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OLG Zweibrücken, Urteil vom 14.03.2008 - 2 UF 197/07 - FD-Platzhalter-rund

OLG Zweibrücken, Urteil vom 14.03.2008
2 UF 197/07



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Befristung des nachehelichen Unterhalts.

BGB §§ 1573, 1578b

Bei einer geschiedenen Ehefrau, die entsprechend der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien ihren Beruf seit annähernd 30 Jahren aufgegeben und aufgrund ihres Alters und der fehlenden Berufserfahrung keine reale Beschäftigungschance für eine angemessene Erwerbstätigkeit mehr hat, ist eine Befristung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt.

OLG Zweibrücken, Urteil vom 14. März 2008 - 2 UF 197/07

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen/Rhein vom 31.08.2007 (5d F 109/07) teilweise geändert und insgesamt neu gefaßt.
In Abänderung des vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken am 03.09.2004 protokollierten Vergleichs (2 UF 4/04) wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte als nachehelichen Unterhalt monatlich 922 € für April bis Juni 2007, 916 € für Juli bis November 2007, 846 € für Dezember 2007 und 767 € ab Januar 2008 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten ab April 2007.

Die Ehe der Parteien ist rechtskräftig geschieden (Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen/Rhein vom 26. November 1999 - 5d F 332/98). Hinsichtlich des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt der Beklagten vereinbarten die Parteien zuletzt in dem vor dem Senat am 3. September 2004 (2 UF 4/04) protokollierten Vergleich eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von monatlich 1.670,41 € (1.090 € Elementarunterhalt und 580,41 € Krankenvorsorgeunterhalt). Aus Anlaß der Verrentung der Beklagten erstrebt der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab April 2007.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Ludwigshafen/Rhein hat der Abänderungsklage teilweise stattgegeben und die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf 1.333,41 € (721,50 € Elementarunterhalt und 611,91 € Krankenvorsorgeunterhalt) reduziert. Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und zur Urteilsbegründung wird Bezug genommen auf die angefochtene Entscheidung.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren auf völligen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung weiter. Er rügt die Berechnung des Familiengerichts als fehlerhaft und teilweise nicht nachvollziehbar; zudem habe das Familiengericht verkannt, daß die Renteneinkünfte der Beklagten bedarfsdeckend anzurechnen seien, soweit sie auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs beruhen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze, insbesondere Berufungsbegründung und Berufungserwiderung nebst den zu den Akten gereichten Anlagen.

Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei. In der Sache führt sie zu einer weiteren Reduzierung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten für die Zeit ab April 2007. Deren Wegfall ist dagegen nicht gerechtfertigt.

Der Kläger kann mit Rücksicht auf die eingetretenen Änderungen der dem abzuändernden Vergleich zugrunde gelegten Tatsachen Anpassung seiner Unterhaltsverpflichtung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB verlangen. Im Rahmen dieser Anpassung ist zunächst zu berücksichtigen, daß die bei Vergleichsschluß einkommenslose Beklagte seit April 2007 Altersrente bezieht. Sie verfügt damit über Einkünfte, aus denen sie die Aufwendungen für ihre Krankenvorsorge tragen kann. Ein Krankenvorsorgeunterhaltsanspruch gemäß § 1578 Abs. 2 BGB besteht somit nicht mehr.

Das Renteneinkommen der Beklagten ist insgesamt, auch soweit es auf der Durchführung des Versorgungsausgleichs beruht, als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend bereits bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigen (vgl. Grundsatzentscheidung BGH FamRZ 2002, 88; bestätigt FamRZ 2005, 1897, 1899).

Bei der Ermittlung des der Bemessung des Ehegattenunterhalts zugrunde zu legenden Einkommens des Klägers sind in Fortschreibung der Grundlagen des abzuändernden Vergleichs die Veränderungen seines Gehalts (durch zwischenzeitliche Gehaltserhöhungen einerseits sowie Wegfall der Familienzuschläge für die Tochter ab Dezember 2006 und den Sohn ab Dezember 2007 und die Veränderungen im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber den beiden Kindern andererseits) zu berücksichtigen. Für die Ermittlung des nicht durch eigene Einkünfte gedeckten Unterhaltsbedarfs der Beklagten ist - auch ab Januar 2008 - der vom Kläger (allein) geschuldete und gezahlte Kindesunterhalt für die beiden volljährigen Kinder vom Einkommen des Klägers vorweg abzuziehen. Ein Vorwegabzug ist auch im abzuändernden Vergleich erfolgt; er ist insoweit fortzuschreiben.

Die gesetzliche Änderung der Rangfolgenregelung des § 1609 BGB durch das zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsänderungsgesetz gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Abgesehen davon, daß auch nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Regelung die Unterhaltsansprüche der Beklagten gegenüber denjenigen der volljährigen Kinder vorrangig waren (§ 1609 Abs. 2 BGB a.F.), kommt der neuen Rangfolgenregelung nur insoweit Bedeutung zu, als die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs mehrerer Unterhaltsberechtigter mit unterschiedlichen Rängen nicht ausreicht. Im Rahmen der Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist dagegen der Unterhaltsbedarf der beiden volljährigen Kinder bis zur Beendigung deren Ausbildung vorweg abzuziehen. Die zur Deckung des Lebensbedarfs der Kinder erforderlichen Mittel hätten auch bei Fortbestand der Ehe der Parteien zur Deckung des Bedarfs der Eltern nicht zur Verfügung gestanden.

1. Die Beklagte bezieht seit April 2007 gesetzliche Altersrente und Betriebsrente. Die Rentenleistungen (einschließlich der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung) beliefen sich in der Zeit von April bis Juni 2007 auf (1.382,90 € + 25,84 € =) 1.408,74 € monatlich. Seit Juli 2007 werden monatlich (1.394,21 € + 26,10 € =) 1.420,31 € gezahlt. Für ihre private Kranken- und Pflegeversicherung (einschließlich anteiliger Selbstbeteiligung) hatte die Beklagte im Jahre 2007 monatlich 660,69 € zu zahlen; ab Januar 2008 verringerten sich die Beiträge auf monatlich 657,81 €. Es verbleibt ein bereinigtes monatliches Renteneinkommen der Beklagten von rund 748 € für April bis Juni 2007, 760 € für Juli bis Dezember 2007 und 762 € ab Januar 2008.

2. Auf seiten des Klägers ist der Unterhaltsbemessung ein Jahresbruttogehalt von 64.018,48 € für 2007 (01 - 06/2007: monatlich 4.914,37 € + 105,28 € + 90,05 € + 4,17% + 6,65 € = 5.329,42 €, 07 - 11/2007: monatlich 4.914,37 € + 105,28 € + 90,05 € + 4,17% + 0,5% Erhöhung + 6,65 € = 5.356,04 €, 12/2007: 4.914,37 € + 105,28 € + 4,17% + 0,5% + 6,65 € = 5.261,76 €) und 63.141,12 € ab Januar 2008 (monatlich 5.261,76 €, wie in 12/07) zugrunde zu legen.

a) Zu bereinigen ist dieses Einkommen zunächst um Einkommen- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag. Dabei ist entsprechend dem abzuändernden Vergleich das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung der steuerlich absetzbaren konkreten Werbungskosten und Sonderausgaben einschließlich des Realsplittingvorteils aus dem geschuldeten Unterhalt zu ermitteln. Die Werbungskosten belaufen sich nach dem letzten Steuerbescheid (für 2006) auf 6.636 €, die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben (Versicherungskosten) sind mit dem Höchstbetrag von 2.001 € anzusetzen. Der erzielbare Realsplittingvorteil gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt im Jahre 2007 bei ([3 x 1.670,41 €] + [3 x 922 €] + [5 x 916 €] + 846 € =) 13.203,23 € und ab 2008 bei (12 x 767 € =) 9.204 €.

Für 2007 ist mithin von einem um insgesamt 21.840,23 € geringeren, für 2008 von einem um 17.841 € geringeren zu versteuernden Einkommen auszugehen: Aus einem zu versteuernden Einkommen von (64.018,48 € ./. 21.840,23 € =) rund 42.178 € im Jahre 2007 sind nach dem Grundtarif 10.027 € Einkommensteuer und unter Berücksichtigung des für 2007 noch gegebenen Kinderfreibetrages für den Sohn (2.904 €) 716,80 € Kirchensteuer und 492,80 € Solidaritätszuschlag, insgesamt 11.236,60 €, zu zahlen. Aus einem zu versteuernden Einkommen von (63.141,12 € ./. 17.841 € =) rund 45.300 € sind im Jahre 2008 nach dem Grundtarif 11.219 € Einkommensteuer zuzüglich 8% Kirchensteuer zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag, insgesamt 12.733,56 €, zu zahlen. Für 2007 ergibt sich mithin ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ([64.018,48 € ./. 11.236,60 €] : 12 =) 4.398,49 €, und für 2008 ein solches von ([63.141,12 € ./. 12.733,56 €] : 12 =) 4.200,64 €.

b) Das Erwerbseinkommen des Klägers ist in Fortschreibung des abzuändernden Unterhaltsvergleichs weiter zu bereinigen um berufsbedingte Aufwendungen 549,64 €, Aufwendungen zum Ausgleich der der Beklagten infolge der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings entstehenden Steuernachteile in der unstreitigen Höhe von 7,83 €, Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers von monatlich 268,06 € bis 12/2007 und 268,63 € ab 01/2008, Zuzahlung des Klägers zur Beihilfe monatlich 13 € sowie Kostendämpfungspauschale monatlich 21,67 €, die Unterhaltszahlungen für die beiden volljährigen Kinder monatlich 769,76 € bis 12/2007 und monatlich 744,86 € ab 01/2008 und für F. monatlich 533,70 € bis 11/2007 und monatlich 687,70 € ab 12/2007 sowie das Anreizzehntel.

Es verbleibt ein bereinigtes Erwerbseinkommen des Klägers von
(4.398,49 € ./. 549,64 € ./. 7,83 € ./. 268,06 € ./. 13 € ./. 21,67 € ./. 769,76 € ./. 533,70 € =) 2.234,83 € ./. 1/10 = 2.011,35 € in 04 - 11/2007
(4.398,49 € ./. 549,64 € ./. 7,83 € ./. 268,06 € ./. 13 € ./. 21,67 € ./. 769,76 € ./. 687,70 € =) 2.080,83 € ./. 1/10 = 1.872,75 € in 12/2007, und
(4.200,64 € ./. 549,64 € ./. 7,83 € ./. 268,63 € ./. 13 € ./. 21,67 € ./. 744,86 € ./. 687,70 € =) 1.907,31 € ./. 1/10 = 1.716,58 € ab 01/2008.

c) Hinzuzurechnen sind in Fortschreibung des abzuändernden Unterhaltsvergleichs erzielbare Erträge aus Kapitalvermögen von monatlich 579,41 € netto.

Danach errechnet sich ein bereinigtes Gesamteinkommen des Klägers von rund 2.591 € in 04 - 11/2007, 2.452 € in 12/2007 und 2.296 € ab 01/2008.

3. Ausgehend von den beiderseitigen bereinigten Einkünften verbleibt für die Zeit ab April 2007 ein nicht durch eigene Einkünfte gedeckter Unterhaltsbedarf der Beklagten von ([2.591 € ./. 748 €] : 2 =) 922 € in 04 - 06/2007, ([2.591 € ./. 760 €] : 2 =) 916 € in 07 - 11/2007, ([2.452 € ./. 760 €] : 2 =) 846 € in 12/2007 und ([2.296 € ./. 762 €] : 2 =) 767 € ab 01/2008.

4. Zur Deckung dieses verbleibenden Bedarfs der Beklagten ist der Kläger uneingeschränkt leistungsfähig. Der ihm im Verhältnis zur Beklagten zu belassene Selbstbehalt von 1.000 € ist gewahrt.

5. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist nicht nach § 1578b BGB zu begrenzen und/oder zeitlich zu befristen. Es bestehen durch die Ehe (dauerhafte) Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Die Beklagte hat entsprechend der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien ihren erlernten und bis dahin ausgeübten Beruf einer Dipl.-Sozialarbeiterin nach Geburt der Tochter im November 1979 aufgegeben und war in der Folgezeit nicht mehr erwerbstätig. Sie hat mithin seither - mit Ausnahme der Kindererziehungszeiten - keine eigenen Versorgungsanwartschaften mehr erworben. Für die Ehezeit iSd § 1587 Abs. 2 BGB (1. Dezember 1978 bis zum 31. Oktober 1998) wurde dem durch den Versorgungsausgleich Rechnung getragen.

Für die Folgezeit ist der Nachteil wieder zum Tragen gekommen. Nach dem im Ehescheidungsverfahren vor dem Senat protokollierten Unterhaltsvergleich vom 21. Juni 2000 (2 UF 4/00) hatte die Beklagte aufgrund ihres Alters und der fehlenden Berufserfahrung keine reale Beschäftigungschance für eine angemessene Erwerbstätigkeit und damit ab Rechtskraft der Ehescheidung einen Unterhaltsanspruch gemäß § 1573 Abs. 1 BGB. Altersvorsorgeunterhalt wurde ihr nicht zuerkannt. Sie konnte daher keine weiteren Versorgungsanwartschaften erwerben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf ([721,50 € + 611,91 € =] 1.333,41 € x 12 =) 16.000,92 € festgesetzt.

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