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OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2009 - II-5 UF 118/09 - FD-Platzhalter-rund

OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2009
II-5 UF 118/09



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Berücksichtigung des Auslandsverwendungszuschlags für Soldaten in Krisengebieten (hier: Afghanistan).

BGB §§ 1573, 1578, 1578b, 1603

1. Bei einem Einsatz eines deutschen Soldaten in einem Krisen- oder Kriegsgebiet (hier: Afghanistan) überwiegen die mit einem solchen Einsatz verbundenen Gefahren für Leib und Leben in einem solchen Maße, daß dem unterhaltspflichtigen Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag grundsätzlich zu verbleiben hat, und eine Anrechnung nur unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen erfolgen kann, die mangels anderweitiger Erkenntnisse - ähnlich wie Spesen und Auslösen - in der Regel mit 1/3 zu bemessen ist. Die für den »friedlichen« Einsatz entwickelten Grundsätze sind auf diesen Fall nicht übertragbar.
2. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm kann berufsbedingter Aufwand nicht pauschal mit 5%, sondern nur in konkret angefallener Höhe berücksichtigt werden. Dagegen kann ein fiktiv zuzurechnendes Einkommen auch um fiktive Werbungskosten von pauschal 5% gekürzt werden (wie BGH FamRZ 2009, 314, 317 = FuR 2009, 162 = EzFamR BGB § 1603 Nr. 62).
3. War eine kinderlose Ehe durch eine mehr als halbschichtige Tätigkeit der Ehefrau geprägt, kann sich die Ehefrau hinsichtlich der Aufnahme einer ihr obliegenden Erwerbstätigkeit nicht auf eine Schonfrist für das Trennungsjahr berufen.
4. Einer Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB entgegen stehende ehebedingte Nachteile können sich auch daraus ergeben, daß die Ehefrau während der gemeinsamen Ehezeit mit ihrem Ehemann aufgrund dessen örtlicher Versetzung als Berufssoldat mehrmals umgezogen ist, deshalb ihre bestehenden Arbeitsverhältnisse aufgegeben hat und sich jeweils eine neue Stelle suchen mußte.

OLG Hamm, Urteil vom 18. Dezember 2009 - II-5 UF 118/09

Tenor

1. Auf die wechselseitigen Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen das am 09.06.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hagen (55 F 48/08) abgeändert.
Der Kläger wird in Abänderung der notariellen Urkunde des Notars E. vom 19.08.2005 verurteilt, an die Beklagte monatlichen Unterhalt ab 01/2008 in Höhe von 778 €, ab 01/2009 in Höhe von 734 € und ab 11/1012 in Höhe von 200 € zu zahlen. Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltstitels.

Die Parteien schlossen am 18. Februar 1994 die Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind, und die nach der Trennung am 1. August 2005 und der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens am 11. August 2006 seit 23. Oktober 2007 rechtskräftig geschieden ist. Am 19. August 2005 errichteten die Parteien eine notarielle Urkunde zur Regelung von Scheidungsfolgen, in der sich der Kläger unter anderem verpflichtete, ab 12/2005 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.300 €, zunächst als Trennungsunterhalt und danach als nachehelichen Unterhalt, zu zahlen.

Der Kläger hat Abänderungsklage mit dem Antrag erhoben, festzustellen, daß der Kläger unter Abänderung der notariellen Urkunde vom 19. August 2005 ab 01/2008 der Beklagten keinen Unterhalt mehr schuldet. Das Amtsgericht - Familiengericht - Hagen hat den Kläger - unter Abweisung der Klage im übrigen - verurteilt, unter Abänderung der notariellen Urkunde für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 monatlichen Unterhalt in Höhe von 780 € und für die Zeit ab 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2013 monatlichen Unterhalt in Höhe von 658 € an die Beklagte zu zahlen. Wegen der Begründung im einzelnen und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Verweisungen Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Parteien mit ihren wechselseitigen Berufungen.

Die Beklagte macht geltend, daß es sich bei der notariellen Urkunde um eine privatschriftliche Einigung der Parteien handele, die zu beachten sei. Eine Befristung des Unterhalts sei nicht gewollt gewesen. Allein auf eine Änderung der Gesetze könne sich der Kläger nicht berufen. Tatsächliche Veränderungen seien nicht eingetreten. Sie sei, wie bei Abschluß der Vereinbarung, weiterhin arbeitslos. Die Annahme des Familiengerichts, daß der notariellen Vereinbarung die gemeinsame Vorstellung der Parteien zugrunde gelegen habe, sie werde in absehbarer Zeit bei entsprechend intensiven Bemühungen eine neue Arbeitsstelle erlangen können, treffe nicht zu. Richtig sei zwar, daß über eine eventuelle berufliche Tätigkeit gesprochen worden sei. Die Vorstellung der Parteien sei jedoch dahin gegangen, daß die notarielle Vereinbarung in jedem Falle Geltung behalten solle, bis sie eine solche Berufstätigkeit wieder erlangt habe. Die Vereinbarung habe sie absichern sollen. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts habe sie sich auch ausreichend um eine Erwerbstätigkeit beworben.

Die Beklagte hat zunächst abändernd die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Nach eingeschränkter Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt sie unter Rücknahme der Berufung im übrigen, abändernd die Klage abzuweisen, soweit der nachehelicher Unterhalt ab Januar 2008 auf monatlich weniger als 900 € herabgesetzt worden sei.

Der Kläger beantragt abändernd, unter Abänderung der notariellen Urkunde des Notars D. vom 19. August 2005 festzustellen, daß er der Beklagten ab 1. Januar 2008 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schulde. Er greift die Feststellungen des Familiengerichts zu seinem Einkommen insoweit an, als der Auslandsverwendungszuschlag (AVZ) für seine Einsatzzeit in Afghanistan berücksichtigt worden sei; weiterhin sei der monatliche Aufwand für eine Krankenanwartschaftsversicherung in Höhe von 36,03 € sowie ein berufsbedingter Aufwand in pauschaler Höhe von 5% unberücksichtigt geblieben. Der Beklagten sei ein fiktives Einkommen von mindestens 1.500 € netto zuzurechnen. Ehebedingte Nachteile habe die Klägerin nicht erlitten, so daß sie Unterhalt ab 01/2008 nicht mehr verlangen könne.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Berufungen sind im tenorierten Umfang begründet, im übrigen sind sie unbegründet.

1. Die Abänderungsklage ist zulässig. Hierzu ist es bereits ausreichend, daß der Kläger in schlüssiger Weise behauptet, daß die Beklagte zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet sei, wodurch seine Unterhaltspflicht erheblich sinken würde.

2. Die Abänderungsklage ist teilweise begründet. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus dem Vortitel ist im tenorierten Umfang zu reduzieren. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) ab 01/2008 in Höhe von monatlich 778 € und ab 01/2009 in Höhe von monatlich 734 €. Ab 11/1012 ist der Unterhaltsanspruch gemäß § 1578b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und beträgt monatlich 200 €. Eine zeitliche Begrenzung des Anspruchs gemäß § 1578b Abs. 2 BGB ist derzeit nicht gerechtfertigt.

a) Der Unterhaltsanspruch berechnet sich wie folgt:

aa) Auf Seiten des Klägers ist von einem anrechenbaren Einkommen im Jahre 2008 in Höhe von monatlich rund 2.955 € und ab 01/2009 von einem solchen in Höhe von monatlich rund 2.853 € auszugehen.

(1) Auf der Grundlage der Jahreszahlen in der Abrechnung 12/2008 ergibt sich einschließlich Steuererstattung ein um berechtigte Abzüge bereinigtes Erwerbseinkommen von monatsdurchschnittlich rund 2.853 €:

Steuerpflichtiges Jahresbrutto 40.812,94 €
./. Lohnsteuer - 8.630,17 €
./. SolZ - 474,61 €
+ Steuererstattung für 2007 4.958,46 €
./. Nachteilsausgleich begrenztes Realsplitting - 1.189,20 €
= 35.477,42 € : 12 = Monatsnetto 2.956,45 €
./. Arbeitgeberanteil VwL netto - 5,17 €
./. Unterkunftspauschale - 62,40 €
./. E2 Ruhensversicherung - 35,67 €
= 2.853,22 €.

Das Familiengericht hat die im Jahre 2008 geflossene Steuererstattung gemäß Bescheid vom 23. April 2008 in Höhe von 4.958,46 € unberücksichtigt gelassen. Ein Grund ist hierfür nicht ersichtlich. Gegenzurechnen ist der Nachteilsausgleich, den der Kläger der Beklagten für deren Versteuerung des Unterhalts zu zahlen hat; dies sind nach den Werten des Vorauszahlungsbescheids vom 25. Oktober 2007 bei einem zu versteuernden Einkommen von 13.419 € jährlich 1.189,20 €.

Weitere Abweichungen zu den Feststellungen des Familiengerichts ergeben sich insoweit, als das Familiengericht einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug vorgenommen hat, die vermögenswirksamen Leistungen nur mit dem Nettoanteil des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind, ein Bekleidungsgeld nicht abzuziehen ist, weil es als steuerfreie Position bereits im steuerpflichtigen Jahresbruttolohn nicht enthalten ist, und die vom Kläger geltend gemachten Beiträge für eine Ruhensversicherung bei der E2 mit monatsdurchschnittlich 35,67 € zu berücksichtigen sind. Ein berufsbedingter Aufwand kann nicht - wie vom Kläger gefordert - pauschal mit 5% erfaßt werden, sondern nur in konkret angefallener Höhe. Ein konkreter Aufwand ist nicht dargelegt.

(2) Das Einkommen des Klägers erhöht sich im Jahre 2008 um monatsdurchschnittlich 102,26 €. Der Kläger hat für seinen Einsatz in Afghanistan vom 1. Januar 2008 bis zum 9. Februar 2008 einen Auslandsverwendungszuschlag (AVZ) in Höhe von kalendertäglich (brutto = netto) 92,03 € erhalten. Für 40 Tage sind dies 3.681,20 € bzw. monatsdurchschnittlich 306,77 €. Der AVZ ist unter dem Gesichtspunkt »häuslicher Ersparnis« im Wege der Schätzung - wie bei Spesen - mit einem Drittel, also monatlich in Höhe von 102,26 €, dem Einkommen des Klägers zuzurechnen.

Die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Auslandszuschlägen ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich. Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einem Urteil vom 29. Juni 2004 (FamRZ 2005, 369) im Ergebnis den AVZ aus einem Einsatz in Afghanistan und Bosnien jeweils zur Hälfte angerechnet und sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. Januar 1980 (FamRZ 1980, 342, 344 = BGHF 2, 4) zum Auslandszuschlag nach § 55 BBesG berufen, wonach der Zuschlag grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sei, soweit dem nicht ein konkreter Mehraufwand gegenübersteht. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes lag die Tätigkeit eines Oberstleutnants in den Niederlanden zugrunde (s. auch die Entscheidung des 11. Familiensenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 2008 - OLGR 1999, 90 zu §§ 55, 57 BBesG für einen an einer ausländischen Botschaft tätigen Offizier).

Die für den »friedlichen« Einsatz eines deutschen Soldaten im europäischen Ausland oder an einer deutschen Botschaft entwickelten Grundsätze sind nach Auffassung des Senats nicht auf den Einsatz in einem Krisen- oder Kriegsgebiet übertragbar. Hier überwiegen die mit einem solchen Einsatz verbundenen Beschwernisse und persönlichen Gefahren für Leib und Leben in einem solchen Maß, daß dem unterhaltspflichtigen Soldat der AVZ grundsätzlich zu verbleiben hat und eine Anrechnung nur unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen erfolgen kann, die mangels anderweitiger Erkenntnisse - ähnlich wie bei Spesen und Auslösungen - in der Regel mit 1/3 zu bemessen sind (vgl. in diesem Sinne OLG Stuttgart FamRZ 2002, 820 [Ls]).

(3) Für die Zeit ab 01/2009 ist das Einkommen des Klägers aus dem Vorjahr ohne die Zurechnung des AVZ, der nicht mehr angefallen ist, mit monatlich rund 2.853 € fortzuschreiben.

Der Kläger hat für 2009 ein niedrigeres Einkommen nicht schlüssig dargelegt. Soweit er im Senatstermin geltend gemacht hat, daß die Steuererstattung, die er nicht konkret beziffern konnte, niedriger als im Vorjahr ausgefallen sei, weil er das begrenzte Realsplitting nicht geltend gemacht habe, ist dies nicht zu berücksichtigen. Der Kläger ist unterhaltsrechtlich gehalten, derartige Steuervorteile zu nutzen, die in vergleichbarer Höhe wie im Vorjahr angefallen wären, da der Kläger den titulierten Unterhalt von monatlich 1.300 € für das ganze Jahr 2008 gezahlt hat. Aus diesen Gründen kann der nach Schluß der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14. Dezember 2009 vorgelegte Steuerbescheid vom 28. April 2009 für das Jahr 2008 nicht zur Grundlage der Einkommensermittlung gemacht werden, zumal er bis auf die nicht geltend gemachten Unterhaltsleistungen keine gravierenden Abweichungen zum Vorjahr ausweist.

bb) Auf Seiten der Beklagten, die arbeitslos ist, sind fiktive Einkünfte aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in anrechenbarer Höhe von monatlich 1.140 € anzusetzen.

(1) Es besteht eine Obliegenheit der Beklagten zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit, der die Beklagte nach den zutreffenden und ausführlichen Gründen der angefochtenen Entscheidung - auf die Bezug genommen wird - nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Die in erster Instanz dargelegten Bewerbungen reichen nicht aus. Ergänzender Vortrag ist in der Berufungsinstanz nicht erfolgt; insbesondere fehlt die Darlegung ausreichender Erwerbsbemühungen für die Zeit nach der Trennung. Spätestens ab November 2005, nachdem die Beklagte nach H. verzogen war, war sie gehalten, sich intensiv um eine Erwerbstätigkeit zu bewerben. Auf eine Schonfrist gemäß Ziff. 17.2 der Hammer Leitlinien für das Trennungsjahr kann sich die Beklagte nicht berufen, weil die kinderlose Ehe durch eine mehr als halbschichtige Erwerbstätigkeit der Beklagten geprägt war.

13 Bewerbungen innerhalb von zwei Jahren nach der Trennung sind unabhängig von den qualitativen Mängeln bereits quantitativ nicht ausreichend. Es liegt auf der Hand, daß sich mit fortdauernder Arbeitslosigkeit die Chancen für eine adäquate Anstellung immer mehr verschlechtern. Dieses Risiko hat die Beklagte aufgrund ihrer unzureichenden Erwerbsbemühungen zu tragen. Auch die vom Familiengericht eingeholte Auskunft bei der Bundesagentur für Arbeit in H. vom 5. Februar 2008 zeigt, daß die Beklagte sich bei der Wahl eines möglichen Arbeitsplatzes wenig flexibel zeigte. Es ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte bei ausreichenden Erwerbsbemühungen, die spätestens in 12/2005 hätten einsetzen müssen, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten oder einem vergleichbaren Beruf gefunden hätte.

(2) Die Beklagte kann sich für eine Einschränkung ihrer Erwerbsobliegenheiten nicht auf die notarielle Urkunde vom 19. August 2005 berufen. Dieser ist gerade nicht zu entnehmen, daß der Unterhat in unveränderbarer Höhe so lange gezahlt werden soll, bis sie tatsächlich eine Beschäftigung gefunden hat. Der Wortlaut gibt hierfür nichts her. Im Gegenteil verweist er ausdrücklich darauf, daß den Parteien bekannt sei, daß die Urkunde unter den Voraussetzungen nach § 323 ZPO beiderseits abgeändert werden könne.

(3) Die Beklagte ist für den hier streitigen Unterhaltszeitraum ab 01/2008 mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu fingieren. Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau und hat während der Ehe immer wieder und zuletzt bis 01/2004 in dem erlernten Beruf im Lebensmitteleinzelhandel gearbeitet.

Auf diesem Hintergrund ist die vom Familiengericht vorgenommene Fiktion mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von netto 1.000 € zu niedrig. Angesichts der von der Beklagten schriftsätzlich vorgetragenen und im Senatstermin im einzelnen erörterten Erwerbsbiographie ist der Senat davon überzeugt, daß die Beklagte aufgrund ihrer Qualifikation und langjährigen Berufserfahrung auch unter den schwieriger gewordenen Marktbedingungen - insbesondere im Einzelhandel - ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.200 € erzielen könnte.

Das fiktiv zuzurechnende Einkommen ist um fiktive Werbungskosten in pauschaler Höhe von 5%, d.h. 60 €, auf monatlich 1.140 € zu kürzen (vgl. BGH FamRZ 2009, 314, 317 = FuR 2009, 162 = EzFamR BGB § 1603 Nr. 62 Tz. 39).

cc) Unter Ansatz der beiderseitigen Einkünfte errechnet sich nach der Differenzmethode ein eheangemessener Bedarf der Beklagten wie folgt:

ab 01/2008 ab 01/2009
anrechenbares Einkommen - Kläger 2.955,00 € 2.853,00 €
anrechenbares Einkommen - Beklagte - 1.140,00 € - 1.140,00 €
Einkommensdifferenz 1.815,00 € 1.713,00 €
Bedarf der Beklagten 3/7 778,00 € 734,00 €
b) Ab 11/2012 ist der Kläger nur noch zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts in Höhe von 200 € verpflichtet. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist gemäß § 1578b Abs. 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, weil eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts unbillig wäre.

(1) Die zeitliche Begrenzung des eheangemessenen Unterhalts durch eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf ab 11/2012 folgt aus einer umfassenden Billigkeitsabwägung bei der gemäß den gesetzlichen Vorgaben insbesondere zu berücksichtigen ist, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen (§ 1578b Abs. 1 S. 2 BGB), wobei sich solche Nachteile vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben können (§ 1578b Abs. 1 S. 3).

(a) Kindesbelange standen in der kinderlosen Ehe einer Erwerbstätigkeit und dem beruflichen Fortkommen der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte war auch in der Ehezeit bis zum 31. Januar 2004 in ihrem erlernten Beruf als Einzelhandelskauffrau mehr als halbschichtig bis teilweise vollschichtig erwerbstätig.

(b) Gleichwohl ergeben sich ehebedingte Nachteile im beruflichen Fortkommen der Beklagten, die ihren Grund darin haben, daß die Beklagte während der gemeinsamen Ehezeit dreimal mit dem Kläger umgezogen ist, weil der Kläger als Berufssoldat örtlich versetzt wurde. Ein erster Umzug erfolgte im Jahre 1996 von H. nach E., sodann im Jahre 1999 ein Umzug nach A. in die Nähe von P. und Anfang 2004 ein Umzug nach B. Diese Umzüge waren jeweils damit verbunden, daß die Beklagte ihre bestehenden Arbeitsverhältnisse aufgeben und sich am Zuzugsort eine neue Arbeitsstelle suchen mußte. Der Senat ist aufgrund der Erwerbsbiographie der Beklagten und deren Erörterung im Senatstermin davon überzeugt, daß die Beklagte ohne die ehebedingten Ortswechsel einen beruflichen Aufstieg zur Filialleiterin vollzogen hätte und auch heute noch als Filialleiterin tätig wäre.

Das berufliche Rüstzeug für eine Filialleitung hatte sich die Beklagte bereits vor der Ehe bei den Firmen Plus und Aldi erworben. Bei der Fa. Plus war die Beklagte von 09/1981 bis 11/1988 als Verkäuferin und Vertretung der Filialleitung in verschiedenen Filialen tätig. Ab 11/1988 übernahm sie nacheinander eine kommissarische Leitung der Filialen in H. und Ha. Zum 1. Juli 1992 wechselte sie wegen besserer Konditionen zur Fa. Aldi als Filialleiteranwärterin, durchlief ein entsprechendes Ausbildungsprogramm und übernahm zum 1. August 1993 die selbständige Leitung einer Filiale. Es erfolgte nach den Angaben der Beklagten im Senatstermin eine Eigenkündigung zum 30. November 1993, weil sie sich wegen diverser Querelen in der Vorgesetztenebene dem damit einhergehenden Druck und Streß in Bezug auf ihre Filialleitung nicht mehr gewachsen fühlte. Nach der Heirat war die Beklagte ab 11/1994 als Verkäuferin bei der Fa. Familia in einem Umfang von 30 Stunden/Woche tätig. Diese Arbeitsverhältnis mußte sie wegen des Umzugs nach E. im September 1996 aufgeben. Es schloß sich ab 10/1997 eine Beschäftigung bei der Fa. Plus in K. als Verkäuferin sowie Vertretung der Filialleitung an. Hier arbeitete die Beklagte 25 Stunden/Woche. Wenn sie die Filialleitung vertrat (Urlaub, Krankheit, Vakanz), arbeitete sie vollschichtig. Ein Angebot, eine Filiale in F. zu leiten, konnte die Beklagte nicht weiter verfolgen, weil ein erneuter Umzug der Parteien nach P. anstand. In P. arbeitete die Beklagte bei der Fa. S. als Verkäuferin bis zur Insolvenz des Arbeitgebers (31. Januar 2004), die mit dem anstehenden Umzug der Parteien nach B. zusammenfiel. In B. fand die Beklagte nach ihren Angaben keine angemessene Arbeitsstelle.

Die Erwerbsbiographie zeigt, daß die Beklagte trotz der Eigenkündigung bei der Fa. Aldi auch später noch die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg in eine Filialleitung hatte, die aber an dem ehebedingten Umzug der Parteien scheiterte.

Der Senat ist aufgrund der dargelegten Ausbildungs- und Erwerbsbiographie sowie des im Senatstermin von der Beklagten gewonnenen Eindrucks davon überzeugt, daß die Beklagte ohne die Ehe einen beruflichen Aufstieg in eine Filialleitung vollzogen hätte und heute noch als Filialleiterin tätig wäre. An diesem beruflichen Aufstieg war sie jedoch durch die ehebedingten Ortswechsel gehindert, weil ein Aufstieg in die Filialleitung erfahrungsgemäß in dem Berufsfeld der Beklagten jeweils nur firmenintern erfolgt, wenn sich der Mitarbeiter zuvor über eine längere Zeit der Mitarbeit entsprechend bewährt hat.

(c) Weiterhin ist im Rahmen der Abwägung die Ehezeit von rund 12,5 Jahren zu berücksichtigen, sowie der Umstand, daß die Beklagte ihre beruflichen und persönlichen Belange dem beruflichen Fortkommen des Klägers und den damit verbundenen regelmäßigen Ortswechseln untergeordnet hat.

(d) Unter Abwägung aller Umstände und Belange ist es daher nicht unbillig, den nachehelichen Unterhalt für eine Übergangsfrist von fünf Jahren nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen und erst danach auf den angemessenen Lebensbedarf abzusenken.

(2) Der angemessene Lebensbedarf bemißt sich nach den Einkünften, die die Beklagte ohne ehebedingte Nachteile erzielen würde (vgl. BGH FamRZ 2009, 1990 = FuR 2010, 96). Als Filialleiterin würde die Beklagte aktuell brutto mindestens rund 2.200 € verdienen. Dies entspricht bei Lohnsteuerklasse I/0, Kirchensteuer und Krankenversicherung KV 14,9% einem monatlichen Nettoeinkommen von rund 1.400 €.

(3) Unter Berücksichtigung des nach obigen Ausführungen tatsächlich erzielbaren Einkommens von monatlich netto rund 1.200 € verbleibt ein ungedeckter Bedarf als dauerhafte, ehebedingte Einkommenseinbuße von monatlich rund 200 €, für den der Kläger unterhaltsrechtlich weiterhin aufzukommen hat.

c) Der Unterhaltsanspruch ist nach den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten nicht gemäß § 1578b Abs. 2 BGB zeitlich zu begrenzen.

(a) Die Beklagte hat einen ehebedingten Nachteil in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten (s. oben), den sie nach der Trennung nicht ausgleichen konnte und zukünftig auch nicht mehr ausgleichen kann. Zwar ist - wie oben ausgeführt - davon auszugehen, daß die Beklagte nach der Trennung der Parteien und dem Umzug nach H. bei ausreichenden Bewerbungen eine Vollzeitstelle in ihrem erlernten Beruf hätte erlangen können. Ein beruflicher Aufstieg in eine Filialleitung erscheint aber angesichts des Alters der Beklagten und den gegenwärtigen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts ausgeschlossen. Im Trennungsjahr 2005 war die Beklagte 48 Jahre alt. Unter der Annahme, daß sie bei ausreichenden Erwerbsbemühungen im Laufe des Jahres 2006 einen beruflichen Wiedereinstieg vollzogen und diesen im Laufe des Jahres 2007 zu einer Vollzeittätigkeit ausgeweitet hätte, müßten mindestens weitere zwei bis drei Jahre angesetzt werden, in denen sich die Beklagte hätte innerbetrieblich beweisen und bewähren müssen, bevor eine Filialleitung überhaupt in Betracht hätte kommen können. Die Beklagte wäre dann etwa 53 Jahre alt und stünde im Wettbewerb mit jüngeren Mitarbeitern, die zudem in der Regel auf eine längere Betriebszugehörigkeit verweisen können. In einem solchen Wettbewerb hätte die Beklagte daher keine Chance auf einen beruflichen Aufstieg.

(b) Weiterhin sind bei der Frage der Befristung auch die Ehedauer von 12,5 Jahren sowie der Umstand zu berücksichtigen, daß die Beklagte durch ihr Einverständnis mit den durch den Beruf des Klägers bedingten Ortswechseln dessen berufliches Fortkommen unterstützt hat, was sich in der Beförderung zum Hauptmann zeigt.

(c) Letztlich ist auch zu berücksichtigen, daß die unbefristete Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 200 € den Kläger auf der Grundlage seiner derzeitigen Einkünfte in seiner eigenen Lebensführung nicht merklich einschränkt. Gegenteilige Anhaltspunkte sind insoweit nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

(d) Unter Abwägung aller Umstände und Belange erscheint es daher nicht unbillig, der Beklagten den auf den angemessenen Lebensbedarf abgesenkten Unterhaltsanspruch unbefristet - prinzipiell jedenfalls bis zum Renteneintritt - zu belassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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