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OLG Hamm, Urteil vom 14.03.2008 - 13 UF 148/07 - FD-Platzhalter-rund

OLG Hamm, Urteil vom 14.03.2008
13 UF 148/07



Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Mangelverteilung; Behandlung des steuerlichen Vorteils des Unterhaltsschuldners und seines neuen Ehegatten aus dem Ehegattensplitting bezüglich vorrangig unterhaltsberechtigter Kinder; Notwendigkeit der Korrektur dieses Ergebnisses; Verrechnung des Steuervorteils zugunsten des über kein existenzsicherndes Einkommen verfügenden neuen Ehegatten des Unterhaltsschuldners; Begrenzung am fiktiven Gleichrang des neuen Ehegatten mit den Kindern.

BGB §§ 1579, 1609

Soweit im Rahmen einer Mangelverteilung der steuerliche Vorteil des Unterhaltsschuldners und seines Ehegatten aus dem Ehegattensplitting von den nach § 1609 BGB vorrangig unterhaltsberechtigten Kindern aufgebraucht würde, ist eine Korrektur dieses Ergebnisses vorzunehmen, die gewährleistet, daß der Steuervorteil dem Ehegatten des Unterhaltsschuldners, der über kein existenzsicherndes Einkommen verfügt, mindestens in dem Umfang zugute kommt, wie dies bei einem Gleichrang mit den Kindern der Fall wäre.

OLG Hamm, Urteil vom 14. März 2008 - 13 UF 148/07

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.04.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheine (13 F 325/06) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Der gerichtliche Vergleich vom 18.09.2002 (AmtsG Rheine - 13 F 313/00) in Verbindung mit dem Teilversäumnis- und Schlußurteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 11. April 2006 (41 F 157/06) wird für die Zeit ab September 2006 abgeändert. Der Kläger bleibt verpflichtet, folgende Unterhaltsbeträge an die Beklagten zu Händen ihres gesetzlichen Vertreters jeweils bis zum 3. eines Monats im voraus zu zahlen: Für die Zeit vom 01.09.2006 bis zum 30.06.2007 monatlich 150 € für den Beklagten zu 1) und monatlich 177 € für die Beklagte zu 2), für die Zeit vom 01.07. bis zum 30.09.2007 monatlich 148 € für den Beklagten zu 1) und monatlich 174 € für die Beklagte zu 2), für die Zeit vom 01.10. bis zum 31.12.2007 monatlich 169 € für den Beklagten zu 1) und monatlich 191 € für die Beklagte zu 2), und für die Zeit ab 01.01.2008 monatlich 166 € für den Beklagten zu 1) und monatlich 195 € für die Beklagte zu 2).
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger zu 38% und die Beklagten zu 62% zu tragen. Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger zu 25% und den Beklagten zu 75% auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagten sind die Kinder der Klägerin aus deren geschiedener Ehe. Die Klägerin ist wieder verheiratet. In ihrem Haushalt leben ihre beiden weiteren Kinder M. und R., deren Vater der Ehemann der Klägerin ist.

Mit Teilversäumnis- und Schlußurteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 11. April 2006 sind auf Antrag des Vaters der Beklagten deren Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin in Abänderung eines Vergleichs vor dem Amtsgericht Rheine vom 18. September 2002 für die Zeit ab April 2004 von bis dahin monatlich jeweils 231 € auf monatlich 247 € für den Beklagten zu 1) und auf monatlich 291 € für die Beklagte zu 2) erhöht worden.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin im Wege der Abänderung die Reduzierung ihrer Unterhaltspflicht. Sie stützt ihr Begehren darauf, daß sie ab Juni 2006, d.h. nur wenige Monate nach dem Urteil im Vorverfahren ihre bis dahin halbschichtige Erwerbstätigkeit beim Kreis Steinfurt (19,25 Stunden/Woche mit monatlich rund 1.200 € brutto) zu einer vollschichtigen Tätigkeit mit monatlich rund 2.400 € brutto ausgeweitet habe, während ihr Ehemann, der bis dahin ein etwa gleich hohes Einkommen erzielt habe wie sie jetzt, die Kinderbetreuung übernommen habe und Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 300 € beziehe. Die Elternzeit des Ehemannes der Klägerin sei zwar schon bei der früheren Entscheidung geplant gewesen; es habe aber noch nicht die Zustimmung des Arbeitgebers vorgelegen. Die Entscheidung für die Elternzeit sei vor allem dadurch bestimmt gewesen, daß ihr Ehemann auf diese Weise der Kündigungswelle bei der Fa. K. habe entgehen wollen in der Erwartung, daß während und nach der Elternzeit eine Kündigung gesetzlich ausgeschlossen sei. Der Ehemann der Klägerin erzielt außerdem noch Nebeneinkünfte als Kellner von monatlich 300 €.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Rheine hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat in dem Wechsel der Klägerin mit ihrem Ehemann in der Betreuung der gemeinsamen Kinder eine wesentliche Änderung der für die Unterhaltsansprüche der Beklagten maßgeblichen Umstände gesehen. Es ist bei der Neuberechnung des Unterhalts davon ausgegangen, daß der Rollentausch der Klägerin mit ihrem Ehemann hinsichtlich der Kindesbetreuung von den Beklagten hinzunehmen sei. Das Familiengericht hat eine Mangelverteilung vorgenommen, bei der es die teilweise Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann berücksichtigt hat, da er mit seinem eigenen Einkommen nicht in der Lage sei, seinen notwendigen Unterhaltsbedarf zu decken.

Die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Abweisung des Abänderungsbegehrens weiter verfolgen, macht geltend, das Familiengericht habe zu Unrecht das Erziehungsgeld auf seiten des Ehemannes der Klägerin nicht als Einkommen berücksichtigt. Die erstmals bei der Zeugenvernehmung des Ehemannes der Klägerin durch das Familiengericht erwähnte Kreditrate werde bestritten. Außerdem habe es einen Vergleich der finanziellen Gesamtsituation der Familie der Klägerin im Zeitpunkt des Urteils im vorangegangenen Unterhaltsverfahren gegenüber der Zeit nach dem Wechsel der Kindesbetreuung und der Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit durch die Klägerin unterlassen. Dabei wäre deutlich geworden, daß eine Veränderung nicht eingetreten sei. Im übrigen seien die Klägerin und ihr Ehemann bereits im Zeitpunkt des früheren Urteils fest entschlossen gewesen, die Änderungen hinsichtlich der Kindesbetreuung und der Erwerbstätigkeit vorzunehmen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet, was in erster Linie darauf beruht, daß der Senat von einem höheren Einkommen der Klägerin ausgeht, als es das Familiengericht zugrunde gelegt hat.

1. Für den Fall der Abänderung eines Versäumnisurteils ist streitig, ob bei der Feststellung der nach § 323 Abs. 1 ZPO erforderlichen wesentlichen Änderung der für den titulierten Unterhaltsanspruch maßgeblichen Umstände auf die durch das Versäumnisurteil fingierten Tatsachen oder auf die tatsächlichen Verhältnisse bei Erlaß des Versäumnisurteils abzustellen ist (zum Meinungsstand vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 323 Rdn. 31). Diese Rechtsfrage braucht indes hier nicht entschieden zu werden, da nach beiden Auffassungen erhebliche Änderungen eingetreten sind.

In der Begründung ihres Abänderungsbegehrens im vorangegangenen Unterhaltsverfahren sind die jetzigen Beklagten davon ausgegangen, daß die Klägerin mit ihrem damaligen Nettoeinkommen aus einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit von monatlich 1.013 € selbst unter Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts von 840 € / 890 € um 200 € im Hinblick auf das Zusammenleben mit dem damaligen Lebensgefährten (jetzigen Ehemann) nur teilweise leistungsfähig war. In einer Mangelverteilung - ohne Berücksichtigung der weiteren Kinder der Klägerin - haben die Beklagten seinerzeit auf sie entfallende Beträge von 149 € und 175 € ermittelt und ihrer Klageforderung zugrunde gelegt. Die restliche Leistungsfähigkeit der Klägerin hinsichtlich der verlangten und titulierten Beträge von 247 € bzw. 291 € haben die Beklagten damals aus dem Vermögen der Klägerin hergeleitet, welches diese im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung anläßlich der Scheidung von ihrem früheren Ehemann, dem Vater der Beklagten, erhalten hatte, nämlich am 21. April 2004 12.513,14 € und im Laufe des Jahres 2005 weitere 4.019,50 € aus einer Lebensversicherung.

Zwar haben sich die Einkommensverhältnisse der Klägerin ab Juni 2006 mit der Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit wesentlich verbessert, jedoch geht diese Änderung einher mit dem Wegfall des Einkommens ihres Ehemannes aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit und dem Entstehen der Barunterhaltspflichten gegenüber ihrem Ehemann und den beiden Kindern, die sie mit diesem gemeinsam hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann für die Feststellung der wesentlichen Änderung der maßgeblichen Umstände iSd § 323 Abs. 1 BGB nicht auf die Entwicklung des Familieneinkommens der Klägerin und ihres Ehemannes abgestellt werden, da der frühere Lebensgefährte und jetzige Ehemann der Klägerin außerhalb des Unterhaltsrechtsverhältnisses der Klägerin zu den Beklagten steht. Das Einkommen des Ehemannes ist nur insoweit von Bedeutung, als es hiervon abhängt, in welchem Umfange eine Unterhaltsbelastung der Klägerin ihm gegenüber besteht, wogegen es während der früheren Kinderbetreuung durch die Klägerin Auswirkungen darauf hatte, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihr ein Selbstbehalt gegenüber den Beklagten zu belassen war. Diese Rechtslage verbietet ein bloßes Zusammenrechnen der Einkünfte der Eheleute. Im übrigen hat sich, obwohl die Klägerin ein etwa gleich hohes Erwerbseinkommen erzielt wie ihr Ehemann bis zum Betreuungswechsel, auch das Familieneinkommen negativ entwickelt, da das jetzt vom Ehemann neben der Betreuung der Kinder erzielte Erwerbseinkommen deutlich geringer ist als das früher von der Klägerin erzielte Einkommen. Eine weitere Änderung ist in dem von der Klägerin behaupteten Verbrauch des Kapitals zu sehen, welches in dem Vorverfahren zur Herstellung der vollen Leistungsfähigkeit der Klägerin herangezogen worden ist.

2. Bei der Frage der Begründetheit der Abänderungsklage besteht keine Bindungswirkung an die Fiktion des Versäumnisurteils. Es ist neu zu rechnen aufgrund der nicht nur von der Klägerin behaupteten, sondern tatsächlich auch eingetretenen Veränderungen der für den Unterhalt der Beklagten maßgeblichen Umstände.

Der von der Klägerin und ihrem Ehemann bei der Kindesbetreuung vorgenommene Wechsel ist unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden. Anders als bei der Übernahme der Betreuung der Kinder in der neuen Ehe durch den bisher erwerbstätigen Ehegatten (für welche die Grundsätze der sog. Hausmann-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gelten, BGH FamRZ 1982, 590; 2006, 1827) bedarf ein solcher Wechsel keiner besonderen Rechtfertigung: Mehr als die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit können die unterhaltsberechtigten Beklagten von der Klägerin nicht verlangen.

Gegen die einkommensmindernde Berücksichtigung der unstreitigen Kreditrate der Klägerin bei der Bausparkasse Schwäbisch-Hall aus der Zeit ihrer ersten Ehe bestehen keine Bedenken, auch wenn es hier um eine Mangelverteilung für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder geht. Für einen Abzug dieser Belastung, deren tatsächliche Tragung die Klägerin belegt hat, spricht insbesondere der Umstand, daß diese Verbindlichkeit nur noch bis September 2007 bestand, und es der Klägerin nicht zumutbar war, durch die Nichtbedienung dieser Schuld weitere Kosten entstehen zu lassen.

Hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs des Ehemannes der Klägerin, der bis zum 31. Dezember 2007 gleichrangig ist mit den Unterhaltsansprüchen sämtlicher minderjähriger Kinder, folgt der Senat dem Familiengericht, welches für die Mangelverteilung von einem pauschalen Existenzminimum von 780 € ausgegangen ist, und hiervon das anrechenbare Eigeneinkommen von 300 € abgezogen hat. Das Erziehungsgeld auf seiten des Ehemannes der Klägerin hat das Familiengericht zu Recht nicht als Einkommen berücksichtigt. Auch für diese Konstellation schließt § 9 BErzGG dies aus (BGH FamRZ 2006, 1182).

3. Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen sowie der von der Klägerin vorgelegten Einkommensunterlagen ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

a) für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 30. Juni 2007
Nettoeinkommen der Klägerin 1.919,31 €
./. berufsbedingte Fahrtkosten (14 km x 2 x 220 x 0,24 € : 12 =) 123,20 €
./. Kreditrate Schwäbisch-Hall 116,69 €
= 1.679,42 €
./. notwendiger Selbstbehalt 890 €
= 789,42 € Verteilungsmasse

Einsatzbeträge:
Beklagter zu 2) 393 € (Tabellenbedarf 6. Einkommensgruppe)
Beklagter zu 1) 334 €
Kind M. 276 €
Kind R. 276 €
Ehemann der Klägerin 480 €
Summe der Unterhaltsansprüche 1.759 €
Anteil Beklagter zu 1): 789,42 : 1.759 x 334 = rund 150 €
Anteil Beklagter zu 2): 789,42 : 1.759 x 393 = rund 177 €.

b) für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. September 2007 (Änderung des notwendigen Selbstbehalts und der Unterhaltstabelle)
Nettoeinkommen der Klägerin 1.919,31 €
./. berufsbedingte Fahrtkosten 123,20 €
./. Kreditrate Schwäbisch-Hall 116,69 €
= 1.679,42 €
./.notwendiger Selbstbehalt 900 €
= 779,42 € Verteilungsmasse

Einsatzbeträge:
Beklagter zu 2) 389 € (Tabellenbedarf 6. Einkommensgruppe)
Beklagter zu 1) 331 €
Kind M. 273 €
Kind R. 273 €
Ehemann der Klägerin 480 €
Summe der Unterhaltsansprüche 1.746 €
Anteil Beklagter zu 1): (779,42 : 1.746 x 331 =) rund 148 €
Anteil Beklagter zu 2): (779,42 : 1.746 x 389 =) rund 174 €.

c) für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2007 (Wegfall der Kreditrate)
Nettoeinkommen der Klägerin 1.919,31 €
./. berufsbedingte Fahrtkosten 123,20 €
= 1.796,11 €
./. notwendiger Selbstbehalt 900 €
= 896,11 € Verteilungsmasse

Einsatzbeträge:
Beklagter zu 2) 389 € (Tabellenbedarf 6. Einkommensgruppe)
Beklagter zu 1) 331 €
Kind M. 273 €
Kind R. 273 €
Ehemann der Klägerin 480 €
Summe der Unterhaltsansprüche 1.746 €
Anteil Beklagter zu 1): (896,11 : 1.746 x 331 =) rund 169 €
Anteil Beklagter zu 2): (896,11 : 1.746 x 389 =) rund 191 €.

d) für die Zeit ab 1. Januar 2008 (Wegfall der Kreditrate, erhöhte km-Pauschale für Fahrtkosten, neue Unterhaltstabelle, Nachrang des Ehemannes der Klägerin gemäß § 1609 Nr. 1, 2 BGB)
Nettoeinkommen der Klägerin 1.919,31 €
./. berufsbedingte Fahrtkosten (14 km x 2 x 220 x 0,30 € : 12 =) 154 €
= 1.765,31 €
./. notwendiger Selbstbehalt 900 €
= 865,31 € Verteilungsmasse

Einsatzbeträge:
Beklagter zu 2) 365 €
Beklagter zu 1) 322 €
Kind M. 279 €
Kind R. 279 €
Ehemann der Klägerin 480 €
Summe der Unterhaltsansprüche 1.725 €
Anteil Beklagter zu 1): (865,31 : 1.725 x 331 =) rund 166 €
Anteil Beklagter zu 2): (865,31 : 1.725 x 389 =) rund 195 €
Anteil des Ehemannes der Klägerin: (865,31 : 1.725 x 480 =) rund 241 €.

Bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche der Beklagten für den letzten Zeitraum ist zu berücksichtigen, daß der Unterhaltsanspruch des Ehemannes der Klägerin aufgrund der nach dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz seit 1. Januar 2008 geltenden neuen Rangfolgeregelung in § 1606 BGB nachrangig ist gegenüber den Unterhaltsansprüchen der minderjährigen Kinder. Deshalb wäre der Ehemann der Klägerin an sich im Rahmen der Mangelverteilung, bei der im ersten Rang nur die Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder zum Zuge kommen, nicht zu berücksichtigen. Dies hätte hier zur Folge, daß die Verteilungsmasse vollständig zur Deckung der Ansprüche der Kinder zu verwenden wäre. Dies ist nach den angesprochenen Gesetzesänderung ausdrücklich gewollt und daher grundsätzlich hinzunehmen.

Dieser Grundsatz muß indes nach Auffassung des Senats eine Einschränkung jedenfalls für den Fall erfahren, daß in dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ein steuerlicher Vorteil aus dem Ehegattensplitting enthalten ist. Dieser Splittingvorteil bestimmt zwar nach inzwischen wohl einhelliger Auffassung nicht nur den Unterhaltsbedarf von Kindern des Unterhaltspflichtigen, sondern auch dessen Leistungsfähigkeit gegenüber solchen Unterhaltsgläubigern im Gegensatz zu dem geschiedenen Ehegatten, der an diesem Steuervorteil, der im Hinblick auf die neue Ehe gewährt wird, nicht teilhat. Die Teilhabe der Kinder an dem Steuervorteil darf nach Auffassung des Senats jedoch nicht dazu führen, daß er diesen unter Ausschluß des Ehegatten, für den er gewährt wird, zugute kommt, wie dies hier der Fall wäre, wenn die Mangelverteilung auf der Basis des Erwerbseinkommens der Klägerin einschließlich des Splittingvorteils unter Ausschluß des Ehemannes der Klägerin durchgeführt würde. Ein solches Ergebnis widerspricht dem Sinn dieser steuerlichen Entlastung der Ehegatten in eklatanter Weise.

Der Bundesgerichtshof (FamRZ 1985, 911; 1988, 486; 1990, 503) hat für die frühere Rechtslage (d.h. noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 2003 - FamRZ 2003, 1821 zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung des Splittingvorteils), als der in der Regel vorrangige erste Ehegatte an dem Splittingvorteil teilhatte, eine Korrektur für den Fall vorgenommen, daß aufgrund des unterhaltsrechtlichen Vorrangs des ersten Ehegatten der neue Ehegatte letztlich leer ausging und für ihn nicht einmal das Existenzminimum zur Verfügung stand. In einem solchen Falle sollte der Splittingvorteil unter Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB a.F. vorrangig für den Unterhalt dieses Ehegatten zur Verfügung stehen.

Der Senat hält auch vorliegend eine solche Korrektur für geboten, da die Interessenlage vergleichbar ist (ebenso Schürmann, FamRZ 2008, 313, 323). Andererseits ist es aber nicht gerechtfertigt, den Splittingvorteil für den Unterhalt des Ehegatten des Unterhaltspflichtigen weitergehend zur Verfügung zu stellen, als dies bei einer gleichrangigen Teilhabe mit den minderjährigen Kindern (wie nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage) der Fall sein würde. Zu diesem Zweck hat der Senat die vorstehende Mangelverteilung für die Zeit ab 1. Januar 2008 unter Einbeziehung des ungedeckten Unterhaltsbedarfs des Ehemannes der Klägerin vorgenommen. Der sich dabei ergebende Betrag von 241 € liegt geringfügig unterhalb des Splittingvorteils, den der Senat auf der Basis der vorstehend dargestellten Einkünfte der Klägerin anhand der Lohnsteuertabellen für 2008 mit rund 250 € monatlich ermittelt hat. Der Klägerin ist der im Wege der Mangelverteilung ermittelte Betrag für den Unterhaltsbedarf ihres Ehemannes zu belassen, was dazu führt, daß die Beklagten trotz ihres unterhaltsrechtlichen Vorrangs nur die bei der Mangelverteilung unter Einbeziehung des nachrangigen Ehemannes der Klägerin ermittelten Beträge verlangen können.

Zum Einsatz des Vermögens durch die Klägerin für den Kindesunterhalt haben die Parteien im Senatstermin übereinstimmend erklärt, daß sie davon ausgehen, daß diese Beträge aufgrund der Anrechnung auf die Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit ab April 2004 - tatsächlich gezahlt hat die Klägerin unstreitig nichts - verbraucht sind.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, da die Entscheidung zum Teil darauf beruht, daß der steuerliche Vorteil aus dem Ehegattensplitting zur Deckung des offenen Unterhaltsbedarfs des Ehemannes der Klägerin insoweit verwendet worden ist, als er aufgrund der Nachrangigkeit des Unterhaltsanspruchs des Ehemannes der Klägerin gegenüber den Unterhaltsansprüchen der minderjährigen Kinder ausschließlich den Kindern zugute kommen würde. Diese Rechtsfrage ergibt sich aus der Anwendung des Rechts nach dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz. Die Zulassung der Revision dient daher der Fortbildung des Rechts.


OLG Hamm, Urteil vom 14.03.2008 - 13 UF 148/07
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