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Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen [2005] - FD-Platzhalter-kantig

Unterhaltsrechtliche Leitlinien der Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen [2005]





[Stand: 01.07.2005]

Die Familiensenate des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen verwenden die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien als Orientierungshilfe für den Regelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Sie beruhen auf für typische Sachverhalte geltenden Erfahrungswerten und sollen zu einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung beitragen. Sie haben jedoch keine bindende Wirkung, können insbesondere die Prüfung des Einzelfalles nicht ersetzen.

Das Tabellenwerk der Düsseldorfer Tabelle ist angefügt. Die Erläuterungen werden durch die nachfolgenden Leitlinien ersetzt.



Unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen

Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets zu unterscheiden, ob es um Verwandten- oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder Feststellung der Bedürftigkeit/Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit dem steuerrechtlichen Einkommen.

1. Geldeinnahmen

1.1. Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller Einkünfte einschließlich Renten, Pensionen, Zulagen, Weihnachts-und Urlaubsgeld, Prämien und Tantiemen.

1.2. Soweit Leistungen nicht monatlich anfallen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld), werden sie auf ein Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen (z.B. Abfindungen) sind auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen.

1.3. Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das im jeweiligen Beruf übliche Maß nicht überschreiten.

Darüber hinausgehende Einnahmen aus Überstunden oder Zusatzarbeit sind aufgrund der Umstände des Einzelfalles (z.B. hohe Schuldenbelastung, Sicherung des Mindestbedarfs) nach Billigkeit anzurechnen.

1.4. Ersatz für Spesen und Reisekosten sowie Auslösungen gelten in der Regel als Einnahmen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnisse, sind jedoch abzuziehen. Bei Aufwendungspauschalen kann in der Regel 1/3 als Einkommen angesetzt werden.

1.5. Bei der Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist in der Regel der Gewinn von drei Jahren zugrunde zu legen.

Privatentnahmen haben Indizcharakter für die Feststellung der für den Lebensunterhalt tatsächlich verfügbaren Mittel.

1.6. Bei Einkommen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Überschuß der Bruttoeinkünfte über die anerkennungswürdigen Werbungskosten maßgebend. Für Gebäude ist keine AfA anzusetzen.

1.7. Steuererstattungen und –zahlungen sind in der Regel im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistung zu berücksichtigen. Eine Fortschreibung für Folgejahre setzt voraus, daß die Bemessungsgrundlagen im Wesentlichen unverändert bleiben.

1.8. Sonstige Einnahmen, z.B. Trinkgelder

2. Sozialleistungen

2.1. Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III) und Krankengeld

2.2. Arbeitslosengeld II (nach dem SGB II) beim Verpflichteten. Beim Berechtigten sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff SGB II kein Einkommen, es sei denn die Nichtberücksichtigung der Leistungen ist in Ausnahmefällen treuwidrig (vgl. BGH FamRZ 1999, 843; 2001, 619); nicht subsidiäre Leistungen nach dem SGB II sind Einkommen.

2.3. Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.

2.4. BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen nach §§ 36, 37 BAföG.

2.5. Erziehungsgeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 S. 2 BErzGG.

2.6. Renten wegen Minderung oder Verlust der Erwerbsfähigkeit (§ 43 SGB VI, § 56 SGB VII).

2.7. Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen, jeweils nach Abzug des Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.

2.8. Der Anteil des an die Pflegeperson weitergeleiteten Pflegegeldes, durch den ihre Bemühungen abgegolten werden; bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 SGB XI.

2.9. Leistungen nach §§ 41 bis 43 SGB XII (Grundsicherung) in der Regel beim Verwandtenunterhalt (anders beim Ehegattenunterhalt).

2.10. Kein Einkommen ist sonstige Sozialhilfe nach SGB XII. Die Unterhaltsforderung eines Empfängers dieser Leistungen kann in Ausnahmefällen treuwidrig sein (BGH FamRZ 1999, 843; 2001, 619).

2.11. Kein Einkommen sind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz. Siehe Nr. 2.10.

3. Kindergeld

Kindergeld wird nicht als Einkommen angerechnet.

4. Geldwerte Zuwendungen

Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers, z.B. Firmenwagen, kostenlose oder verbilligte Wohnung, unentgeltliche Verpflegung, sind Einkommen, soweit sie – gegebenenfalls nach § 287 ZPO zu schätzende - entsprechende Eigenaufwendungen ersparen.

5. Wohnwert

Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens wie Einkommen zu behandeln. Neben dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.

Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche Instandsetzungskosten und die verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, übersteigt.

Auszugehen ist von der vollen Marktmiete. Ist eine Fremdvermietung oder Veräußerung nicht möglich oder nicht zumutbar, kann statt dessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Dies kommt insbesondere für die Zeit bis zum Ablauf des Trennungsjahres, vielfach bis zur Scheidung in Betracht, wenn ein Ehegatte das Eigenheim allein bewohnt.

6. Haushaltsführung

Führt ein nicht voll Erwerbstätiger den Haushalt eines leistungsfähigen Dritten, kann hierfür ein Entgelt (von je nach den Umständen zwischen 200 € und 550 €) anzusetzen sein.

7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit

Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

8. Freiwillige Zuwendungen Dritter

Freiwillige Zuwendungen Dritter (z.B. Geldleistungen, kostenloses Wohnen) sind in der Regel nur dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn dies dem Willen des Dritten entspricht.

9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion

9.1. Einkommen sind auch aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare Einkünfte. Gegenüber minderjährigen und diesen gleichgestellten volljährigen Kindern ist die Obliegenheit nach Maßgabe des § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert.

9.2. Bei Arbeitslosigkeit sind über eine Meldung bei der Agentur für Arbeit hinausgehende Erwerbsbemühungen im Einzelnen darzulegen und zu belegen. Der Hinweis auf die Arbeitsmarktlage macht den Nachweis von Bemühungen nur im Ausnahmefall entbehrlich. Bei unzureichenden Bemühungen können fiktive Einkünfte nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung von Beruf, Alter und des zuletzt erzielten Verdienstes zugrunde gelegt werden.

9.3. Neben dem Bezug von Leistungen der Agentur für Arbeit kann die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung (§ 141 SGB III) in Betracht kommen.

9.4. Dem wiederverheirateten Elternteil obliegt es ungeachtet seiner Pflichten aus der neuen Ehe, im Rahmen des Zumutbaren zum Unterhalt seiner barunterhaltspflichtigen Kinder aus früherer Ehe beizutragen, gegebenenfalls durch Aufnahme einer Teilzeitarbeit.

10. Bereinigung des Einkommens

10.1. Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben (Beiträge für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) und sonstige angemessene Vorsorgeaufwendungen und Kammerbeiträge abzusetzen (Nettoeinkommen).

Es besteht die Obliegenheit, Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.

10.2. Berufsbedingte Aufwendungen sind im Rahmen der Angemessenheit vom Einkommen abzuziehen.

10.2.1. Die Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen setzt eine konkrete Darlegung des Aufwands voraus.

10.2.2. Für notwendige Kosten der berufsbedingten Nutzung eines Kraftfahrzeugs kann pro gefahrenen Kilometer ein Betrag entsprechend den Sätzen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG angesetzt werden (derzeit 0,30 €). Damit sind in der Regel Anschaffungskosten einschließlich Finanzierungskosten erfaßt. Bei langen Fahrtstrecken (ab ca. 60 km hin und zurück) kann nach unten abgewichen werden (für jeden Mehrkilometer in der Regel Ansatz von 0,20 €).

10.2.3. Bei Auszubildenden ist ein ausbildungsbedingter Aufwand konkret darzulegen und gegebenenfalls nach § 287 ZPO zu schätzen.

10.3. Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Außerdem kann ein Betreuungsbonus zu berücksichtigen sein.

10.4. Schulden (Zins und Tilgung) sind bei tatsächlicher Zahlung im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes mit angemessenen Raten zu berücksichtigen. Es ist zu differenzieren:

10.4.1. Beim Ehegattenunterhalt sind für die Bedarfsbemessung nur Schulden berücksichtigungsfähig, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.

Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen können zusätzlich solche Schulden berücksichtigt werden, deren Eingehung notwendig und unabweisbar war. Das Gleiche gilt für die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten mit eigenem Einkommen.

10.4.2. Beim Unterhalt minderjähriger und gleichgestellter volljähriger - privilegierter - Kinder (§ 1603 Abs. 2 S. 2 BGB) können für die Einordnung in die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigungswürdige Schulden vom Einkommen abgesetzt werden. Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (z.B. Zweck der Verbindlichkeit, Zeitpunkt und Art der Entstehung, Dringlichkeit des Bedürfnisses, Möglichkeit der Schuldenreduzierung).

10.4.3. Bei sonstigem Verwandtenunterhalt, insbesondere dem nicht privilegierter volljähriger Kinder, sind Schulden nach einer Interessenabwägung gegebenenfalls abzusetzen.

10.5. Bei der Prüfung, ob Unterhaltsleistungen vorweg abzuziehen sind, ist zwischen Bedarfsermittlung und Leistungsfähigkeit zu unterscheiden.

10.6. Vermögensbildende Aufwendungen können in angemessenem Rahmen abzugsfähig sein.



Kindesunterhalt

11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)

Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anlage 1).

Bei minderjährigen Kindern kann er als Festbetrag oder als Vomhundertsatz des Regelbetrages geltend gemacht werden.

11.1. Die Tabellensätze enthalten keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung des Kindes. Solche zusätzlich aufzubringenden Beiträge sind vorweg vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen.

11.2. Die Unterhaltssätze sind auf den Fall zugeschnitten, daß der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen.

Zur Eingruppierung sind die Bedarfskontrollbeträge heranzuziehen, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung auch des Ehegattenunterhalts unterschritten werden.

12. Minderjährige Kinder

12.1. Die Höhe des Barbedarfs bemißt sich im Regelfall allein nach dem Einkommen des das Kind nicht betreuenden Elternteils. Der Betreuungsunterhalt im Sinne des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB entspricht wertmäßig in der Regel dem vollen Barunterhalt.

12.2. Eigenes Einkommen des Kindes ist anteilig auf den Barunterhalt und den Betreuungsunterhalt zu verrechnen.

12.3. Der betreuende Elternteil braucht neben dem anderen Elternteil in der Regel keinen Barunterhalt zu leisten (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB), es sei denn, sein Einkommen übersteigt das des anderen Elternteils erheblich, oder der eigene angemessene Unterhalt des sonst allein barunterhaltspflichtigen Elternteils ist gefährdet und der des anderen nicht (§ 1603 Abs. 2 S. 3 BGB).

Sind bei auswärtiger Unterbringung beide Elternteile zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie für den Gesamtbedarf anteilig (§ 1606 Abs. 3 S.1 BGB), und zwar nach dem Verhältnis ihrer den notwendigen Selbstbehalt übersteigenden Einkommen.

12.4. Die Tabellensätze berücksichtigen keinen Mehrbedarf oder Sonderbedarf; dafür gilt § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB.

13. Volljährige Kinder

13.1. Beim Bedarf volljähriger Kinder ist zwischen Kindern mit einem eigenen Haushalt und im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Kindern zu unterscheiden.

13.1.1. Für im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnende volljährige Kinder gilt die Altersstufe 4 der Düsseldorfer Tabelle. Sind beide Elternteile leistungsfähig (vgl. Nr. 21.3.1.), ist der Bedarf des Kindes in der Regel nach dem zusammengerechneten Einkommen (ohne Zu- und Abschläge nach Nr. 11.2.) zu bemessen. Für die Haftungsquote gilt Nr. 13.3. Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich aus seinem Einkommen nach der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

13.1.2. Der angemessene Bedarf eines volljährigen Kindes mit eigenem Hausstand beträgt in der Regel monatlich 640 € (darin sind Kosten für Unterkunft und Heizung von bis zu 270 € enthalten). Bei außergewöhnlich guten Einkommensverhältnissen der Eltern oder bei erhöhtem Bedarf kann hiervon abgewichen werden. Im Betrag sind keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung enthalten.

13.2. Auf den Unterhaltsbedarf werden Einkünfte des Kindes, auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen – vermindert um ausbildungsbedingte Aufwendungen, vgl. Nr. 10.2.3. – angerechnet. Einkünfte aus nicht geschuldeter Erwerbstätigkeit können nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

13.3. Ab Volljährigkeit besteht – auch für privilegierte volljährige Kinder - grundsätzlich eine Barunterhaltspflicht beider Elternteile.

Zur Ermittlung des Haftungsanteils bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gemäß Nr. 10 zu ermitteln und vom Restbetrag ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts von 1.100 € abzuziehen. Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden.

Bei volljährigen privilegierten Kindern wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (770 €/890 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf des Kindes andernfalls nicht gedeckt werden kann; § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB ist zu beachten.

14. Verrechnung des Kindergeldes

Das Kindergeld wird nach § 1612b BGB ausgeglichen. Zur Verrechnung des Kindergeldes bei minderjährigen Kindern nach § 1612b Abs. 5 BGB s. Verrechnungstabelle Anhang 2.



Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1. Der Unterhaltsbedarf wird bestimmt und begrenzt durch die ehelichen Lebensverhältnisse. Diese werden in erster Linie durch das für den gesamten Lebensunterhalt – gegebenenfalls nach Abzug des Tabellenunterhalts für minderjährige oder des Bedarfs für volljährige Kinder - verfügbare Einkommen geprägt. Zur Vermögensbildung verwendete Teile des Einkommens bleiben bei der Bedarfsbemessung in der Regel unberücksichtigt. Bei Aufnahme oder Erweiterung einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten nach Trennung/Scheidung gilt das (Mehr-)Einkommen in der Regel als eheprägend (BGH FamRZ 2001, 986).

15.2. Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, Erwerbseinkünfte werden jedoch nur zu 6/7 berücksichtigt (Abzug von 1/7 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen).

Leistet ein Ehegatte auch Unterhalt für ein Kind, und hat dies die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, so wird sein Einkommen vor Ermittlung des Erwerbstätigenbonus um diesen Unterhalt (Tabellenbetrag) bereinigt. Erbringt der Verpflichtete sowohl Bar- als auch Betreuungsunterhalt, so gilt Nr. 10.3. (BGH, FamRZ 2001, 350).

15.3. Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Verpflichteten ist der Bedarf konkret zu berechnen.

15.4. Werden Altersvorsorgeunterhalt (zu berechnen nach der »Bremer Tabelle«), Kranken-und Pflegeversicherungskosten vom Berechtigten gesondert geltend gemacht oder vom Verpflichteten bezahlt, sind diese vom Einkommen des Pflichtigen vorweg abzuziehen. Der Vorwegabzug unterbleibt, sofern nicht verteilte Mittel zur Verfügung stehen, z.B. in Folge der Anrechnung nicht prägenden Einkommens des Berechtigten.

Vorsorgeunterhalt kann nur beansprucht werden, wenn der Elementarunterhalt sichergestellt ist.

15.5. Trennungsbedingter Mehrbedarf kann zusätzlich berücksichtigt werden, wenn nicht prägendes Einkommen auf den Bedarf angerechnet wird.

16. Bedürftigkeit

Nicht eheprägendes Einkommen des Berechtigten ist – gegebenenfalls vermindert um den Erwerbstätigenbonus – auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.

17. Erwerbsobliegenheit

Bei nachehelichem Unterhalt besteht dann keine Verpflichtung zu einer Erwerbstätigkeit, wenn und soweit der geschiedene Ehegatte durch Kindesbetreuung, Krankheit oder Alter an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

17.1. Ob die Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit neben der Betreuung minderjähriger Kinder zumutbar ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Alters und der Zahl der Kinder, des Umfangs einer vor Trennung ausgeübten Erwerbstätigkeit und der Möglichkeiten der Kinderbetreuung, zu beurteilen.

Bei Betreuung minderjähriger Kinder besteht in der Regel eine Erwerbsobliegenheit des berechtigt betreuenden Ehegatten erst, wenn das jüngste Kind in die dritte Grundschulklasse kommt. Ab Beginn der dritten Grundschulklasse bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres des jüngsten Kindes besteht in der Regel eine Obliegenheit zur teilweisen, danach zur vollen Erwerbstätigkeit.

17.2. Im ersten Jahr nach der Trennung besteht für den Berechtigten in der Regel keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Tätigkeit.



Weitere Unterhaltsansprüche

18. Ansprüche nach § 1615l BGB

Der Bedarf nach § 1615l BGB bemißt sich nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils und beträgt mindestens 770 €, bei Erwerbstätigkeit 890 €. Vgl. im übrigen BGH FamRZ 2005, 442. Wegen des Selbstbehalts vgl. Nr. 21.3.2.

19. Elternunterhalt

Der Bedarf ist konkret dazulegen. Leistungen nach §§ 41 bis 43 SGB XII (Grundsicherung) sind anzurechnen (vgl. Nr. 2.9.). Wegen des Selbstbehalts vgl. Nr. 21.3.3.

20. Lebenspartnerschaft

Bei Getrenntleben oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.



Leistungsfähigkeit und Mangelfall

21. Selbstbehalt des Verpflichteten

21.1. Dem Unterhaltspflichtigen muß nach Abzug der Unterhaltsansprüche von seinem Einkommen der sog. Selbstbehalt verbleiben.

21.2. Für Eltern gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern gilt im Allgemeinen der notwendige Selbstbehalt als unterste Grenze. Er beträgt

  • bei nicht Erwerbstätigen 770 €,
  • bei Erwerbstätigen 890 €.
Hierin sind Kosten des Wohnbedarfs ( Warmmiete, d.h. Miete einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung ) in Höhe von 360 € enthalten.

21.3. Beim Verwandtenunterhalt gilt im Übrigen der angemessene Selbstbehalt.

21.3.1. Er beträgt gegenüber volljährigen Kindern und Enkeln 1.100 €. Darin sind Kosten des Wohnbedarfs in Höhe von 450 € enthalten.

21.3.2. Gegenüber der Mutter/dem Vater nichtehelicher Kinder beträgt er in der Regel 1.000 €. Vgl. im Übrigen BGH FamRZ 2005, 354.

21.3.3. Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt mindestens 1.400 €, wobei die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden Einkommens zusätzlich anrechnungsfrei bleibt. Hierin sind Kosten des Wohnbedarfs in Höhe von 450 € enthalten.

21.4. Der Selbstbehalt gegenüber getrennt lebenden Ehegatten entspricht dem gegenüber minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern (nicht Erwerbstätige: 770 €; Erwerbstätige: 890 €).

Gegenüber geschiedenen Ehegatten richtet sich der Selbstbehalt des Verpflichteten nach den ehelichen Lebensverhältnissen, wobei der sich daraus ergebende Betrag gegebenenfalls nach Billigkeitsgesichtspunkten zu kürzen ist (§ 1581 BGB). Er ist nicht identisch mit dem angemessenen Selbstbehalt, der gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern gilt. Er entspricht mindestens dem im vorstehenden Absatz genannten notwendigen Selbstbehalt.

21.5. Der Selbstbehalt kann im Einzelfall angemessen abgesenkt oder erhöht werden.

22. Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten

22.1. Bei Unterhaltsansprüchen minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder werden für den in Haushaltsgemeinschaft mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten in der Regel 560 € und, wenn dieser erwerbstätig ist, in der Regel 650 € angesetzt.

22.2. Bei Unterhaltsansprüchen von volljährigen Kindern, Enkeln und bei Ansprüchen nach § 1615l Abs. 1 und 2 BGB werden für den in Hausgemeinschaft mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten in der Regel 800 € angesetzt.

22.3. Bei Unterhaltsansprüchen von Eltern werden für den in Hausgemeinschaft mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten mindestens 1.050 € angesetzt. Im Familienbedarf von 2.450 € (1.400 + 1.050 €) sind Kosten des Wohnbedarfs in Höhe von 800 € enthalten.

23. Mangelfall

23.1. Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs aller erstrangigen Unterhaltsberechtigten und zur Deckung des Selbstbehalts nicht aus, ist der nach Abzug des Eigenbedarfs des Unterhaltsverpflichteten verbleibende Betrag auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge zu verteilen.

23.2. Die Einsatzbeträge belaufen sich

23.2.1. für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder auf die Sätze der Gruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle,

23.2.2. für getrennt lebende und geschiedene Ehegatten auf 770 € bei nicht Erwerbstätigen und auf 890 € bei Erwerbstätigen,

23.2.3. für mit dem Verpflichteten zusammenlebende Ehegatten auf 560 €/650 €, vgl. Nr. 22.1. Vgl. im übrigen zu allem BGH FamRZ 2003, 363 ff.

23.3. Die Ansprüche aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten sind im Verhältnis zur Verteilungsmasse nach der Formel

K = V : S x 100 zu kürzen:

K = prozentuale Kürzung

V = Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten abzüglich Selbstbehalt)

S = Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten

23.4. Für die Kindergeldverrechnung gilt § 1612b BGB.

23.5. Das im Rahmen der Mangelfallberechnung gewonnene Ergebnis ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen.



Sonstiges

24. Rundung

Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.

25. Ost-West-Fälle

Bei sog. Ost-West-Fällen richtet sich der Bedarf des Kindes nach der für seinen Wohnsitz geltenden Unterhaltstabelle, der Selbstbehalt des Pflichtigen nach den an seinem Wohnsitz geltenden Selbstbehaltssätzen.



Anlagen

1. Düsseldorfer Tabelle
2. Kindergeldverrechnungstabelle in Euro (§ 1612b Abs. 5 BGB)
- Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 1. bis 3. Kind von je 77 Euro
- Anrechnung des (hälftigen) Kindergeldes für das 4. und jedes weitere Kind von je 89,50 Euro
3. Selbstbehaltsätze: Tabelle




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