Februar 2007 vorgelegt, wonach 641,13 € an Studiengebühren überwiesen worden sind. Vor diesem Hintergrund ist eine Belastung auf seiner Seite in Höhe von 83,33 € auch für September 2007 zu bejahen.

Nach Abzug des Kindesunterhalts für J. und der anteiligen Studiengebühren beläuft sich das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen des Beklagten zwischen September 2007 und Dezember 2007 auf monatlich 2.627,94 €, für Januar 2008 (Reduzierung des Unterhalts für J.) auf 3.072,44 €, zwischen Februar 2008 und März 2008 (Wegfall des Kindesunterhalts für J.) auf monatlich 3.358,17 €, zwischen April 2008 und Juni 2008 (Wegfall der Studiengebühren) auf monatlich 3.441,51 €, zwischen Juli 2008 und Dezember 2008 auf monatlich 3.440,17 €, für Januar 2009 auf 3.279,83 € sowie ab Februar 2009 auf monatlich 3.350,49 €. Nach Abzug von 1/7-Erwerbsanreiz verbleiben zwischen September 2007 und Dezember 2007 monatlich 2.252,52 €, für Januar 2008 2.633,52 €, zwischen Februar 2008 und März 2008 monatlich 2.878,43 €, zwischen April 2008 und Juni 2008 monatlich 2.949,86 €, zwischen Juli 2008 und Dezember 2008 monatlich 2.948,71 €, für Januar 2009 2.811,28 € und ab Februar 2009 monatlich 2.871,85 €.

5. Die Klägerin bezieht Einkommen aus einer gesetzlichen Rente bei der DRV Bund wegen voller Erwerbsminderung und aus einer Zusatzversorgung bei der VBL Karlsruhe. Die gesetzliche Rente beläuft sich zwischen September 2007 und Juni 2008 auf monatlich 1.456,77 € und steigt ab Juli 2008 auf monatlich 1.472,14 € an. Die Zusatzrente beträgt zwischen September 2007 und Juni 2008 monatlich 32,80 € und erhöht sich ab Juli 2008 auf monatlich 33,13 €.

a) Zusatzkosten auf seiten der Klägerin für ihre medizinische Behandlung in Höhe von monatlich 90 € sind zwischen den Parteien unstreitig.

Im Vorvergleich vom 11. Mai 2006 ist diese Position aufgrund von Zahnbehandlungskosten eingestellt worden. Gegenwärtig mag die Klägerin hiervon insbesondere ihren Bedarf an Sehhilfen (Mehrstärkenbrille und Korrektionssonnenbrille) finanzieren, welchen sie durch Kostenvoranschläge der Firma »W. P. & B.« vom 9. April 2009 dargelegt hat. Eine weitergehende Berücksichtigung dieser aktuellen Mehrkosten ist demgegenüber nicht geboten, da sich insbesondere ein Zusammenhang zwischen den Grunderkrankungen der Klägerin und einer eventuellen Sehschwäche nicht erschließt.

b) Die Aufwendungen der Klägerin für ihre private Krankenversicherung einschließlich Pflegeversicherung bei der K. Krankenversicherung a.G. belaufen sich zwischen September 2007 und Dezember 2007 auf monatlich 575,96 €, zwischen Januar 2008 und Dezember 2008 auf monatlich 607,64 € sowie ab Januar 2009 auf monatlich 610,97 €. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind diese Kosten vollumfänglich in die Bedarfsberechnung einzustellen. Der Betrag in Höhe von 540 €, welcher im Vergleich vom 11. Mai 2006 in Ansatz gebracht worden ist, entfaltet im Hinblick auf seine konkrete Höhe eine Bindungswirkung nicht. Die streitige Position in Höhe von 540 € ist im Vorvergleich zwischen den Parteien als Beitrag für eine »angemessene« Krankenversicherung der Klägerin eingestellt worden. Gerade durch die Formulierung »angemessen« ist allerdings zum Ausdruck gebracht worden, daß Anpassungen an die jeweiligen Kosten für eine gesundheitliche Absicherung der Klägerin möglich sein sollten. Dabei orientierten sich die 540 € im Vorverfahren exakt an denjenigen Kosten, welche der Klägerin damals bei der K. Krankenversicherung a.G. für einen Tarif entstanden, welcher dem Standard ihrer medizinischen Versorgung während intakter Ehe entsprach.

Zunächst hatte die Klägerin monatliche Kosten in Höhe von 771,63 € geltend gemacht (AmtsG Brakel - 9 F 44/03). Dabei handelte es sich allerdings um eine 100%ige Krankenversicherung einschließlich vollständiger Wahlleistung und Einbettzimmer. Dieser Standard wäre über die medizinische Versorgung als Beamtengattin während intakter Ehe hinausgegangen. Daraufhin hatte die Klägerin in einem weiteren Schriftsatz einen 100%-igen Volltarif in Höhe von 876,80 € einem Basistarif in Höhe von 537,23 € gegenüber gestellt. Letzte Berechnung führte zu der Einigung über die 540 € im Vergleichswege. Da sich die Vereinbarung exakt an den tatsächlich anfallenden Kosten für den Basistarif orientierte, ist davon auszugehen, daß der angesetzte Betrag auch zukünftig bei einer Steigerung der Versicherungskosten angehoben werden können sollte.

c) Angesichts dieser Vergleichsgrundlagen aus dem Jahre 2006 kann der Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten in unterhaltsrechtlicher Hinsicht auch nicht zugemutet werden, nunmehr in einen noch preiswerteren Tarif bei der K. Krankenversicherung a.G. zu monatlichen Kosten in Höhe von 393,42 € zu wechseln. Hierbei würde es sich nicht um einen Basistarif, sondern um einen Standardtarif handeln, welcher in etwa dem Leistungsangebot einer gesetzlichen Krankenversicherung entspräche.

Daß der Standardtarif den krankenversicherungsrechtlichen Schutz erreichen würde, welchen die Klägerin aus der Ehe der Parteien gewohnt ist, hat der Beklagte nicht im einzelnen dargelegt; vielmehr muß befürchtet werden, daß sich das aus der Ehezeit gewohnte versicherungsrechtliche Niveau über die erheblich verminderten Beitragszahlungen gerade nicht würde aufrechterhalten lassen. Solange aber die Parteien nicht in wirtschaftlich besonders beengten Verhältnissen leben, kann eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit der Klägerin, auf diesen vertrauten Versicherungsschutz zu verzichten, nicht angenommen werden. Die zwischenzeitlich erfolgte Erhöhung der Kosten für den Basistarif von monatlich 540 € auf monatlich 610,97 € entspricht der allgemeinen Kostensteigerung im Gesundheitswesen und ist vom Beklagten nicht bestritten worden.

Unter Abzug der berücksichtigungsfähigen Belastungen ermittelt sich das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen der Klägerin zwischen September 2007 und Dezember 2007 auf monatlich 823,61 €, zwischen Januar 2008 und Juni 2008 (Erhöhung der privaten Krankenversicherungskosten) auf monatlich 791,93 €, zwischen Juli 2008 und Dezember 2008 (Erhöhung der Renteneinkünfte) auf monatlich 807,63 € und ab Januar 2009 (erneute Erhöhung der privaten Krankenversicherungskosten) auf monatlich 804,30 €.

Da die Klägerin einer Berufstätigkeit nicht nachgeht, ist ihr ein Erwerbsanreiz nicht anzurechnen.

Unter Berücksichtigung allein des Halbteilungsgrundsatzes würden sich Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf nachehelichen Ehegattenunterhalt zwischen September 2007 und Dezember 2007 in Höhe von monatlich aufgerundet 715 €, für Januar 2008 in Höhe von aufgerundet 921 €, zwischen Februar 2008 und März 2008 in Höhe von monatlich aufgerundet 1.044 €, zwischen April 2008 und Juni 2008 in Höhe von monatlich aufgerundet 1.079 €, zwischen Juli 2008 und Dezember 2008 in Höhe von monatlich aufgerundet 1.071 €, für Januar 2009 in Höhe von aufgerundet 1.004 € und ab Februar 2009 in Höhe von monatlich 1.034 € ergeben.

II. Für den Zeitraum zwischen September 2007 und Dezember 2007 ist das angegriffene Urteil des Amtsgerichts Brakel aufgrund obiger Berechnungen dahingehend abzuändern, daß sich der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf nachehelichen Unterhalt auf monatlich 715 € beläuft. Für den Monat Januar 2008 ermittelt sich der Anspruch der Klägerin unter Berücksichtigung der §§ 1585b Abs. 2, 1613 Abs. 1 BGB auf einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 797 €.

Sowohl im vorprozessualen Schreiben der Klägerin vom 23. August 2007 als auch in der Klageschrift vom 20. November 2007 war der verfolgte Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in exakt dieser Höhe geltend gemacht worden. Der weitergehende Schriftsatz vom 11. Februar 2008, mit dem die Klage rückwirkend ab Januar 2008 auf monatliche Unterhaltsbeträge in Höhe von 1.175 € erhöht worden ist, ist beim Amtsgericht Brakel erst am 12. Februar 2008 eingegangen und dem Beklagten am 14. Februar 2008 zugestellt worden. Die hierdurch ausgelösten Wirkungen des § 1613 Abs. 1 BGB traten daher nicht bereits zum 1. Januar 2008, sondern erst zum 1. Februar 2008 ein.

Für den Zeitraum zwischen Februar 2008 und Dezember 2009 ist eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nicht geboten.

Ab Januar 2010 reduziert sich die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gemäß § 1578b Abs. 1 BGB aus Gründen der Billigkeit auf monatlich 450 €. Dabei hat allerdings entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Beklagten - zumindest im Rahmen der gegenwärtigen Prognose - nach Abwägung aller aktuell relevanten Umstände des Einzelfalles eine zeitliche Befristung des Anspruchs der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt nach § 1578b Abs. 2 BGB nicht zu erfolgen.

1. Zwar ist der Beklagte mit dem Einwand der Begrenzung bzw. Befristung nicht präkludiert, denn die Vorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO ist im Falle der Abänderung eines Prozeßvergleichs nicht anwendbar (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 27. Aufl. § 323 Rdn. 45); zudem ist die Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Möglichkeit einer zeitlichen Befristung von Ansprüchen auf nachehelichen Unterhalt erst im Laufe des Jahres 2006 erfolgt. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006), welches sich überdies in erster Linie auf Aufstockungsunterhalt bezieht, ist erst im Juli/August 2006, d.h. nach Abschluß des Vergleichs vom 11. Mai 2006, veröffentlicht worden. Die Gesetzesänderung im Unterhaltsrecht erfolgte zum 1. Januar 2008.

Indes liegen die materiellen Voraussetzungen für eine Befristung nach § 1578b Abs. 2 BGB zumindest nach gegenwärtiger Würdigung der Sach- und Rechtslage im Falle der Klägerin nicht vor:

a) Es wird nicht verkannt, daß es sich bei ihren chronifizierten Erkrankungen nicht um ehebedingte Nachteile, sondern um schicksalhafte Entwicklungen handelt. In Ansätzen bestanden die gesundheitlichen Schwierigkeiten, welche vor allem die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule betreffen, bereits lange Zeit vor der Eheschließung. Erste Beschwerden sind im Alter von etwa 12 Jahren aufgetreten. Als die Klägerin später den Beklagten kennenlernte, war sie durch das Erfordernis eines Stahlkorsetts bereits nicht unerheblich beeinträchtigt.

Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, daß sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin während intakter Ehe in einem schleichenden Prozeß bis hin zur vollständig verminderten Erwerbsfähigkeit verschlechtert hat. Daß diese Entwicklung allerdings durch spezifisch ehebedingte Umstände ausgelöst worden sei, ist auch von der Klägerin nicht behauptet worden; insbesondere ein Bezug zwischen den drei Schwangerschaften und etwaigen degenerativen Prozessen im Bereich ihrer Wirbelsäule ist von ihrer Seite nicht hergestellt worden. Zwar hat sie pauschaliert von Schwierigkeiten während der Schwangerschaften gesprochen: Eine der Töchter habe nach ihren Angaben im Termin am 2. April 2009 »auf einem Nerv gelegen«. Dauerhafte konkrete Beeinträchtigungen speziell durch das Zusammenleben mit dem Beklagten oder durch die Erziehung und Versorgung der drei Töchter sind von ihr allerdings nicht dargelegt worden. Unter diesen Umständen erreichen die gesundheitlichen Probleme der Klägerin die Qualität eines ehebedingten Nachteils nicht (vgl. BGH FamRZ 2009, 406 = FuR 2009, 203 Tz. 33).

b) Allerdings ist die Klägerin durch die Rollenverteilung während bestehender Ehe daran gehindert gewesen, ausreichend für den Fall krankheitsbedingter Erwerbsminderung vorzusorgen (vgl. BGH aaO Tz. 34). Hierdurch wirkt ein ehebedingter Nachteil - nach gegenwärtiger Einschätzung - dauerhaft fort. In diesem Zusammenhang ist nach den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts nicht davon auszugehen, daß die Klägerin ohne Eheschließung über eine höhere Erwerbsminderungsrente verfügen würde, als sie ihr aktuell zur Verfügung steht. Als technische Assistentin ohne staatliche Anerkennung am Institut für Geophysik an der Universität N. wurde sie zuletzt nach der Tarifgruppe BAT VIb entlohnt. Ihr Jahresbruttoeinkommen im Jahre 1980 betrug ausweislich ihres Rentenversicherungsverlaufs im Versorgungsausgleichsheft im Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Brakel (9 F 44/03) nach alter Währung 26.974 DM.

Es wird nicht verkannt, daß die Abschlußzeugnisse ihrer damaligen Vorgesetzten ausgesprochen positiv formuliert worden sind und vielseitige Fähigkeiten attestieren. Die Behauptungen der Klägerin, sie sei als ausgebildete Fotografin dafür vorgesehen gewesen, ihr Abitur nachzuholen, ein Chemiestudium anzuschließen und danach eine akademische Laufbahn zu beginnen, lassen sich hierdurch jedoch nicht substantiieren. Aber selbst dann, wenn die Klägerin zu einer akademischen Laufbahn ermutigt worden wäre, könnte im Rahmen einer Fiktion nicht davon ausgegangen werden, daß sie die erforderlichen Ausbildungsabschnitte tatsächlich mit dem erwünschten Erfolg abgeschlossen hätte und für längere Zeit als Chemikerin tätig gewesen wäre.

Ausweislich der Schilderungen des Beklagten verfügt die Klägerin über einen Hauptschulabschluß nebst Berufsfachschulabschluß ohne Anerkennung der Mittleren Reife. Um überhaupt zu einem Studium zugelassen zu werden, hätte sie eine Begabtenprüfung ablegen müssen; danach hätte sich eine längere Phase intensiver akademischer Ausbildung angeschlossen. Deren Verlauf wäre mit derart mannigfachen Unwägbarkeiten verbunden gewesen wäre, daß im Rahmen einer unterhaltsrechtlichen Vergleichsbetrachtung für den Fall einer unterbliebenen Eheschließung auf seiten der Klägerin ein Hochschulabschluß nicht vorausgesetzt werden kann.

Erheblich realitätsnäher erscheinen dagegen die Behauptungen des Beklagten, wonach der Klägerin damals angeboten worden sei, eine Zusatzausbildung zur Chemielaborantin in N2 zu absolvieren, um die erforderliche Qualifikation für eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit bei den Instituten an der Universität N. zu ermöglichen.

c) Es mag zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß sie als Chemielaborantin durchgehend bis zu ihrer ersten Operation im Jahre 2000 gearbeitet hätte. Ausweislich des »Gehälter-ABC« der T4 Zeitung (Zugang über Internet) erzielen Chemielaborantinnen nach 3-jähriger Ausbildung gegenwärtig ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von bis zu 2.212 €. Hieraus resultiert bei Steuerklasse I ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.405,92 €. Angesichts dieser Umstände muß ausgeschlossen werden, daß eine Rente wegen Erwerbsminderung, welche die Klägerin bei identischem Krankheitsverlauf auf der Basis einer derartigen Berufstätigkeit gegenwärtig erzielen würde, ihr tatsächliches Rentenniveau in Höhe von aktuell 1.472,14 € erreichen würde.

d) Allerdings wäre die Klägerin im Fall einer eigenen sozialversicherungspflichtigen Erwerbsbiographie auch über den Zeitpunkt der vollständigen Erwerbsminderung hinaus gesetzlich krankenversichert geblieben und hätte nicht vor der Notwendigkeit gestanden, sich im Zuge der Trennung vom Beklagten vollständig privat krankenzuversichern. Die Notwendigkeit einer privaten Krankenversicherung mit dem zuzubilligenden gewohnten Leistungsumfang reduziert das Renteneinkommen der Klägerin auf weit unter 1.000 € und stellt sie daher wirtschaftlich schlechter, als sie aller Voraussicht nach bei Eintritt einer vollen Erwerbsminderung nach vollschichtiger sozialversicherungspflichtiger Berufstätigkeit als Chemielaborantin stehen würde.

e) In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu würdigen, daß die Klägerin inzwischen fast 58 Jahre alt ist und aufgrund der Chronifizierung ihrer Erkrankungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr in der Lage sein wird, ihre wirtschaftliche Situation durch eine eigene Berufstätigkeit zu verbessern.

Nach ihren Angaben im Senatstermin am 2. April 2009 habe sie sich im Rahmen der Trennung um einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben bemüht; ihre Bemühungen seien jedoch aufgrund ihrer Vorerkrankungen bereits auf der Ebene der Arbeitsvermittlung nicht unterstützt worden. In gesundheitlicher Hinsicht sei in der Zukunft mit der Versteifung weiterer Wirbelpartien zu rechnen, so daß sich ihre körperliche Leistungsfähigkeit immer stärker einschränken werde.

Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Ehe zwischen den Parteien vom Zeitpunkt der Eheschließung am 16. Juni 1978 bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Ehescheidungsantrages am 14. März 2003 nahezu 25 Jahre bestanden hat. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Eheleuten war derart eng, daß sie die eheliche Liegenschaft veräußern mußten, um im Rahmen des Zugewinnausgleichs ihre Vermögensmassen voneinander trennen zu können. In der Ehe sind drei Töchter geboren worden, die zumindest in erheblichem Umfange auch von der Klägerin betreut und versorgt worden sind.

Der Beklagte hat davon gesprochen, sich stets im Rahmen der Familienarbeit engagiert zu haben; ihm sei dafür sogar eine stundenmäßige Entlastung im Rahmen seiner Lehrtätigkeit gewährt worden. Gleichwohl war er während intakter Ehe durchgehend vollzeitig erwerbstätig. Neben seiner Tätigkeit im Schuldienst nimmt er seit langer Zeit vielfältige andere Aufgaben wahr; unter anderem ist er Vorsitzender des Sportausschusses im Kreis I2. Erfahrungsgemäß nehmen auch diese Nebentätigkeiten ein nicht unerhebliches Maß an Zeit in Anspruch. Daß er daneben in der Lage gewesen wäre, die gesamte Betreuung und Erziehung der Töchter alleine zu gewährleisten, kann nicht angenommen werden.

Ferner hat der Beklagte seit dem Abschluß der Ausbildung aller drei Töchter eine erhebliche finanzielle Entlastung erfahren. Sein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen übersteigt seit Januar 2008 durchgehend einen Betrag in Höhe von 3.000 € im Monat. Entgegen seiner Auffassung hat sich auch die Klägerin während der vergangenen Jahre wirtschaftlich an den Ausbildungskosten für die Töchter beteiligt, indem sie diese im Einvernehmen mit dem Beklagten jeweils ihren eigenen Ansprüchen auf Trennungs- bzw. nachehelichen Unterhalt hat vorgehen lassen.

Schließlich würde die Klägerin durch den ehebedingten Nachteil in Form der privaten Krankenversicherung ohne einen Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt dauerhaft ihren billigen Selbstbehalt von 1.000 € unterschreiten. Auch angesichts dieses Umstands ist eine zeitliche Begrenzung ihres Unterhaltsanspruchs aus Gründen der Billigkeit - zumindest nach gegenwärtiger Prognose - nicht geboten. Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere im Zusammenhang mit ihrem Eintritt in den Ruhestand, erneut verändern, mögen bezüglich einer Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin nach § 1578b Abs. 2 BGB andere Gesichtspunkte in den Vordergrund treten.

2. Allerdings ist der Unterhaltsanspruch gemäß § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die gesamte Ehezeit der Parteien in erheblicher Weise auch durch den Unterhaltsbedarf der drei Töchter geprägt worden ist. Während intakter Ehe stand das zusätzliche Renteneinkommen in Höhe von fast 1.500 €, welches die Klägerin nunmehr aufgrund ihrer Erwerbsminderung bezieht, neben den Bezügen des Beklagten gerade nicht zur Verfügung.

Seit der Trennung der Parteien zum 1. März 2002 sind bereits 7 Jahre vergangen. Der Beklagte hat durchgehend zunächst Trennungsunterhalt und dann - ab dem Zeitpunkt der Ehescheidung durch Urteil des Amtsgerichts Brakel vom 13. April 2005 - nachehelichen Unterhalt geleistet. Der Trennungsunterhalt erreichte monatliche Beträge von bis zu 1.200 €. Um während dieser Zeit seinen Verpflichtungen sowohl der Klägerin als auch den drei Töchtern gegenüber nachkommen zu können, hat er zum Teil auf die 90.000 € zurückgegriffen, die er selbst anläßlich der Veräußerung der ehelichen Liegenschaft erhalten hat.

Seit der Ehescheidung im April 2005 ist ein Übergangszeitraum von annähernd vier Jahren vergangen. Nach Abschluß des Vorvergleichs vom 11. Mai 2006 ist der Beklagte zunächst im Wege außergerichtlicher Vereinbarungen auf die Erhöhungsbegehren der Klägerin eingegangen. Im Rahmen der erneuten streitigen Auseinandersetzung hat er seine Zahlungen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt zum September 2007 von den titulierten 340 € auf monatlich 615,50 € gesteigert. Während des gerichtlichen Verfahrens hat er Unterhalt mindestens in Höhe der erstinstanzlich anerkannten Beträge, d.h. in Höhe von gegenwärtig 661 €, geleistet. Für die Klägerin hingegen bestand wegen der dauerhaften Unterstützung seitens des Beklagten bislang keine wirtschaftliche Notwendigkeit, ihr Vermögen anzugreifen. Auch sie hat aus der Veräußerung der ehelichen Liegenschaft einen Betrag in Höhe von 90.000 € erhalten. Aus ihrem Steuerbescheid vom 25. März 2008 für das Jahr 2007 ergeben sich Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.648 €. Für das Jahr 2011 erwartet sie eine Auszahlung einer Lebensversicherung seitens der W. AG mit einem Volumen in Höhe von 22.636 €; diese basiert im wesentlichen auf der Eigenheimzulage der Parteien, welche während intakter Ehe in die Lebensversicherung eingezahlt worden ist.

Die Rechtsauffassung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28. April 2009, wonach diese Versicherung bei Ablauf des Vertrages keine Auszahlung erbringen werde, läßt sich nicht nachvollziehen, denn das übersandte Schreiben der W. AG vom 20. April 2009 bezieht sich auf zwei verschiedene Lebensversicherungen: Die Versicherung unter der Nr. L 2003080 mit einem Volumen von 65.012 DM ist nach zutreffender Darstellung der Klägerin bei Ablauf am 1. Juni 2000 nicht ausgezahlt worden. Daneben besteht allerdings die im Termin am 2. April 2009 erörterte Versicherung unter der Nr. L 2621832 über 22.636 €, welche - ohne eine derartige Modifizierung - zum 1. November 2011 ablaufen und aller Voraussicht nach zur Verfügung stehen wird.

a) Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, die Klägerin zwischen Februar 2008 und Dezember 2009 noch in dem Umfange an den ehelichen Lebensverhältnissen teilhaben zu lassen, wie er im angegriffenen Urteil des Amtsgerichts tituliert worden ist. Ihre Ansprüche belaufen sich danach für diesen Zeitraum auf monatlich 949 €. Ab Januar 2010 entspricht es der Billigkeit, den Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt in der Weise zu reduzieren, daß lediglich der ehebedingte Nachteil in Form der privaten Krankenversicherung ausgeglichen wird.

b) Würde die Klägerin eine Erwerbsminderungsrente aufgrund eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in Höhe von etwa 1.450 € beziehen, hätte sie hiervon Sozialversicherungsabgaben in Höhe von etwa 200 € zu leisten; als Nettoeinkommen würde ein Betrag in Höhe von etwa 1.250 € resultieren. Die tatsächlichen Einkünfte der Klägerin aus ihrer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit würden sich - ohne Unterhaltsleistungen seitens des Beklagten - nach Abzug ihrer aktuellen Kosten für ihre private Krankenversicherung in der Zukunft auf etwa 800 € belaufen. Zum Ausgleich der Differenz zu den fiktiv zur Verfügung stehenden 1.250 € sind ab Januar 2010 monatliche Unterhaltsleistungen des Beklagten in Höhe von 450 € für beide Parteien angemessen und zumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO und berücksichtigt das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Das Kostenprivileg des § 93 ZPO greift zugunsten des Beklagten nicht ein, denn sein teilweises Anerkenntnis im Schriftsatz vom 19. Mai 2008 erfolgte nicht sofort, sondern erst etwa vier Monate nach Rechtshängigkeit der Klage. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

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