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OLG Bremen, Beschluß vom 12.09.2008 - 5 WF 62/08 - FD-Platzhalter-rund

OLG Bremen, Beschluß vom 12.09.2008
5 WF 62/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts; Einräumung einer Übergangszeit (Schonfrist).

BGB §§ 1578b, 1573

1. § 1578b Abs. 2 BGB läßt eine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung in der Regel nicht zu.
2. Auch bei einer Trennungszeit von rund 2½ Jahren mit korrespondierender Unterhaltsverpflichtung ist eine sofortige Begrenzung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung nicht möglich.
3. Dem Unterhaltsberechtigten ist eine Übergangszeit einzuräumen, die ihren Grund darin findet, daß er nach der Scheidung Zeit benötigt, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (BGH FamRZ 2008, 1508, 1511).

OLG Bremen, Beschluß vom 12. September 2008 - 5 WF 62/08

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 17.07.2008 (66 F 2758/06) abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsgegnerin wird Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt, soweit sie nachehelichen Unterhalt von monatlich 464 € für einen Zeitraum von einem Jahr nach Rechtskraft der Scheidung begehrt.
2. Ihr wird Rechtsanwältin S., Berlin, zu den Bedingungen eines Bremer Rechtsanwalts beigeordnet.

Gründe

I. Die 1974 geborene Antragsgegnerin begehrt im Rahmen des Scheidungsverbunds Prozeßkostenhilfe für ihren Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 464 €.

Die 1999 geschlossene Ehe der Parteien ist kinderlos geblieben. Seit Februar 2006 leben die Parteien getrennt. Der Scheidungsantrag wurde im Juni 2007 zugestellt. Die Antragsgegnerin ist gelernte Friseurin und arbeitete während des ehelichen Zusammenlebens der Parteien als geringfügig Beschäftigte. Der Antragsteller ist gelernter Bürokaufmann und mittlerweile arbeitslos.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Bremen hat den Antrag der Antragsgegnerin, ihr für die Folgesache nachehelicher Unterhalt Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, abgelehnt. Zwar ergebe sich rechnerisch bei einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers von 2.109 € (1.109 € Arbeitslosengeld und 1.000 € auf den Monat umgelegte Abfindung) und der Antragsgegnerin von (fiktiv) 1.100 € ein Unterhaltsanspruch; dieser sei jedoch gemäß § 1578b Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Da die Antragsgegnerin keinerlei ehebedingte Nachteile erlitten habe und in ihrem erlernten Beruf tätig sein könne, wäre eine weitere Belastung des Antragstellers unbillig.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567, 569 ZPO statthafte und auch im übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, ist begründet. Die Antragsgegnerin hat gegen den Antragsteller einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt jedenfalls in der beantragten Höhe. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist vorliegend statt eines Ausschlusses des Anspruchs gemäß § 1578b Abs. 2 BGB eine Befristung von einem Jahr angezeigt.

Unter Berücksichtigung der vom Familiengericht herangezogenen Einkommensbeträge wäre der von der Antragsgegnerin beantragte Unterhalt der Höhe nach gerechtfertigt, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:

monatliches Einkommen Antragsteller: Arbeitslosengeld 1.109 € sowie aus Abfindung 1.000 € = gesamt 2.109 €

monatliches Einkommen Antragsgegnerin 1.100,00 € ./. (1/7) 157,14 € = 942,86 €

Unterhaltsanspruch: Einkommensdifferenz 1.166,14 € : 2 = Unterhaltsanspruch 583,07 €
beantragt 464 €.

Auch wenn es deshalb nicht auf den mit der sofortigen Beschwerde geltend gemachten Einwand der Antragsgegnerin ankommt, das Familiengericht habe ihren erzielbaren Nettolohn zu hoch angesetzt, erscheint dem Senat in Hinblick auf das weitere Verfahren der Hinweis geboten, daß der vom Familiengericht zugrunde gelegte Stundenlohn von 8 € brutto überhöht sein dürfte. Zwar hat die Antragsgegnerin in der ersten Jahreshälfte 2007 drei Monate lang im Friseursalon H. einen solchen Stundenlohn erzielt; diesen hat sie bei ihren späteren Beschäftigungen indessen nicht mehr verdienen können. Das Familiengericht ist in seinem Beschluß vom 23. April 2007 zunächst selbst von einem erzielbaren Bruttolohn von 5,50 € in der Stunde ausgegangen. Bei der Frage, welchen Stundenlohn die Antragsgegnerin erreichen kann, ist zudem zu berücksichtigen, daß sie seit vielen Jahren nicht mehr durchgehend Vollzeit gearbeitet hat. Ausweislich der Tarifauskunft der Hans-Böckler-Stiftung wird als »Unterste Tarifvergütungen« für Bremen ein Bruttolohn von 6,57 € veranschlagt. Nach alledem erscheint dem Senat ein Bruttolohn von 7 € in der Stunde als sachgerecht; das ergäbe bei Steuerklasse I einen Nettolohn von rund 896 €, so daß unter Hinzuziehung von Trinkgeldern ein Gesamtnettolohn von 1.000 € in Betracht zu ziehen wäre.

Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist der Aufstockungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gemäß § 1578b Abs. 2 BGB nicht »ausgeschlossen«. Die Norm läßt eine sofortige Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ab Rechtskraft der Scheidung in der Regel nicht zu.

Nach § 1578b Abs. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich unter anderem aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

Schon der Wortlaut der Norm steht einer sofortigen Begrenzung des Anspruchs entgegen, denn eine zeitliche Begrenzung setzt denknotwendig einen begrenzten Zeitraum voraus, in dem Unterhalt geschuldet wäre. Aber auch Sinn und Zweck der durch das Unterhaltsänderungsgesetz eingeführten Norm sprechen gegen eine sofortige Begrenzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs. Zwar beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Unterhaltsrechtsreform, den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wozu nach wie vor der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zählt (vgl. hierzu auch OLG Celle FamRZ 2008, 1956), leichter begrenzen zu können. Dem kann jedoch nicht entnommen werden, daß nunmehr in Fällen der vorliegenden Art, in denen ehebedingte Nachteile nicht ohne weiteres zu erkennen sind, ein Aufstockungsunterhaltsanspruch von vornherein über § 1578b Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein soll. Zu berücksichtigen ist, daß § 1578b BGB als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert ist (BGH FamRZ 2008, 1508, 1510). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dem Unterhaltsberechtigten jedenfalls eine Übergangszeit einzuräumen; sie finde ihren Grund darin, daß der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung Zeit benötige, um sich auf die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen (BGH FamRZ 2008, 1508, 1511).

Gegen die Einräumung einer Übergangsfrist spricht schließlich auch nicht der Umstand, daß der Antragsteller der Antragsgegnerin Trennungsunterhalt zahlt, denn in den Fällen, in denen nachehelicher Unterhalt geschuldet wird, wird in der Regel zuvor auch Trennungsunterhalt gezahlt. Ob eine sofortige Begrenzung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt dann möglich ist, wenn der Scheidung eine lange Trennungsdauer mit korrespondierender Unterhaltsverpflichtung vorausgegangen war (so Borth, Anm. zu BGH FamRZ 2008, 1512), kann hier dahinstehen, da bei der hier gegebenen Trennungszeit von rund 2½ Jahren (noch) nicht von einer langen Trennungsdauer gesprochen werden kann.

Der Senat hält vorliegend unter Beachtung namentlich der vom Familiengericht für einen Ausschluß angeführten Gründe eine Übergangszeit von einem Jahr ab Rechtskraft der Scheidung für notwendig, aber auch ausreichend.

Da die Antragsgegnerin mit ihrem Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts jedenfalls für den Zeitraum von einem Jahr auf hinreichende Aussicht auf Erfolg iSd § 114 ZPO verweisen kann, und ihr damit Prozeßkostenhilfe für den gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 GKG streitwertrelevanten Zeitraum zuzusprechen ist, bedurfte es wegen der Befristung keiner teilweisen Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfeantrages.

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