Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Kammergerichts [2008]
[Stand: 01.01.2008]
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht.
Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.
1. Geldeinnahmen
1.1 Regelmäßiges Bruttoeinkommen einschließlich Renten und Pensionen
Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte.
1.2 Unregelmäßige Einkommen
Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts-und Urlaubsgeld, Tantiemen, Jubiläumszuwendungen), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Abfindungen dienen dem Ersatz des fortgefallenen Arbeitsverdienstes. Sie sind deshalb in angemessenem Umfang, in der Regel mit dem Differenzbetrag zwischen dem bisherigen Arbeitsverdienst und den tatsächlichen Einkünften (Arbeitslosengeld, neue Erwerbseinkünfte) in Ansatz zu bringen, bis sie verbraucht sind.
1.3 Überstunden
Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.
1.4 Spesen und Auslösungen
Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen (außer Kilometergeld) kann 1/3 als Einkommen angesetzt werden.
1.5 Einkommen aus selbständiger Tätigkeit
Bei Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn der letzten drei Jahre zugrunde zu legen.
1.6 Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen
Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuß der Bruttoeinkünfte über die Werbungskosten. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.
1.7 Steuererstattungen
Steuerrückzahlungen werden in der Regel auf das Jahr der Leistung umgelegt und mit den Nettobeträgen angerechnet. Eine Fortschreibung für die Zukunft setzt voraus, daß mit ihnen weiter zu rechnen ist.
1.8 Sonstige Einnahmen
Zu den Erwerbseinkünften gehören auch in vollem Umfang Trinkgelder, deren Höhe gegebenenfalls nach den Umständen zu schätzen ist.
2. Sozialleistungen
2.1 Einkommensersatzleistungen
Sozialleistungen mit Einkommensersatzfunktion (z.B. Entgeltersatzleistungen im Sinne von § 116 SGB III, Krankengeld, Krankenhaustagegeld, Mutterschaftsgeld) sind Einkommen.
2.2 Leistungen nach dem SGB II
Beim Verpflichteten sind Leistungen nach §§ 19 bis 32 SGB II Einkommen.
Beim Berechtigten sind Leistungen nach § 24 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sowie grundsätzlich Leistungen nach § 16 Abs. 3 und § 29 SGB II, soweit diese Zahlungen nicht durch einen tatsächlich vorhandenen Mehraufwand verbraucht werden. Die übrigen Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich kein Einkommen, es sei denn, der Anspruch kann nach § 33 Abs. 2 SGB II nicht übergehen oder die Nichtberücksichtigung der Leistung ist treuwidrig. Letzteres kommt in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der übergegangene Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann (§ 33 Abs. 3 SGB II).
2.3 Wohngeld
Wohngeld gleicht in der Regel erhöhten Wohnbedarf aus und ist deshalb nicht als Einkommen zu behandeln.
2.4 BAföG
BAföG-Leistungen sind, soweit nicht ihretwegen der Unterhaltsanspruch übergegangen ist, als Einkommen anzusehen, Darlehen jedoch nur, wenn sie unverzinslich gewährt werden.
2.5 Erziehungsgeld/Elterngeld
Erziehungsgeld stellt nur in den Ausnahmefällen des § 9 S. 2 BErzGG Einkommen dar, Elterngeld nach Maßgabe des § 11 BEEG.
2.6/2.7 Unfall- und Versorgungsrenten, Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld u.ä.
Unfall-und Versorgungsrenten, Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen stellen nach Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen Einkommen dar; §§ 1578a, 1610a BGB sind zu beachten.
2.8 Pflegegeld
Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden, stellt Einkommen dar. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.
2.9 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz
Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz sind im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen Verwandten Einkommen, nicht aber im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen Ehegatten (vgl. §§ 41 bis 43 SGB XII.)
2.10/2.11 Sozialhilfe und Unterhaltsvorschuß
Kein Einkommen sind sonstige Sozialhilfe nach SGB XII und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH FamRZ 1999, 843; 2001, 619).
3. Kindergeld
Kindergeld wird nicht zum Einkommen gerechnet (vgl. Nr. 14.).
4. Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.
5. Wohnwert
Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.
Während der Trennungszeit ist der Vorteil mietfreien Wohnens nur in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt; dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müßte Ein Wohnvorteil liegt vor, soweit dieser Wohnwert die Belastungen übersteigt, die durch allgemeine Grundstückskosten und -lasten, Zins- und Tilgungsleistungen und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, entstehen.
Nach der Scheidung ist der objektive Mietwert maßgeblich. Bei einem selbstgenutzten Eigenheim ist auf die unterhaltsrechtlich angemessene Miete abzustellen; es besteht aber eine Obliegenheit zur wirtschaftlichen Nutzung des Eigentums. Bei den gegenzurechnenden Kosten finden Kredittilgungsleistungen in der Regel keine Berücksichtigung.
6. Haushaltsführung
Führt jemand einem leistungsfähigen Dritten den Haushalt, so ist hierfür ein Einkommen anzusetzen; bei Haushaltsführung durch einen Nichterwerbstätigen geschieht das in der Regel mit einem Betrag von 200 bis 550 €.
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) Dritter sind als Einkommen anzusehen, wenn dies ihrer Zielrichtung entspricht.
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Inwieweit aufgrund einer Erwerbsobliegenheit erzielbare Einkünfte als Einkommen gelten, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dies gilt auch für erzielbare Einkünfte aus Nutzung von Vermögen.
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Steuern und Vorsorgeaufwendungen
10.1.1 Steuern
Vom Bruttoeinkommen sind die tatsächlichen Steuern abzuziehen. Den Unterhaltsschuldner trifft eine Obliegenheit zur Geltendmachung des Realsplittings; dies jedoch nur insoweit, als er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig feststeht, oder soweit er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt
10.1.2 Vorsorgeaufwendungen
Zu den abzuziehenden Vorsorgeaufwendungen zählen die Aufwendungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung und/oder die entsprechende private Kranken- und Altersvorsorge. Soweit tatsächlich darüber hinaus Aufwendungen zur Altersvorsorge erbracht werden, sind diese in Höhe eines Betrages von 4% (bei Unterhaltspflicht gegenüber Eltern von 5%) des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres als angemessene zusätzliche Altersversorgung auch bei einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
10.2 Berufsbedingte Aufwendungen
Berufsbedingte Kosten (Werbungskosten) sind abzusetzen.
10.2.1 Pauschale/Konkrete Aufwendungen
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit sind berufsbedingte Aufwendungen vom Einkommen abzuziehen, wobei ohne Nachweis eine Pauschale von 5% - mindestens 50 €, bei geringfügiger Teilzeitarbeit auch weniger, und höchstens 150 € monatlich - des Nettoeinkommens geschätzt werden kann.
Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen diese Pauschale, so sind sie im einzelnen darzulegeen. Bei beshränkter Leistungsfähigkeit kann im Einzelfall mit konkreten Kosten gerechnet werden.
10.2.2 Fahrtkosten
Bei Unzumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel können notwendige Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs nach den Sätzen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 JEVG angesetzt werden. Damit sind in der Regel Anschaffungskosten erfaßt. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 30 km einfach) kann nach unten abgewichen werden.
10.2.3 Ausbildungsaufwand
Minderjährigen Kindern entstehender Ausbildungsaufwand ist auf Nachweis zu berücksichtigen.
10.3 Kinderbetreuung
Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist.
10.4 Schulden
Berücksichtigungswürdige Schulden (Zins und Tilgung) sind im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes in angemessenen Raten abzuziehen.
Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen.
Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit/Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles. Bei der Zumutbarkeitsabwägung sind Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mit zu berücksichtigen. Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit gegenüber minderjährigen und diesen gleichgestellten Kindern kommt die Obliegenheit, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten in Betracht.
10.5 Unterhaltsleistungen
Bei der Prüfung, ob Unterhaltsleistungen vorweg abzuziehen sind (vgl. Nr. 15.2), ist zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden.
10.6 Vermögensbildung
Vermögensbildende Aufwendungen sind im angemessenen Rahmen abzugsfähig.
10.7 Krankheitsbedingte Mehraufwendungen
Krankheitsbedingte Mehraufwendungen sind abzusetzen. Als Schätzungsmaßstab für Mehraufwendungen medizinisch indizierter Diäten können die Mehrbedarfsbeträge nach § 30 Abs. 5 SGB XII herangezogen werden.
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage
Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (vgl. Anhang I).
11.1 Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträge
Die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle gehen davon aus, daß das Kind ohne zusätzliche Aufwendungen krankenversichert ist. Besteht für das Kind eine freiwillige Krankenversicherung, so sind die hierfür erforderlichen Beträge vom Unterhaltsverpflichteten zusätzlich zu zahlen, zur Ermittlung des Tabellenunterhalts jedoch vom Einkommen des Pflichtigen abzusetzen.
11.2 Eingruppierung
Die Sätze der Düsseldorfer Tabelle sind auf den Fall zugeschnitten, daß der Unterhaltspflichtige drei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere/höhere Gruppe angemessen.
12. Minderjährige Kinder
12.1 Betreuungs-/Barunterhalt
Der Elternteil, der in seinem Haushalt ein minderjähriges Kind versorgt, braucht für dieses neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten, weil der Betreuungsunterhalt im Sinne von § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB wertmäßig dem vollen Barunterhalt entspricht.
Etwas anderes kann sich ergeben, wenn sein Einkommen bedeutend höher als das des anderen Elternteils ist. In diesem Fall kann der Barunterhalt des anderen Elternteils angemessen gekürzt werden.
12.2 Einkommen des Kindes
Eigenes Einkommen des Kindes mindert grundsätzlich seinen Anspruch und wird bei beiden Eltern hälftig angerechnet.
12.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil
Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB für den Gesamtbedarf (vgl. Nr. 13.3). Der Verteilungsschlüssel kann unter Berücksichtigung des Betreuungsaufwands wertend verändert werden.
12.4 Zusatzbedarf
Bei Zusatzbedarf (Prozeßkostenvorschuß, Mehrbedarf, Sonderbedarf) gilt die beiderseitige Barunterhaltspflicht nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB (vgl. Nr. 13.3).
13. Volljährige Kinder
13.1 Bedarf
13.1.1 Kinder im Haushalt eines Elternteils
Der Bedarf volljähriger unverheirateter Kinder ist, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zu entnehmen. Die maßgebende Einkommensgruppe ergibt sich, wenn beide Eltern leistungsfähig sind, aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern ohne Erhöhung nach Nr. 11.2. Die Haftungsquote bemißt sich grundsätzlich nach Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Nr. 11.2 – nach seinem Einkommen ergibt.
13.1.2 Andere volljährige Kinder
Der Regelbedarf - einschließlich des Wohnbedarfs und üblicher berufs- bzw. ausbildungsbedingter Aufwendungen - eines nicht unter Nr. 13.1.1 fallenden Kindes beträgt 640 € monatlich. In diesem Betrag sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Studiengebühren nicht enthalten.
Dieser Regelbedarf kann in geeigneten Fällen, insbesondere bei guten Einkommensverhältnissen der Eltern, angemessen erhöht werden. Eine solche Erhöhung kommt unter besonderer Berücksichtigung des Einzelfalles in Betracht, wenn das gemeinsame Nettoeinkommen der Eltern 4.800 € monatlich übersteigt.
13.2 Einkommen des Kindes
Einkünfte des Kindes sind auf seinen Bedarf anzurechnen. Die Ausbildungsvergütung eines volljährigen Kindes ist auf den Bedarf voll anzurechnen, weil der Bedarf nach Nr. 13.1.2. die ausbildungsbedingten Aufwendungen umfaßt.
13.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil
Die Haftungsquote von Eltern, die beide für ein Kind barunterhaltspflichtig sind, bemißt sich nach dem Verhältnis ihrer anrechenbaren Einkünfte abzüglich des jeweiligen Eigenbedarfs gemäß Nr. 21.2 bzw. 21.3.1 und abzüglich der Unterhaltsleistungen und tatsächlichen Aufwendungen für vorrangig Berechtigte.
14. Verrechnung des Kindergeldes
Kindergeld wird nach §1612b BGB auf den Bedarf des Kindes angerechnet.
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Bedarf nach ehelichen Lebensverhältnissen
Der Bedarf des Ehegatten richtet sich nach den Einkommens-und Vermögensverhältnissen, die die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig geprägt haben. Maßgebend ist hiernach der Lebensstandard, den die Ehegatten bei diesem Einkommen und Vermögen hatten.
Die ehelichen Lebensverhältnisse werden grundsätzlich durch die Einkünfte und geldwerten Vorteile geprägt, die den Ehegatten vor der Trennung unter Berücksichtigung des Bedarfs unterhaltsberechtigter Kinder für ihren eigenen Unterhalt zur Verfügung standen. Sie entwickeln sich jedoch bis zur Scheidung mit den beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen weiter, soweit diese sich als Fortschreibung der ehelichen Lebensverhältnisse darstellen.
Veränderungen während der Trennung beeinflussen die danach ermittelten Lebensverhältnisse dann nicht mehr, wenn sie auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung beruhen.
Einkommensverbesserungen nach der Scheidung sind nur dann zu berücksichtigen, wenn ihr Grund vor der Scheidung gelegt worden ist und mit ihnen im Zeitpunkt der Scheidung zu rechnen war. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen als prägend.
Einkommensminderungen nach der Scheidung sind grundsätzlich zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf einer freiwilligen Disposition oder einer Verletzung einer Erwerbsobliegenheit beruhen (vgl. BGH FamRZ 2006,683).
15.2 Halbteilung und Erwerbstätigenbonus
Für den Bedarf ist maßgebend, daß Ehegatten während des Zusammenlebens gleichen Anteil an dem Lebensstandard haben. Diesem Grundsatz widerspricht es nicht, zugunsten des erwerbstätigen Ehegatten von einer strikt hälftigen Teilung in maßvoller Weise abzuweichen, um einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu erhalten.
Der Bedarf beträgt daher grundsätzlich die Hälfte der den ehelichen Lebensverhältnissen zuzurechnenden Einkünfte und geldwerten Vorteile. Soweit die Einkünfte aus Erwerbseinkommen herrühren, ist dem erwerbstätigen Ehegatten ein pauschalierter Betrag dieses Einkommens als Anreiz zu belassen. Dieser beträgt 1/7 seines bereinigten Erwerbseinkommens.
Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind, so wird sein Erwerbseinkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um den diesem entsprechenden Unterhalt (Zahlbetrag) bereinigt.
15.3 Konkrete Bedarfsbemessung
Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht.
15.4 Vorsorgebedarf / Zusatz- und Sonderbedarf
Werden Altervorsorge-, Kranken- und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese von dem Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen.
16. Bedürftigkeit
Eigene Einkünfte des Berechtigten sind auf den Bedarf anzurechnen, wobei das bereinigte Nettoerwerbseinkommen um den Erwerbstätigenbonus zu vermindern ist.
Inwieweit der Vermögensstamm zur Deckung des laufenden Unterhalts einzusetzen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 bei Kindesbetreuung
Betreut ein Ehegatte ein minderjähriges Kind, so kann von ihm bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden.
Danach bestimmt sich seine Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit nach den Umständen des Einzelfalles. In dem Maße, in dem eine den Belangen des Kindes gerechtwerdende Betreuungsmöglichkeit besteht, kann von dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit erwartet werden. Ein abrupter übergangsloser Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit ist hierbei nicht gefordert. Im Interesse des Kindeswohls ist auch ein abgestufter, an den Kriterien des Gesetzes orientierter Übergang möglich.
Darüber hinaus beurteilt sich die Obliegenheit auch unter Berücksichtigung der Gestaltung der Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe.
17.2 bei Trennungsunterhalt
Inwieweit in der Trennungszeit eine Erwerbsobliegenheit besteht, richtet sich nach allen Umständen des Einzelfalles.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche aus § 1615l BGB
Der Bedarf nach § 1615l BGB bemißt sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er beträgt mindestens 770 €, bei voller Erwerbstätigkeit 900 €. Ist die Mutter verheiratet oder geschieden, ergibt sich ihr Bedarf aus den ehelichen Lebensverhältnissen.
19. Elternunterhalt
Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII zu berücksichtigen (vgl. Nr. 2.9).
20. Lebenspartnerschaft
Unterhaltsansprüche nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) sind nicht Gegenstand der Leitlinien.
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
21.1 Grundsatz
Der Eigenbedarf (Selbstbehalt) ist dem Unterhaltspflichtigen zu belassen. Es ist zu unterscheiden zwischen dem notwendigen (§ 1603 Abs. 2 BGB), dem angemessenen (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem eheangemessenen (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB) Selbstbehalt (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB, BGH FamRZ 2006, 683).
21.2 Notwendiger Selbstbehalt
Der notwendige Selbstbehalt gilt in allen Fällen der Inanspruchnahme als unterste Grenze. Für Eltern gegenüber minderjährigen Kindern und volljährigen, unverheirateten Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, gilt im allgemeinen der notwendige Selbstbehalt. Er beträgt beim
- Erwerbstätigen 900 €
- Nichterwerbstätigen 770 €.
Im übrigen gilt der angemessene Selbstbehalt.
21.3.1 gegenüber volljährigen Kindern
Er beträgt gegenüber volljährigen, nicht nach § 1603 Abs. 2 BGB privilegierten Kindern 1.100 €,
21.3.2 gegenüber Ansprüchen aus § 1615l BGB
Gegenüber Anspruchsberechtigten nach § 1615l BGB ist der Selbstbehalt in der Regel mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt des Volljährigen nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt. Er beträgt in der Regel 1.000 €.
21.3.3 Elternunterhalt und Enkelunterhalt
Gegenüber Eltern und Enkeln beträgt er mindestens 1.400 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleiben kann, wenn dies der Angemessenheit entspricht.
21.4 Eheangemessener Selbstbehalt
Gegenüber getrennt lebenden und geschiedenen Ehegatten beträgt der angemessene Eigenbedarf im Regelfall 1.000 €.
21.5 unbesetzt
22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten
22.1 Gegenüber nicht unter § 1603 Abs. 2 BGB fallenden Kindern und nachrangigen (geschiedenen) Ehegatten
Ist bei Unterhaltsansprüchen volljähriger nicht privilegierter Kinder oder nachrangiger (geschiedener) Ehegatten der Unterhaltspflichtige verheiratet, werden für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten mindestens 800 € angesetzt.
22.2 unbesetzt
22.3 Elternunterhalt / Enkelunterhalt
Ist bei Unterhaltsansprüchen der Eltern das unterhaltspflichtige Kind oder bei Unterhaltsansprüchen von Enkeln der unterhaltspflichtige Großelternteil verheiratet, wird für den mit ihm zusammenlebenden Ehegatten der eheangemessene Bedarf, mindestens 1.050 €, angesetzt.
23. Mangelfall
23.1 Grundsatz
Reicht der Betrag, der zur Erfüllung mehrerer Unterhaltsansprüche zur Verfügung steht (Verteilungsmasse), nicht aus, um den Unterhaltsbedarf aller Unterhaltsberechtigten zu decken, so ist der den entsprechenden Selbstbehalt nach Nr. 21. übersteigende Betrag auf die Berechtigten unter Beachtung der Rangverhältnisse zu verteilen.
23.2 Einsatzbeträge
Hierbei sind als Einsatzbeträge die Unterhaltsansprüche einzustellen, die sich ohne Berücksichtigung des Selbstbehalts ergäben.
23.2.1 Minderjährige und ihnen gleichgestellte Kinder
Für minderjährige und ihnen gleichgestellte Kinder der sich aus der Unterhaltstabelle abzüglich des zu berücksichtigenden Kindergeldes ergebende Betrag (Zahlbetrag).
23.2.2 unbesetzt
|
Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen (Anm. 3, 4) |
Altersstufen in Jahren (§ 1612a Abs. 1 BGB) |
Prozent- satz |
Bedarfs- kontroll- betrag (Anm. 6) |
|||
|
|
0-5 |
6-11 |
12-17 |
ab 18 |
|
|
1. |
bis 1.500 € |
279 € |
322 € |
365 € |
408 € |
100 |
770/900 |
2. |
1.501 - 1.900 € |
293 € |
339 € |
384 € |
429 € |
105 |
1.000 |
3. |
1.901 - 2.300 € |
307 € |
355 € |
402 € |
449 € |
110 |
1.100 |
4. |
2.301 - 2.700 € |
321 € |
371 € |
420 € |
470 € |
115 |
1.200 |
5. |
2.701 - 3.100 € |
335 € |
387 € |
438 € |
490 € |
120 |
1.300 |
6. |
3.101 - 3.500 € |
358 € |
413 € |
468 € |
523 € |
128 |
1.400 |
7. |
3.501 - 3.900 € |
380 € |
438 € |
497 € |
555 € |
136 |
1.500 |
8. |
3.901 - 4.300 € |
402 € |
464 € |
526 € |
588 € |
144 |
1.600 |
9. |
4.301 - 4.700 € |
425 € |
490 € |
555 € |
621 € |
152 |
1.700 |
10. |
4.701 - 5.100 € |
447 € |
516 € |
584 € |
653 € |
160 |
1.800 |
|
ab 5.101 € |
nach den Umständen des Falles |
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge.
Für das 1. bis 3. Kind beträgt das Kindergeld derzeit 154 €, ab dem 4. Kind 179 €.
1. bis 3. Kind |
0 – 5 |
6 – 11 |
12 - 17 |
ab 18 |
% |
|
1. |
bis 1.500 |
202 € |
245 € |
288 € |
254 € |
100 |
2. |
1.501 - 1.900 |
216 € |
262 € |
307 € |
275 € |
105 |
3. |
1.901 - 2.300 |
230 € |
278 € |
325 € |
295 € |
110 |
4. |
2.301 - 2.700 |
244 € |
294 € |
343 € |
316 € |
115 |
5. |
2.701 - 3.100 |
258 € |
310 € |
361 € |
336 € |
120 |
6. |
3.101 - 3.500 |
281 € |
336 € |
391 € |
369 € |
128 |
7. |
3.501 - 3.900 |
303 € |
361 € |
420 € |
401 € |
136 |
8. |
3.901 - 4.300 |
325 € |
387 € |
449 € |
434 € |
144 |
9. |
4.301 - 4.700 |
348 € |
413 € |
478 € |
467 € |
152 |
10. |
4.701 - 5.100 |
370 € |
439 € |
507 € |
499 € |
160 |
Ab 4. Kind |
0 – 5 |
6 – 11 |
12 - 17 |
ab 18 |
% |
|
1. |
bis 1.500 |
189,50 € |
232,50 € |
275,50 € |
229 € |
100 |
2. |
1.501 - 1.900 |
203,50 € |
249,50 € |
294,50 € |
250 € |
105 |
3. |
1.901 - 2.300 |
217,50 € |
265,50 € |
312,50 € |
270 € |
110 |
4. |
2.301 - 2.700 |
231,50 € |
281,50 € |
330,50 € |
291 € |
115 |
5. |
2.701 - 3.100 |
245,50 € |
297,50 € |
348,50 € |
311 € |
120 |
6. |
3.101 - 3.500 |
268,50 € |
323,50 € |
378,50 € |
344 € |
128 |
7. |
3.501 - 3.900 |
290,50 € |
348,50 € |
407,50 € |
376 € |
136 |
8. |
3.901 - 4.300 |
312,50 € |
374,50 € |
436,50 € |
409 € |
144 |
9. |
4.301 - 4.700 |
335,50 € |
400,50 € |
465,50 € |
442 € |
152 |
10. |
4.701 - 5.100 |
357,50 € |
426,50 € |
494,50 € |
474 € |
160 |
Bedarfssätze
I. Regelbedarf eines volljährigen Kindes, das nicht im Haushalt eines Elternteils lebt (Nr. 13.1.2)
640 €
II. Mindestbedarf eines aus § 1615l BGB Berechtigten und anderer Unterhaltsbedürftiger, die nicht Kinder oder (geschiedene) Ehegatten sind (Nr. 18.)
a) des erwerbstätigen Unterhaltsberechtigten 900 €
b) des nichterwerbstätigen Unterhaltsberechtigten 770 €
Selbstbehaltssätze
III. Monatlicher Selbstbehalt gegenüber minderjährigen und ihnen gleichgestellten (§ 1603 Abs. 2 BGB) Kindern (Nr. 21.2)
a) des erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten 900 €
b) des nichterwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten 770 €
IV. Monatlicher Selbstbehalt gegenüber anderen Kindern (Nr. 21.3.1) 1.100 €
V. Monatlicher Selbstbehalt gegenüber Ansprüchen nach § 1615l BGB (Nr. 21.3.2.) 1.000 €
VI. Monatlicher Selbstbehalt gegenüber Verwandten aufsteigender Linie und Enkeln mindestens (gegebenenfalls zuzüglich die Hälfte des dieses Einkommen übersteigenden Betrages, Nr. 21.3.3) 1.400 €
VII. Monatlicher Selbstbehalt gegenüber dem getrennt lebenden und dem geschiedenen Ehegatten (Nr. 21.4) 1.000 €
VIII. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten (Nr. 22.)
1. Gegenüber nicht unter § 1603 Abs. 2 BGB fallenden Kindern und nachrangigen (geschiedenen) Ehegatten mindestens 800 €,
2. Gegenüber Eltern/Enkelunterhalt mindestens 1.050 €.
UnterhaltsleitlinienKammergericht2008.pdf (90,94 kb)
Hinweis zur Berliner Tabelle ab dem Jahre 2008
In Abstimmung mit der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages wird mitgeteilt:
Für Unterhaltsansprüche ab 01.01.2008 ist die im Jahre 1991 für den Beitrittsteil des Landes Berlin konzipierte und zuletzt zum 01.07.2007 geänderte »Berliner Tabelle als Vortabelle zur Düsseldorfer Tabelle« nicht mehr anzuwenden. Es gilt nunmehr in ganz Deutschland die Düsseldorfer Tabelle (Stand: 01.01.2008) in Verbindung mit den Unterhaltsleitlinien des jeweiligen Oberlandesgerichts, denn durch das ab 01.01.2008 geltende Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts entfällt für die Unterhaltshöhe die bislang übliche Differenzierung nach dem Wohnsitz des Kindes im alten oder im neuen Bundesgebiet, so daß für die in den neuen Bundesländern oder in den östlichen Bezirken von Berlin lebenden Kinder keine Sonderregelungen mehr zu beachten sind (siehe BT-Drucksache 16/1830 S. 14, 27; BT-Drucksache 16/6980 S. 23).
Hinsichtlich der bis zum 31.12.2007 für die im Beitrittsgebiet wohnenden Kinder zu errechnenden Unterhaltsrückstände kommt der Berliner Tabelle aber nach wie vor Bedeutung zu.
Berlin, den 07.12.2007