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OLG Bremen, Beschluß vom 06.08.2009 - 4 UF 19/09 - FD-Platzhalter-rund

OLG Bremen, Beschluß vom 06.08.2009
4 UF 19/09



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts (hier: Ehezeit fast 31 Jahre, Betreuung von zwei Kindern); ehebedingte Nachteile.

BGB §§ 1573, 1578b

Hat ein fast 54 Jahre alter unterhaltsberechtigter Ehegatte, der während der fast 31 Jahre langen Ehezeit zwei aus der Ehe hervorgegangene Kinder betreut hat, ehebedingte Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit erlitten, für den eigenen Unterhalt zu sorgen (hier: keine Möglichkeit mehr, in den vor der Eheschließung in Polen erlernten Beruf der Bankkauffrau zurückzukehren), kann es an den Voraussetzungen für eine Befristung oder Herabsetzung seines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt fehlen.

OLG Bremen, Beschluß vom 6. August 2009 - 4 UF 19/09

Tenor

Der Senat weist die Parteien nach Beratung auf folgendes hin:


Gründe

I. Die Berufung des Antragstellers gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven (152 F 279/08) erscheint nicht begründet.

1. Ein geringerer Anspruch der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) als der erstinstanzlich ermittelte (monatlich 456 €) ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht.

Das Nettoeinkommen des Antragstellers beträgt unstreitig monatlich 2.620,36 €; ihm ist die für das Jahr 2008 angefallene Steuererstattung mit monatlich anteilig 38,11 € hinzuzurechnen. Daß künftig nicht wenigstens mit einer jährlichen Steuererstattung von knapp 460 € zu rechnen ist, hat der Antragsteller nicht plausibel dargelegt, denn zum einen erscheint der Steuererstattungsbetrag für das Jahr 2008 nicht außergewöhnlich hoch, und zum anderen ist unklar, ob und in welchem Umfange dem Antragsteller künftig Fahrtkosten als Werbungskosten entstehen werden, auf denen nach seinem Vortrag die deutlich höhere Steuererstattung für das Jahr 2007 (2.797,83 €) beruhte, die das Amtsgericht zur Grundlage seiner Unterhaltsberechnung gemacht hat. Als unstreitiger Abzugsposten ist der Lebensversicherungsbeitrag von monatlich 68,73 € als zusätzliche Altersvorsorge abzuziehen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß das Girokonto des Antragstellers durch die von ihm zunächst allein beglichenen Restverbindlichkeiten der Parteien nach der Veräußerung des gemeinsamen Hausgrundstücks mit 5.324,30 € ins Soll geraten ist. Dies gilt jedenfalls solange, bis die Parteien sich über den - unstreitig vorzunehmenden - internen Ausgleich der Restverbindlichkeiten geeinigt haben. Es obliegt dem Antragsteller allerdings, die damit verbundenen Zinslasten in einem angemessenen Rahmen zu halten. Es ist gerichtsbekannt, das derzeit für Verbraucherdarlehen in der Größenordnung um 5.000 € vielfach nicht mehr als 7% (und nicht selten weniger) Zinsen zu zahlen sind. Lediglich in dieser Höhe, also in Höhe von monatlich (5.324,30 € : 100 x 7 : 12 =) 31,06 € sind derzeit Zinslasten abzugsfähig, da der Antragsteller das Minus auf seinem Girokonto durch Aufnahme eines entsprechenden Darlehens ausgleichen könnte. Um weitere Positionen ist, nachdem die Hauslasten weggefallen sind, das Einkommen des Antragstellers nicht zu bereinigen.

Weitere Darlehensraten und Beiträge zu Lebensversicherungen hat der Antragsteller - wie bereits das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - weder hinreichend dargelegt noch belegt. Unterhaltszahlungen an den volljährigen Sohn der Parteien sind schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil der Antragsteller weder die Bedürftigkeit des Sohnes dargelegt noch die Höhe der Unterhaltszahlungen und deren Regelmäßigkeit substantiiert vorgetragen und belegt hat. Etwaige Zahlungen auf die Rückforderung für den Sohn der Parteien erbrachter BAföG-Vorauszahlungen in Höhe von 3.643,04 € durch die Senatorin für Bildung und Wissenschaft sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil unklar ist, ob und in welcher Höhe der Antragsteller sie erbringt. Unabhängig davon dürfte es dem Antragsteller obliegen, insofern eine möglichst niedrige Ratenzahlung zu vereinbaren, weshalb fraglich erscheint, ob die von ihm im Schriftsatz vom 20. April 2009 avisierte Ratenhöhe von 300 € unterhaltsrechtlich angemessen ist. Danach ergibt sich ein bereinigtes Einkommen von 2.558,68 €.

Auf seiten der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht zu Recht ein fiktives Einkommen angesetzt. Die Antragsgegnerin trifft die Obliegenheit, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Soweit sie geltend macht, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in dem zuletzt ausgeübten Beruf als Altenpflegehelferin arbeiten zu können, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Unabhängig davon hat sie auch keine konkreten Bemühungen um einen Arbeitsplatz in einem anderen Bereich vorgetragen. Setzt man - wie es das Amtsgericht getan hat - bei der Antragsgegnerin ein fiktives Nettoeinkommen von 860 € an, gegen dessen Höhe aus Sicht des Senats keine Bedenken bestehen, zumal der Antragsteller die Höhe für angemessen hält, ergibt sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 728,01 € (vgl. anliegende Berechnung 1).

Aber auch dann, wenn man zugunsten des Antragstellers davon absähe, seine Steuererstattung einkommenserhöhend zu berücksichtigen, und zudem der Antragsgegnerin fiktive Mieteinnahmen in Höhe von monatlich 228 € - nur in dieser Höhe hat der Antragsteller die Möglichkeit der Erzielung von Mieteinnahmen mit seinem Schriftsatz vom 26. Januar 2009 nebst Anlagen substantiiert dargetan - zurechnete, ergäbe sich noch ein Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 597,67 € (vgl. anliegende Berechnung 2, in der, ebenso wie in der Berechnung 3, die fiktiven Mieteinnahmen in voller Höhe und nicht - wie das jeweilige Erwerbseinkommen der Parteien - mit einem Abschlag von 1/7 eingestellt wurde). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob der Antragsgegnerin fiktiv Mieteinnahmen aus der von ihrer Mutter bewohnten Wohnung in Polen zuzurechnen sind. Es bedarf daher an dieser Stelle auch keines Eingehens auf die sich in diesem Zusammenhang ergebende Frage, ob es gerechtfertigt wäre und von der Antragsgegnerin gefordert werden könnte, nunmehr Mietzahlungen ihrer Mutter zu verlangen, nachdem dies über 20 Jahre lang nicht geschehen ist.

Schließlich ergäbe sich selbst dann, wenn man auf seiten des Antragstellers eine BAföG-Rückzahlung in Höhe eines Betrages von monatlich 300 € berücksichtigte, noch ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 469,10 € (vgl. anliegende Berechnung 3). Berücksichtigt man darüber hinaus von dem Antragsteller aufgrund des begrenzten Realsplittings erzielbare Steuervorteile, ergibt sich ein entsprechend erhöhter Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin, die ausdrücklich ihre Zustimmung zum Realsplitting erklärt hat.

2. Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin ist weder zeitlich zu begrenzen (§ 1587b Abs. 2 S. 1 BGB), noch auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen (§ 1587b Abs. 1 S. 1 BGB). Die Voraussetzungen für eine solche Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs liegen nicht vor. Zutreffend hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung insoweit auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast hingewiesen. Diese trägt für Tatsachen, die zu einer Unterhaltsbeschränkung führen können, der Unterhaltspflichtige. Erst dann, wenn er entsprechende Tatsachen dargetan hat, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände vorzutragen und zu beweisen, die gegen eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs sprechen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB 68. Aufl. § 1578b Rdn. 19 mwN).

Vorliegend fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung des Fehlens ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Möglichkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, durch den Antragsteller. Konkrete Tatsachen, die dafür sprechen könnten, daß und aus welchen Gründen die Nichtausübung des erlernten Berufs der Bankkauffrau zugunsten der Kinderbetreuung und der Übersiedelung in die Bundesrepublik Deutschland ohne nachhaltige negative Auswirkungen auf die Erwerbsmöglichkeiten der Antragsgegnerin nach der Scheidung der Ehe geblieben sein soll, trägt der Antragsteller nicht vor. Im Gegenteil ist nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers, der im Zusammenhang mit der Frage, welches Einkommen der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, ausdrücklich auf deren Ausbildung zur Bankkauffrau hinweist, vom Vorliegen ehebedingter Nachteile der Antragsgegnerin auszugehen, denn entgegen der Auffassung des Antragstellers erscheint eine Rückkehr der fast 54-jährigen Antragsgegnerin in den vorehelich erlernten Beruf der Bankkauffrau aufgrund ihres Alters und der fehlenden Berufspraxis nach jahrzehntelanger, ehebedingter Nichtausübung des erlernten Berufs ausgeschlossen.

Wegen des Vorliegens ehebedingter Nachteile und unter Berücksichtigung der Umstände, daß die Ehe der Parteien fast 31 Jahre lang, also von langer Dauer war (Eheschließung im Jahre 1977, Zustellung des Scheidungsantrages im Jahre 2008), und aus ihr zwei Kinder hervorgegangen sind, die überwiegend von der Antragsgegnerin betreut wurden, kann ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin nicht als unbillig iSd § 1578b Abs. 2 BGB angesehen werden. Dies gilt um so mehr, als der Antragsteller angesichts der Höhe seines Einkommens durch die an die Antragsgegnerin zu erbringenden Unterhaltsleistungen nicht gravierend in seiner Lebensführung eingeschränkt wird.

Aus den vorstehend genannten Gründen scheidet auch eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB aus. Sie kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil davon auszugehen ist, daß die Antragsgegnerin bei Fortführung ihres erlernten Berufs als Bankkauffrau ohne die Eheschließung heute ein Einkommen erzielen würde, dessen Höhe jedenfalls nicht unter der Summe der ihr zurechenbaren fiktiven Einkünfte und des erstinstanzlich ausgeurteilten Unterhalts von 456 € läge. Unabhängig davon fehlt es diesbezüglich an substantiiertem Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Antragstellers.

3. Soweit der Antragsteller sich nunmehr auf eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin wegen von ihm behaupteter falscher Angaben zu den Eigentumsverhältnissen an der von ihrer Mutter bewohnten Wohnung in Polen beruft (§ 1579 Nr. 3 BGB), ist dies nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen, denn unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin Eigentümerin der Wohnung ist oder »nur« ein Genossenschaftsrecht an der Wohnung besitzt, wären ihr möglicherweise fiktive Mieteinnahmen zuzurechnen, die - wie bereits dargelegt - nicht zu einem niedrigeren Unterhaltsanspruch führen würden als dem erstinstanzlich ausgeurteilten.

II. Wie sich aus den Ausführungen zu Ziffer I. dieses Beschlusses ergibt, hat die Anschlußberufung der Antragsgegnerin – zumindest teilweise, möglicherweise sogar in vollem Umfange – Aussicht auf Erfolg.

III. Eine Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag der Antragsgegnerin ist noch nicht möglich, da ihre Bedürftigkeit iSd § 114 S. 1 ZPO derzeit nicht feststellbar ist. Nach den von den Parteien bisher zur Akte gereichten Unterlagen betreffend die von der Mutter der Antragsgegnerin bewohnte Wohnung in Polen ist nicht hinreichend erkennbar, wie das Genossenschaftsrecht der Antragsgegnerin konkret ausgestaltet ist, und welchen Wert es hat, so daß unklar ist, ob es als nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzendes Vermögen anzusehen ist oder nicht. Der Antragsgegnerin wird daher aufgegeben, spätestens zum Termin ergänzende Angaben dazu zu machen und durch geeignete Belege glaubhaft zu machen, welche konkreten Rechte sie an der von ihrer Mutter bewohnten Wohnung in Polen hat, ob (bzw. gegebenenfalls warum nicht) diese veräußerbar oder beleihbar sind, und welchen Verkehrswert sie haben.

IV. Mit Rücksicht auf den Inhalt dieses Beschlusses geht der Senat davon aus, daß es einer persönlichen Teilnahme der Parteien am Termin vom 14. August 2009 nicht bedarf. Die Parteien werden daher hiermit von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden.


Hinweis

Der Antragsteller hat seine Berufung aufgrund dieses Hinweisbeschlusses zurückgenommen.
OLG Bremen, Beschuß vom 06.08.2009
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