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OLG Dresden, Beschluß vom 04.07.2008 - 20 WF 574/08  - FD-Platzhalter-rund

OLG Dresden, Beschluß vom 04.07.2008
20 WF 574/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Anpassung einer zeitlich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.04.2006 (FamRZ 2006, 1006) getroffenen Unterhaltsregelung an das neue Unterhaltsrecht im Wege der Abänderungsklage; Berücksichtigung der erweiterten Möglichkeiten einer Unterhaltsbefristung bereits vor dem 01.01.2008.

BGB § 1578b; ZPO § 323; EGZPO § 36

Ein unterhaltsrechtliches Abänderungsbegehren, mit dem eine nachträgliche Befristung von zunächst unbefristet tituliertem nachehelichem Ehegattenunterhalt verlangt wird, ist trotz § 36 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EGZPO grundsätzlich unzulässig, wenn der ursprüngliche Titel nach der maßgeblichen Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 12. April 2006 - FamRZ 2006, 1006) errichtet worden ist, so daß die seither ersichtlichen erweiterten Möglichkeiten einer Unterhaltsbefristung bereits hätten berücksichtigt werden können.

OLG Dresden, Beschluß vom 4. Juli 2008 - 20 WF 574/08

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 16.06.2008 wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Weißwasser vom 26.05.2008 (2 F 103/08) abgeändert.
Dem Kläger wird über den angefochtenen Beschluß hinaus rückwirkend ab Antragstellung ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin E., W., bewilligt, soweit er beantragt, den von ihm der Beklagten nach dem Vergleich vom 18.07.2006 geschuldeten nachehelichen Unterhalt auf den 31.12.2008 zu befristen.
2. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I. In dem oben genannten Prozeßvergleich hatte der Kläger sich nach rund 26-jähriger Ehe verpflichtet, der Beklagten unbefristet nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 455 € zu zahlen. Mit dem hier zu beurteilenden Abänderungsbegehren macht er eine Reduzierung des monatlichen Zahlbetrages und eine Befristung seiner Unterhaltsverpflichtung auf den 31. Dezember 2008 geltend.

Der angefochtene Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Weißwasser ist dem Herabsetzungsverlangen teilweise gefolgt, indem er Prozeßkostenhilfe für eine Abänderung des geschuldeten Unterhaltsbetrages auf monatlich 382 € ab 1. Januar 2008 gewährt hat; das greift die Beschwerde nicht an. Sie wendet sich jedoch gegen die Ablehnung des weitergehenden Prozeßkostenhilfeantrages (wegen der Befristung) und verfolgt dieses Begehren im Beschwerdeverfahren weiter.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Zwar spricht viel dafür, daß das Familiengericht im Ergebnis mit seiner Auffassung Recht behalten wird, daß die Abänderungsklage in der Frage der Befristung letztlich ohne Erfolg bleiben werde. Das hängt aber von der Entscheidung einer Rechtsfrage ab, zu der obergerichtliche Rechtsprechung derzeit noch nicht vorliegt. Der Senat erachtet es daher nicht für angemessen, diese Frage bereits auf der Ebene des Prozeßkostenhilferechts abschließend zu behandeln, weil auch hilfsbedürftigen Beteiligten in einer solchen Konstellation der Zugang zum Hauptsacheverfahren und zur Herbeiführung einer rechtsmittel- und rechtskraftfähigen Sachentscheidung offen stehen muß.

2. Das Familiengericht hat gemeint, die nachträgliche Befristung eines nachehelichen Unterhalts sei unzulässig, wenn die Gründe, die jetzt zu ihrer Rechtfertigung angeführt werden, bereits im ursprünglichen Unterhaltsstreit eingetreten oder zuverlässig vorauszusehen waren, und demgemäß schon bei der früheren Titulierung zu berücksichtigen gewesen wären.

Das ist grundsätzlich richtig (vgl. etwa BGH FamRZ 2007, 793, 799); allerdings ist das Unterhaltsrecht zum 1. Januar 2008 geändert worden, und das hierzu erlassene Übergangsrecht - § 36 EGZPO - bestimmt, daß Umstände, die vor diesem Tage entstanden und (erst) durch die Rechtsänderung erheblich geworden sind, die Abänderung eines früheren Unterhaltstitels rechtfertigen können, »soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist« (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 EGZPO). Für ein solches Abänderungsverlangen würden dann auch nicht die sonst maßgeblichen Schranken des § 323 Abs. 2 ZPO gelten (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 EGZPO).

3. Dennoch ist zweifelhaft, ob diese auch von der Beschwerdebegründung verfochtene Argumentation dem Kläger letztlich zu einer nachträglichen Befristung der unbefristet eingegangenen Unterhaltsverpflichtung wird verhelfen können, denn es ist durchaus fraglich, ob die Umstände, auf die der Kläger sich in diesem Zusammenhang beruft, tatsächlich erst infolge des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen Unterhaltsrechts erheblich geworden sind. Im Kern war es nämlich - darauf hat auch das Familiengericht zu Recht hingewiesen - bereits die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006), die in Abkehr von älterer Rechtsprechung zu einer beträchtlichen Erweiterung der Möglichkeiten geführt hatte, nachehelichen Unterhalt zu beschränken und zeitlich zu begrenzen; die Zusammenfassung dieser Möglichkeiten in dem seit 1. Januar 2008 geltenden neuen Recht (§ 1578b BGB) geht darüber zumindest für den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und den Aufstockungsunterhalt nicht wesentlich hinaus (Dose, FamRZ 2007, 1289, 1295 f; ebenso Palandt/Brudermüller, BGB Nachtrag zur 67. Aufl. [2008] § 36 EGZPO Rdn. 15).

Ergibt sich indes - was der Senat grundsätzlich für richtig hält - der für das Klagebegehren entscheidende Präklusionsstichtag bereits aus der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Frühjahr 2006, so wird die spätere Befristung einer danach vergleichsweise eingegangenen Unterhaltsverpflichtung nicht ohne weiteres möglich sein. Da eine obergerichtliche Klärung dieser Rechtsfrage bisher jedoch aussteht, hält der Senat es dennoch für geboten, dem Kläger nach Maßgabe des Beschwerdeantrages Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Daß er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, zu den Verfahrenskosten beizutragen, hat das Familiengericht nicht in Zweifel gezogen.

4. Sollte vor diesem Hintergrund das Hauptsacheverfahren durchgeführt werden und darin eine Abwägung zu etwa fortdauernden ehebedingten Nachteilen der Beklagten stattfinden, läge nach derzeitigem Sachstand aus Sicht des Senats eine Befristung des Unterhalts auf Ende 2008 gleichwohl fern. Es ist nicht ersichtlich, daß dies angesichts der Ehedauer und der Tatsache, daß die Beklagte seit 1991 - offenbar mit Billigung des Klägers - keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen ist, sich um zwei damals minderjährige Kinder gekümmert und sich mit dem Vergleichsabschluß vom Sommer 2006 dann auf eine unbefristete Unterhaltszahlung eingestellt hat, den schutzwürdigen Belangen der Beklagten gerecht werden könnte.

Der Rechtsprechung des Senats würde es hier eher entsprechen, sich für den Fall einer Prüfung, ob der Streit der Parteien gütlich beigelegt werden kann, auf eine Befristungsregelung zu verständigen, die den Kläger zu Unterhaltszahlungen bis zum Beginn der Altersrente der jetzt 58 Jahre alten Beklagten verpflichtet. Der weitergehenden Bewilligung von Prozeßkostenhilfe steht dieser Gesichtspunkt nicht entgegen, weil eine über den 31. Dezember 2008 hinausgeschobene Befristung sich kostenmäßig nicht auswirkt.

5. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kommt nicht in Betracht (vgl. Zöller/Philippi, ZPO 26. Aufl. § 114 Rdn. 3 mwN). Die mit der Beschwerdebegründung zitierte, vermeintlich abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung betrifft (nur) das Verfahren der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof gemäß § 574 ZPO, besagt also für die sofortige Beschwerde nach § 127 ZPO nichts.

Eine Kostenentscheidung für dieses Beschwerdeverfahren ist nicht veranlaßt, weil darin angesichts des Erfolgs der Beschwerde Gerichtsgebühren nicht erhoben und außergerichtliche Kosten gemäß § 127 Abs. 4 ZPO ohnehin nicht erstattet werden.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.


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