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OLG Stuttgart, Urteil vom 23.12.2008 - 17 UF 180/08 - FD-Platzhalter-rund

OLG Stuttgart, Urteil vom 23.12.2008
17 UF 180/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Abänderbarkeit eines Prozeßvergleichs nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts; Erwerbsobliegenheit nach langer beruflicher Abstinenz mit Verlust ehemals erworbener beruflicher Qualifikationen und der Möglichkeit der Verweisung (auch) auf Berufe minderer Qualifikation; Bedarfsdeckung aus Zinserträgen und Risiko der Nachforderung der Staatskasse aus ratenfreier Bewilligung von Prozeßkostenhilfe; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts bei ehebedingten Nachteilen.

BGB §§ 1573, 1574, 1577, 1578b; EGZPO § 36

1. Zur Abänderbarkeit eines Prozeßvergleichs nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts.
2. Zur Frage der Erwerbsobliegenheit nach langer beruflicher Abstinenz mit Verlust ehemals erworbener beruflicher Qualifikationen und der Möglichkeit der Verweisung (auch) auf Berufe minderer Qualifikation.
3. Zur Bedarfsdeckung aus Zinserträgen, wenn mit Nachforderungen der Staatskasse aus der ratenfreien Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gerechnet werden muß.
4. Zur Begrenzung des nachehelichen Unterhalts bei ehebedingten Nachteilen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Dezember 2008 - 17 UF 180/08

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schorndorf vom 13.06.2008 (4 F 74/08) abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Schorndorf in dem Rechtsstreit 4 F 277/07 am 24.07.2007 geschlossene Vergleich wird in Ziffer 1. dahin abgeändert, daß der Kläger der Beklagten monatlich im voraus zum jeweiligen Monatsersten nachehelichen Unterhalt zu zahlen hat in Höhe von 759 € im Zeitraum vom 01.07.2008 bis 31.12.2008, 739 € im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2010, und 253 € ab 01.01.2011. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Herabsetzung nachehelichen Unterhalts für die Beklagte, der derzeit aufgrund eines Prozeßvergleichs vom 24. Juli 2007 in dem Verfahren Amtsgericht Schorndorf (4 F 277/07, im folgenden: »Ausgangsverfahren«) in monatlicher Höhe von 1.100 € tituliert ist, auf einen Betrag von noch höchstens 300 € ab Februar 2008. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - Schorndorf den nachehelichen Unterhalt ab Juli 2008 auf 889 € herabgesetzt, im übrigen jedoch die Klage abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Ziel weiter, erweitert um den Antrag, die Unterhaltsverpflichtung zu befristen. Die Beklagte verteidigt das Urteil. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
In rechtlicher Hinsicht stellte das Amtsgericht folgende Erwägungen an:

Die Beklagte habe ihren Unterhaltsanspruch nicht verwirkt. Allerdings treffe sie nach den Vorschriften des neuen Unterhaltsrechts im Grundsatz die Obliegenheit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit. Zur Erlangung einer Vollzeitstelle müsse ihr eine Übergangszeit von einem halben Jahr zugebilligt werden. Bis einschließlich Juni 2008 könne deshalb im konkreten Fall aus der Fortführung ihrer bisherigen Teilzeittätigkeit kein Verstoß gegen ihre Erwerbsobliegenheit hergeleitet werden. Unter Zugrundelegung ihrer tatsächlich erzielten Einkünfte errechne sich für diesen Zeitraum ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Beklagten von 1.073 €. Dieser Betrag liege jedoch nur so geringfügig unter dem bislang titulierten Unterhaltsbetrag von 1.100 €, daß die Wesentlichkeitsgrenze des § 323 Abs. 1 ZPO für eine Abänderung nicht erreicht sei.

Für die Zeit ab 1. Juli 2008 sei der Beklagten eine vollschichtige Tätigkeit zuzumuten. Ihre bisherigen Bemühungen um einen Vollzeitarbeitsplatz seien nicht ausreichend gewesen; sie müsse sich deshalb fiktiv so behandeln lassen, als wäre sie in ihrer derzeitigen Arbeitsstelle vollschichtig erwerbstätig. Danach ergebe sich ein - fiktives - Monatsbruttoeinkommen von 1.374 €, das sich nach Bereinigung um Steuern und Sozialversicherung, berufsbedingte Aufwendungen von pauschal 5% und Absetzung eines Erwerbstätigenbonus von 10% zu einem Nettoeinkommen von 835,76 € errechne. Hieraus ergebe sich unter Berücksichtigung des bereinigten Monatsnettoeinkommens des Klägers von 4.872,32 € und den Steuervorteilen aus Realsplitting ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 889 €.

Ob der Kläger mit seinem Befristungsbegehren präkludiert sei oder nicht, könne dahinstehen, da auch nach Maßgabe des seit 1. Januar 2008 geltenden Rechts eine Befristung nicht in Betracht komme. Insoweit sei der Argumentation der Beklagten zu folgen.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen im wesentlichen: Zu Unrecht habe das Amtsgericht der Beklagten eine Übergangsfrist von einem halben Jahr zur Erlangung einer Vollzeitstelle zugebilligt. Daß die Beklagte bislang keine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, liege nicht an einem Mangel geeigneter Vollzeitstellen, sondern an der ablehnenden Haltung der Beklagten, die sich nicht ausreichend um Arbeit bemühe. In ihrem erlernten qualifizierten Beruf, in dem sie Nettoeinkünfte zwischen 2.000 € und 2.500 € erzielen könnte, habe sich die Beklagte seit der Ehescheidung nicht beworben; allerdings habe sie als kreative Goldschmiedin, die selbst Goldschmuck entwerfe, noch nie gearbeitet. Im übrigen führe die Beklagte selbst zutreffend aus, daß sie als Goldschmiedin bestenfalls 8 € je Stunde verdienen könnte. Weshalb die Beklagte sich im Frühjahr/Sommer 2008 in einem Seminar mit Schwerpunkt Bürokommunikation und kaufmännischen Grundlagen habe fortbilden lasse, sei nicht nachvollziehbar: Diese Fortbildung lasse keine Verbindung zum bisherigen beruflichen Werdegang der Beklagten erkennen und belege nur die Haltung, nicht arbeiten zu wollen. Zu Unrecht habe das Amtsgericht die Unterhaltsverpflichtung nicht befristet. Ehebedingte Nachteile habe die Beklagte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht erlitten. Weil sie schon vor der Ehe ihren erlernten Beruf nicht mehr ausgeübt habe, könne es keinen ehebedingten Nachteil darstellen, daß sie - wie sie behauptet - in diesem Beruf keinen Fuß mehr fassen könne. Schließlich habe das Amtsgericht die Rechtsprechung zur Befristungsmöglichkeit nach altem Unterhaltsrecht mißverstanden. Die vom Bundesgerichtshof hierzu entschiedenen Fälle seien allesamt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Neu trägt der Kläger vor: Die Beklagte könne aus - unstreitig demnächst fälligen - Zahlungen zum Ausgleich des Zugewinns in Höhe von 20.000 € Zinserträge von bis zu 1.500 € p.a. erwirtschaften, mindestens aber monatliche Zinserträge von 100 €, die sie zur Bedarfsdeckung heranziehen könne und müsse. Die Beklagte habe jeden etwaigen Unterhaltsanspruch auch deshalb verwirkt, weil sie sich der Aufgabe, eigenverantwortlich für ihren Unterhalt zu sorgen, nachhaltig nicht stellen wolle.

Der Kläger beantragt: Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Schorndorf vom 13. Juni 2008 (4 F 74/08) wird festgestellt, daß der Berufungskläger nicht mehr verpflichtet ist, aus dem Vergleich des Amtsgerichts/Familiengericht Schorndorf vom 24. Juli 2007 (4 F 277/07) an die Berufungsbeklagte seit Februar 2008 nachehelichen Unterhalt von mehr als 300 € zu bezahlen, und er erweitert sein erstinstanzliches Begehren: Es wird weiter beantragt, den Unterhaltsbetrag nach Ziffer 1. zeitlich zu begrenzen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag, die Berufung zurückzuweisen. In Ergänzung ihres bisherigen Vortrags belegt sie ihre Bemühungen um eine Vollzeitstelle durch weitere Bewerbungsschreiben und trägt neu vor, sie könnte heute in einer leitenden Funktion - etwa in einer Schmuckabteilung eines Kaufhauses - mit einem stattlichen Einkommen arbeiten, wenn sie nicht geheiratet und ihren erlernten Beruf aufgegeben hätte. Die ihr demnächst zufließenden Zahlungen zum Ausgleich des Zugewinns werde sie voraussichtlich zu einem Großteil für die Prozeßführung der vorausgegangenen Gerichtsverfahren (Ehescheidung, Zugewinnausgleich, Geschiedenenunterhalt) aufwenden müssen, da die Staatskasse die bislang bewilligte ratenfreie Prozeßkostenhilfe aller Voraussicht nach ändern werde. Seit 1. Oktober 2008 habe sie eine zusätzliche Aushilfsstelle von wöchentlich 13 Stunden zu je 7,50 €/h inne, bei der sie den Haushalt eines 92-jährigen Rentners versorge; damit sei sie insgesamt wöchentlich 38 Stunden je Woche erwerbstätig, so daß sie ihrer Erwerbsobliegenheit ausreichend nachkomme. Der Kläger habe die Darlehenszahlungen auf die gemeinsame Eigentumswohnung der Parteien in Höhe von monatlich 1.000 € seit Juli 2008 eingestellt (was dieser zwar nicht bestreitet, jedoch behauptet, daß die Beklagte ihre Zustimmung zu einer anstehenden Umschuldung mit deutlich besseren Zinskonditionen verweigere). Was die Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs anlangt, verteidigt die Beklagte das Urteil aus den nach ihrer Auffassung zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Der Antrag des Klägers ist entgegen seiner sprachlichen Fassung nicht als Feststellungs-, sondern als - zulässiger - Abänderungsantrag iSv § 323 Abs. 1 ZPO auszulegen.

3. Der Kläger ist durch Präklusionsvorschriften nicht gehindert, die Abänderung des Prozeßvergleichs vom 24. Juli 2007 zu begehren.

a) In prozessualer Hinsicht bemißt sich die Abänderbarkeit des Prozeßvergleichs nach § 323 Abs. 1 ZPO. Die Vorschriften des § 323 Abs. 2 und 3 ZPO sind nicht entsprechend anzuwenden, da der Schutz der Rechtskraft und des Vertrauens in den Bestand der Entscheidung, dem beide Vorschriften dienen, bei einem Prozeßvergleich nicht in Rede stehen kann (vgl. BGH GSZ NJW 1983, 230 = EzFamR ZPO § 580 Nr. 2 = BGHF 3, 449; BGH NJW 1995, 536 = EzFamR ZPO § 323 Nr. 43; Zöller, ZPO 27. Aufl. § 323 Rdn. 44, 45 mwN).

b) Im übrigen bemißt sich die Abänderbarkeit des Vergleichs allein nach materiell-rechtlichen Kriterien, da der Prozeßvergleich nicht nur Prozeßvertrag mit Prozeßbeendigungswirkung ist, sondern zugleich auch materiell-rechtliches Rechtsgeschäft gemäß § 779 BGB.

aa) Rechtsgeschäftliche Kriterien, die die Abänderbarkeit des Vergleichs definieren könnten, haben die Parteien nicht vereinbart. Umgekehrt ergibt sich aus dem Vergleichstext auch nichts dafür, daß die Parteien die Abänderbarkeit ganz oder teilweise, dauerhaft oder zeitweise ausgeschlossen haben.

bb) Auch ist nicht ersichtlich, daß es sich bei den Abänderungsgründen, die der Kläger geltend macht, um Risiken handelt, die zu tragen er sich einseitig verpflichtet hatte. Zwar war schon bei Abschluß des Prozeßvergleichs - selbst unter Fortgeltung des bis zum 31. Dezember 2007 bestehenden Rechtszustands - absehbar, daß die Beklagte in Bälde keinen Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 BGB mehr würde beanspruchen können, weil die Betreuung beider Kinder aufgrund ihres fortschreitenden Alters eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht mehr hindern würde. Daß die Parteien die absehbare Erweiterung der Erwerbsobliegenheit nicht geregelt haben, läßt jedoch nicht den Schluß zu, der Kläger habe sich damit - äußerstenfalls bis zum Lebensende der Beklagten - verpflichten wollen, seiner geschiedenen Frau stets auf der Grundlage eines nur halbschichtigen Erwerbseinkommens Unterhalt zu leisten. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben konnte die Beklagte das Einverständnis des Klägers zu dem geschlossenen Vergleich auch nicht in diesem Sinne verstehen. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte selbst vortragen läßt, es sei ihr stets klar gewesen, daß sie mit zunehmendem Alter der Kinder zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre.

cc) Der knappe Vertragstext ist deshalb dahin auszulegen, daß die Parteien nur eine Regelung auf der Grundlage der aktuell obwaltenden Umstände getroffen haben, nicht hingegen eine Regelung, die starr auch über die bereits absehbaren Veränderungen der näheren Zukunft hinaus fortgelten sollte.

4. Somit ist die Abänderbarkeit des Vergleichs nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB eröffnet. Danach ist eine Vertragsanpassung vorzunehmen, wenn sich wesentliche Vergleichsgrundlagen geändert haben, die - wenn sie bereits im Vertragswerk berücksichtigt worden wären - zu einer anderen Vertragsgestaltung geführt hätten oder hätten führen müssen, weil sich der andere Vertragsteil redlicherweise hierauf hätte einlassen müssen. Als solche Umstände sind im einzelnen in Betracht zu ziehen:

a) die Obliegenheit der Beklagten zu vollschichtiger Berufstätigkeit der Beklagten als Folge des zunehmenden Alters der Kinder:

aa) Nach Maßgabe des Altersphasenmodells, wie es unter der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Gesetzeslage von den süddeutschen Oberlandesgerichten angewandt wurde, war die Beklagte im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu einer mehr als halbschichtigen Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet (vgl. die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der süddeutschen Oberlandesgerichte - nachfolgend: »SüdL« - Ziffer 17.1 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung). Mit dem Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 hat der Gesetzgeber einem solchen starren Altersphasenmodell eine Absage erteilt zugunsten eines Betreuungsmodells, das sich maßgeblich an den Umständen des Einzelfalles, insbesondere den individuellen Betreuungsbedürfnissen und -möglichkeiten des konkret in Rede stehenden Kindes orientieren muß.

bb) Nach dem Vortrag der Beklagten läßt sich ein besonderes Betreuungsbedürfnis der beiden ehegemeinschaftlichen Söhne J. (geboren am 7. März 1991) und P. (geboren am 28. September 1993), das über das durchschnittliche Maß ihrer Altersgenossen hinausgeht, nicht erkennen. Die Beklagte behauptet zwar, der Sohn J. leide an ADS und LRS, zeigt jedoch nicht auf, welche Relevanz dies für ihre tägliche Kinderbetreuung hat; sie legt auch nicht dar, worin die besondere Betreuung bestehen soll, erst recht nicht, daß und in welcher Form diese Verhaltensauffälligkeiten Arbeitszeit für Betreuungsmaßnahmen bindet. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Beklagte nach Maßgabe der seit 1. Januar 2008 geltenden gesetzlichen Bestimmungen durch die Betreuung der halbwüchsigen Söhne an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht gehindert ist. Unter Zugrundelegung des in § 1569 BGB niedergelegten Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit führt dies zu einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit.

cc) Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Beklagte nach Ziffer 17.1 der SüdL in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit erst ab Vollendung des 15. Lebensjahres des Sohnes P. Ende September 2008 verpflichtet gewesen wäre. Demgegenüber ergibt - wie oben ausgeführt - die Anwendung der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen neuen unterhaltsrechtlichen Bestimmungen bereits ab diesem Zeitpunkt eine Obliegenheit zu vollschichtiger Arbeit. Dem Amtsgericht ist darin beizupflichten, daß der Beklagten im Hinblick auf ihre persönliche Situation und die Arbeitsmarktlage eine Orientierungs- und Übergangsphase zugebilligt werden muß, sich auf die ab 1. Januar 2008 geänderte Rechtslage einzustellen und eine geeignete und angemessene Arbeitsstelle zu finden. Das Amtsgericht hat diese Phase mit einem Zeitraum von sechs Monaten richtig bemessen, so daß sich die seit 1. Januar 2008 gegebene Obliegenheit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit für die Beklagte erst ab 1. Juli 2008 konkretisiert hat. Bis zum 30. Juni 2008 hingegen blieb die Beklagte hingegen nur zu halbschichtiger Tätigkeit verpflichtet.

b) Obliegenheit der Beklagten zu angemessener Berufstätigkeit:

aa) Gemäß § 1574 BGB ist die Beklagte zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, die ihr angemessen ist, also ihre Ausbildung, ihren bisherigen beruflichen Werdegang, ihr Alter und ihren Gesundheitszustand angemessen berücksichtigt. Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Beklagte nicht auf das Berufsfeld einer qualifizierten Goldschmiedin verwiesen werden. Die Beklagte ist unstreitig mindestens seit 1991 nicht mehr in diesem Beruf tätig. Aufgrund dieser langen beruflichen Abstinenz geht der allgemeine Arbeitsmarkt nach den Erfahrungen des Senats davon aus, daß die Beklagte ihre ehemals erworbenen beruflichen Qualifikationen zwischenzeitlich zu einem großen Teil wieder verloren hat. Darüber hinaus mangelt es ihr an beruflicher Erfahrung, die sie angesichts ihres Alters, das der allgemeine Arbeitsmarkt bereits als »fortgeschritten« bewertet, nicht mehr ohne weiteres aufholen kann.

bb) Angesichts ihres bisherigen beruflichen Werdegangs muß sich die Beklagte auch auf Berufe minderer Qualifikation verweisen lassen, was sie auch klaglos hinnimmt. Sie ist schon seit mehreren Jahren in minderqualifizierten Berufen teilzeiterwerbstätig. Umgekehrt muß der Kläger die Annahme von Erwerbsstellen im minderqualifizierten Bereich als angemessene Erwerbstätigkeit hinnehmen, ohne von der Beklagten die Aufnahme höher dotierter Stellen verlangen zu können.

c) Verletzung der Erwerbsobliegenheit der Beklagten:

aa) Nach dem oben Ausgeführten erfüllt die Beklagte ihr Obliegenheit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit, seitdem sie ihre Tätigkeit als Küchenhilfe auf 25 Wochenstunden erhöht und zusätzlich eine Nebentätigkeit im Umfang von 13 Wochenstunden in der Altenbetreuung übernommen hat. Sie arbeitet damit wöchentlich 38 Stunden, was in vielen Branchen nach wie vor die Regelarbeitszeit in Vollzeittätigkeit darstellt.

bb) Die Beklagte erfüllt damit auch ihre Verpflichtung zu angemessener Tätigkeit, ohne daß ihr der Vorwurf gemacht werden könnte, sie müsse sich um eine besser dotierte Erwerbstätigkeit bemühen. Sie erzielt in ihrer Haupttätigkeit einen Stundenlohn von 7,90 € und in ihrer Nebentätigkeit von 7,50 €, im Mittelwert also ([25 x 7,90 €/h] + [13 x 7,50 €/h]) : 38 h = 7,76 €. Nach den Erfahrungswerten des Senats in zahlreichen Unterhaltsverfahren entspricht dieser Stundenlohn dem üblichen für Tätigkeiten dieser Art. Die Beklagte verwertet somit ihre Arbeitskraft angemessen, insbesondere nicht in vorwerfbarer Weise unter dem Wert, der auf dem - objektiv deutlich überdurchschnittlich guten - Arbeitsmarkt der hiesigen Region realisiert werden kann.

cc) Bei einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden erzielt die Beklagte seit Übernahme ihrer Nebentätigkeit ein monatliches Durchschnittseinkommen von (38 h/Woche x 7,76 €/h x 52 Wochen : 12 Monate =) 1.277,81 €. Dieses tatsächlich erst seit Oktober 2008 erzielte Einkommen ist der Beklagten auch für den davor liegenden Zeitraum ab 1. Juli 2008 fiktiv zuzurechnen. Sie kann sich nicht darauf berufen, in diesem Zeitraum tatsächlich nur geringere Einkünfte erzielt zu haben: Sie hat bislang weder ausreichend dargelegt, erst recht nicht belegt, daß sie nicht in der Lage war, die seit Oktober 2008 erzielten Einkünfte bereits ab 1. Juli 2008 zu realisieren, weil sie keine entsprechende(n) Stelle(n) habe erlangen können.

Nach Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit beider Kinder sind Ansprüche auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 oder 2 BGB nicht mehr gegeben. Kindbezogene Gründe gemäß § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB für die Fortdauer des ursprünglich gegebenen Betreuungsunterhalts während der ersten drei Lebensjahre der beiden Kinder gemäß § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen seit dem Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit nicht mehr.

Für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus elternbezogenen Billigkeitsgründen gemäß § 1570 Abs. 2 BGB ist nichts ersichtlich. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien hat die Beklagte noch während bestehender Ehe Teilzeiterwerbstätigkeiten in dem Umfange aufgenommen und aufgestockt, der als mit der Kindesbetreuung vereinbar erschien. Damit war die Rollenverteilung in der Ehe der Parteien erkennbar für die Zeit nach Wegfall der Kinderbetreuung nicht auf eine bloße Hausfrauentätigkeit der Beklagten angelegt. Die Beklagte konnte deshalb zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, nach Wegfall der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder nicht wieder vollschichtig arbeiten zu müssen.

Als Unterhaltsanspruch der Beklagten für die Zeit nach konkretem Eintritt ihrer Obliegenheit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit kommt daher nur Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht mit der Folge, daß die Beklagte vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet ist, nach Eintritt ihrer Vollerwerbs-Obliegenheit zum 1. Juli 2008 bis zum Oktober 2008 trotz aller zumutbaren Anstrengungen keine angemessene Erwerbstätigkeit gefunden zu haben.

Das Amtsgericht hat zu Recht die Bemühungen der Beklagten, eine solche Arbeitsstelle vor Oktober 2008 zu erlangen, als nicht ausreichend beurteilt. Auch die im Berufungsrechtszug vorgelegten zusätzlichen Unterlagen lassen eine ausreichende Arbeitssuche nicht erkennen. Zum einen sind die vorgelegten Bewerbungen quantitativ nicht ausreichend; zum anderen ist die Kritik des Klägers an der Qualität der vorgelegten Bewerbungen berechtigt: Sie lassen nach Erscheinungsbild und Inhalt aus der Sicht eines potentiellen Arbeitgebers in der Tat den Eindruck entstehen, daß die Beklagte nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit an der Stelle interessiert ist, auf die sie sich gerade bewirbt.

Damit fehlt es bereits an einer ausreichenden Darlegung, daß die Beklagte bis Oktober 2008 einen an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen, nicht durch eigenverantwortliche Lebensführung zu deckenden höheren Unterhaltsbedarf hatte als den, der sich nach Aufnahme ihrer Nebentätigkeit im Oktober 2008 ergibt.

d) Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen unzureichender Information des Klägers und unzureichender Anstrengungen zur Erlangung eines angemessenen Arbeitsplatzes:

aa) Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe ihn über die Ausweitung ihrer halbschichtigen Tätigkeit um wöchentlich fünf Stunden zu spät informiert, folgt der Senat der Auffassung des Amtsgerichts; auf dessen diesbezügliche Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

bb) Den generellen Einwand des Klägers, die Beklagte kümmere sich nicht hinreichend um einen angemessenen Arbeitsplatz, berücksichtigt der Senat bereits dadurch, daß er der Beklagten im Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum Oktober 2008 die Einkünfte, die sie ab Oktober 2008 real erzielt, fiktiv zurechnet. Raum für eine darüber hinausgehende Verwirkung besteht nicht. Ab Oktober 2008 kommt die Beklagte ihrer Erwerbsobliegenheit vollumfänglich nach, so daß ab diesem Zeitpunkt dem Verwirkungseinwand schon in tatsächlicher Hinsicht der Boden entzogen ist.

d) Bedarfsdeckung aus Zinserträgen:

aa) Im Grundsatz ist die Beklagte verpflichtet, zur Deckung ihres Lebensbedarfs den ihr zufließenden Zugewinnausgleichsbetrag verzinslich anzulegen. Allerdings sind Erträgnisse mit einem Zinssatz von 7,5 p.a., wie sie der Kläger berechnet, bei den derzeitigen Kapitalmarktverhältnissen nicht zu erzielen. Sichere Geldanlagen - und nur auf diese muß sich die Beklagte verweisen lassen - werden derzeit mit einem Zinssatz von maximal 3% angeboten.

bb) Weiter befürchtet die Beklagte zu Recht, daß die Staatskasse die bisher raten- und beitragsfreie Prozeßkostenhilfebewilligung für die vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten ändern und nachträgliche Beiträge zur Deckung der Prozeßkosten erheben wird. In Ermangelung detaillierter Darlegungen zu den Kosten jener Prozesse und der genauen Kostenerstattungsverpflichtungen schätzt der Senat, daß die Staatskasse die Beklagte mit einem Beitrag von insgesamt 5.000 € heranziehen wird, so daß die Beklagte höchstens 15.000 € wird anlegen können. Bei dem genannten Zinssatz von 3% p.a. wird die Beklagte somit einen jährlichen Zinsertrag von 450 € p.a. (= 37,50 €/Monat) erzielen können, der jedoch erstmals im Jahre 2009 - angesichts des Sparer-Pauschbetrages brutto = netto - ausgeschüttet werden kann.

cc) Zur Verwertung des Kapitalstammes selbst ist die Beklagte hingegen nicht verpflichtet, weil dies im Hinblick auf das Einkommen des Klägers gemäß § 1577 Abs. 3 BGB unbillig wäre.

e) Wegfall der Darlehensbelastung beim Kläger:
Die im Berufungsrechtszug erstmals erörterte Einstellung der Zahlungen auf das Darlehen zur Finanzierung der gemeinsamen Eigentumswohnung muß unberücksichtigt bleiben. Zwar ist die Zahlungseinstellung als solche unstreitig; als Grund hierfür benennt der Kläger allerdings den Umstand, daß die Verbindlichkeit als solche sei nicht weggefallen sei, vielmehr eine Umschuldung anstehe, zu der die Beklagte ihre erforderliche Zustimmung bislang nicht erteilt habe. Den Parteien wird nichts anderes übrig bleiben, als in dieser Frage Einvernehmen zu erzielen, wollen sie es auf längere Sicht nicht auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ankommen lassen. Auch wenn die Anschlußfinanzierung aufgrund derzeit herrschenden günstigen Finanzierungsmöglichkeiten niedrigere Zinslasten als die bisherige Finanzierung erzeugen wird, erscheint es sinnvoll, es zugunsten eines höheren Tilgungsanteils bei der bisherigen Gesamtbelastung aus Zins und Tilgung in Höhe von 1.000 € monatlich zu belassen. Dieses liegt auch im Interesse der Beklagten, die auf diese Art und Weise schneller von den bestehenden gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten befreit wird.

f) Befristung der Unterhaltsverpflichtung wegen Gesetzesänderung und Wegfalls der Kinderbetreuung:
Der Kläger meint, wegen der zum 1. Januar 2008 eingetretenen Gesetzesänderung und des Wegfalls der Kinderbetreuung müsse jedweder Unterhaltsanspruch der Beklagten befristet bzw. begrenzt werden; die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, der Kläger sei mit diesem Vorbringen von vornherein ausgeschlossen.

aa) Der Kläger ist mit seinem Befristungs- und Begrenzungseinwand jedenfalls nicht aus prozessualen Gründen ausgeschlossen, weil die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall einer Abänderung eines Prozeßvergleichs nicht gilt; vielmehr ist diese Frage anhand der materiell-rechtlichen Lage zu beurteilen.

bb) Aus dem abzuändernden Prozeßvergleich selbst läßt sich ein vereinbarter Ausschluß der Befristung oder Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung nicht entnehmen. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung findet sich nicht. Der Vergleichstext gibt auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien solches vereinbaren wollten. Auch die Entstehungsgeschichte des Vergleichs spricht gegen eine solche Auslegung. Schon in der Klageerwiderung des Ausgangsverfahrens hat sich der Kläger - er befand sich in jenem Rechtsstreit in der Rolle des Beklagten - auf eine Befristung des Unterhaltsanspruchs berufen. Hätte er sich trotz dieser Verteidigung zu einer endgültig unbefristeten Unterhaltszahlung verpflichten wollen, so hätte man - insbesondere in der Situation eines Vergleichsabschlusses vor Gericht bei Vertretung beider Parteien durch Rechtsanwälte - einen entsprechend klar formulierten Verzicht auf diesen Einwand erwarten dürfen. Daß ein solcher fehlt, läßt darauf schließen, gerade keine endgültig unbefristete oder unbegrenzbare Unterhaltsverpflichtung begründet bzw. festgelegt zu haben. Dies gilt auch für den bei Vergleichsabschluß bereits absehbaren Umstand, daß der Betreuungsunterhalt wegen fortschreitenden Alters der Kinder in nicht allzu ferner Zukunft - selbst bei Fortgeltung des alten Rechts - wegfallen würde. Den Vergleichsgrundlagen läßt sich auch insoweit nicht entnehmen, daß die Parteien diese anstehenden Veränderungen bereits durch eine bindende Regelung berücksichtigt haben.

cc) Auch die Behauptung der Beklagten, daß die Parteien, wenn sie schon nicht rechtsgeschäftlich eine endgültig unbefristete und unbegrenzte Unterhaltsverpflichtung vereinbart, so doch ihrem Vergleich wenigstens als Geschäftsgrundlage Umstände zugrunde gelegt hätten, die bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses eine Befristung oder Begrenzung ermöglichten hätten, die wegen ihres unveränderten Fortbestands nachträglich keine Vertragsanpassung rechtfertigen könnten, vermag eine Befristung oder Begrenzung nicht zu präkludieren.

Richtig an der Argumentation der Beklagten ist zwar, daß eine Befristung oder Begrenzung zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen wäre, wenn diese auf bereits bei Vergleichsschluß begründete oder wenigstens sicher prognostizierbare, weiterhin fortbestehende Umstände gestützt würde. In einem solchen Falle fehlte es nämlich an der für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erforderlichen Veränderung der als Geschäftsgrundlage maßgeblichen Umstände. Jedoch liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschusses wäre eine Befristung oder Begrenzung der Unterhaltsverpflichtung nicht möglich gewesen.

(1) Wegen des Alters der Kinder war die Beklagte zu jenem Zeitpunkt zu vollzeitiger Erwerbstätigkeit noch nicht verpflichtet (vgl. SüdL Ziff. 17.1 in der damals geltenden Fassung). Der im Vergleichswege titulierte Unterhaltsanspruch war der Sache nach maßgeblich Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 Abs. 1 BGB und allenfalls zu einem Teil Aufstockungsunterhalt iSv § 1573 Abs. 2 BGB a.F.; folglich war eine Unterhaltsbegrenzung oder -befristung gemäß § 1573 Abs. 5 BGB a.F. nicht möglich. Gegen die Befristungs- und Begrenzungsmöglichkeit gemäß § 1578 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB a.F sprach die Regelvermutung des § 1578 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB a.F. Diese hat der Bundesgerichtshof durch die mit der Entscheidung vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006 = FuR 2006, 374 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 25) eingeleitete Änderung seiner Rechtsprechung nicht in Frage gestellt (vgl. BGH FamRZ 2007, 1232 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 29). Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung zu § 1578 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB a.F. ab dem Frühjahr 2006 sind im vorliegenden Fall keine Besonderheiten erkennbar, die ausnahmsweise entgegen der Regelvermutung des § 1578 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB a.F. bereits eine Begrenzung des Betreuungsunterhalts ermöglicht hätte. Überdies wäre nach der genannten Vorschrift nur die Befristung des vollen Unterhalts mit anschließender Herabsetzung auf den angemessenen Unterhalt statthaft gewesen, nicht hingegen eine Befristung mit anschließendem vollständigen Wegfall des Unterhaltsanspruch.

(2) Selbst im Hinblick darauf, daß bei Vergleichsabschluß selbst bei Fortgeltung des alten Unterhaltsrechts die Obliegenheit zu vollschichtiger Erwerbstätigkeit absehbar war, wäre eine Begrenzung und Befristung noch nicht möglich gewesen, denn wie in dem seit 1. Januar 2008 geltenden Recht war auch die Unterhaltsbegrenzung nach dem bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Recht davon abhängig, daß die für eine Begrenzung und Befristung maßgeblichen, erst künftig eintretenden Umstände sicher prognostizierbar waren. Im Falle einer Begrenzung bzw. Befristung wegen Eintritts vollschichtiger Erwerbsobliegenheit ist für eine solche Prognose erforderlich, daß der Erwerbstätige entweder tatsächlich eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, oder wenigstens die Voraussetzungen für eine Fiktion einer solchen Tätigkeit gegeben sind (vgl. BGH FamRZ 2007, 1232 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 29). Beides war bei Abschluß des Prozeßvergleichs nicht der Fall: Die Beklagte war unstreitig nur in Teilzeit beschäftigt; eine Fiktion vollschichtiger Tätigkeit war versagt, weil die Beklagte noch nicht zu vollschichtiger Tätigkeit verpflichtet war.

dd) Der Kläger ist somit unter keinem Gesichtspunkt mit der Geltendmachung des Begrenzungs- und Befristungseinwands ausgeschlossen.

5. Auf der Grundlage dieser Ausführungen läßt sich der Unterhaltsanspruch der Beklagten wie folgt berechnen:

a) Ab 1. Juli 2008 sind vollschichtige Erwerbseinkünfte der Beklagten von 1.277,82 € im Monat zugrunde zu legen. Aus diesem Monatsbruttoeinkommen: 1.277,82 €

./. Rentenversicherung p.M. aus 1.277,82 €: 127,14 €
./. Arbeitslosenversicherung p.M.: 21,08 €
./. Krankenversicherung p.M. aus 1.277,82 € (Beitragssatz 13,9% + 0,9% AN-Zuschlag): 100,30 €
./. Pflegeversicherung p.M. aus 1.277,82 € (Beitragssatz 1,95%): 12,45 €
./. Einkommensteuer aus Lohnsteuerklasse II (Allgemeine Lohnsteuertabelle) und Kinderfreibetrag 1,0 und Kirchensteuersatz 8%, somit also
./. Lohnsteuer aus 1.277,82 € p.M.: 42,33 €
./. Solidaritätszuschlag p.M.: 0,00 €
./. Kirchensteuer p.M.: 0,00 €

ergibt sich ein Monatsnettoeinkommen: 974,52 €.

b) Dies führt zu einem Aufstockungsbetrag auf den vollen Unterhalt nach folgender Berechnung, wobei ab 1. Januar 2009 zusätzliche Einkünfte aus verzinslich angelegtem Kapital hinzugerechnet sind:

2008 2009
Monatsnettoeinkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit 4.872,32 € 4.872,32 €
./. zusätzlicher Vorsorgeaufwand, limitiert auf 4% des Jahresbruttoeinkommens 159,77 € 159,77 €
./. Berufsaufwand 31,00 € 31,00 €
= bereinigtes Erwerbseinkommen 4.681,55 € 4.681,55 €
Zur Berechnung des Erwerbsbonus:
./. Kindesunterhaltsumme (s. unten) 1.314,00 € 1.314,00 €
./. Hausgeld 130,00 € 130,00 €
./. Hausdarlehen 1.000,00 € 1.000,00 €
= ./. Erwerbsbonus 1/10 aus 2.314,55 € 223,76 € 223,76 €
+ Mietertrag 210,00 € 210,00 €
+ Steuervorteil aus Realsplitting (s. unten) 126,70 € 126,70 €
bereinigtes bedarfsprägendes Gesamteinkommen des Klägers 2.350,49 € 2.350,49 €
Monatsnettoeinkommen der Beklagten aus Erwerbstätigkeit 974,52 € 974,52 €
./. Berufsaufwand (pauschal 5%) 48,73 € 48,73 €
= bereinigtes Erwerbseinkommen 925,79 € 925,79 €
./. Erwerbsbonus 1/10 aus 925,79 € 92,58 € 92,58 €
+ Zinserträge 0,00 € 37,50 €
anrechenbares Gesamteinkommen der Beklagten bereinigt 833,21 € 870,71 €
Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle 2008
für J. (geboren am 7. März 1991, 17 Jahre): dynamisierter, vorgegebener Bedarf = 180% des Mindestunterhalts
657,00 €
657,00 €
./. bedarfsdeckende, hälftige Heranziehung des Kindergeldes 77,00 € 77,00 €
der ungedeckte Gesamtbedarf beträgt 580,00 € 580,00 €
Der Kläger hat zu bezahlen 580,00 € 580,00 €
für P. (geboren am 28. September 1993, 15 Jahre): dynamisierter, vorgegebener Bedarf = 180% des Mindestunterhalts 657,00 € 657,00 €
bedarfsdeckende, hälftige Heranziehung des Kindergeldes 77,00 € 77,00 €
der ungedeckte Gesamtbedarf beträgt 580,00 € 580,00
der Kläger hat zu bezahlen 580,00 € 580,00€
Summe des Kindesunterhalts 1.160 € 1.160 €
Gattenunterhalt nach den SüdL (OLG Stuttgart)
Bedarf: 1/2 × (Summe beider anrechenbarer Gesamteinkünfte) 1.591,85 € 1.609,28 €
Bedarfsdeckung 833,21 € 870,71 €
Elementarunterhalt 758,64 € 738,57 €
Realsplitting: Steuervorteil beim Kläger aus Freibetrag in Höhe des Ehegattenunterhalts
Nachteil bei der Beklagten aus der Besteuerung des Ehegattenunterhalts 366,79 €
240,09 € 357,91 €
233,85 €
Es errechnet sich ein Vorteil von 126,70 € 124,06 €
ZAHLBETRÄGE
Unterhalt für die Beklagte 758,64 € 738,57 €
gerundet 759,00 € 739,00 €
Summe des Unterhalts für die Kinder 1.160 € 1.160 €
Gesamtsumme Unterhalt 1.919 € 1.899 €
Rest beim Kläger 1.970 € 1.987 €

6. Für den Erfolg des geltend gemachten Befristungs- und Begrenzungseinwands kommt es entscheidend darauf an, ob zum jetzigen Zeitpunkt eine hinreichend sichere Prognosebasis besteht, die die Schätzung erlaubt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beklagten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die nach Wegfall des Betreuungsunterhaltsanspruchs eines Ausgleichs durch Gewährung von Aufstockungsunterhalt bedürfen. Diese Prognose ist jedenfalls seit Aufnahme einer insgesamt vollschichtigen, angemessenen Erwerbstätigkeit im Oktober 2008 möglich.

Ob und gegebenenfalls welche ehebedingten Nachteile der Beklagten entstanden sind und voraussichtlich endgültig verbleiben werden, läßt sich anhand des Vergleichs der Einkünfte aus ihrer heutigen vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit den Einkommensmöglichkeiten ermitteln, die der Beklagten mutmaßlich offen stünden, wenn sie ohne Eheschließung und Kindererziehungszeiten ihre Erwerbstätigkeit, wie sie vor der Ehe bestanden hat, fortgeführt hätte.

a) Da die Beklagte bereits vor der Eheschließung die Tätigkeit als reine Goldschmiedin zugunsten einer Mischtätigkeit als Fachverkäuferin und mit Reparaturarbeiten betraute Goldschmiedin aufgegeben hat (mit Schwerpunkt auf der Verkaufstätigkeit), also ihren ursprünglich erlernten Beruf nicht mehr fortführte, beruht dieser Bruch im Erwerbsleben ersichtlich nicht auf der Ehe. Die Beklagte muß sich deshalb für die Ermittlung ehebedingter Nachteile an den Möglichkeiten zu beruflichem Fortkommen messen lassen, die sich ihr in der zuletzt vor der Ehe ausgeübten Berufstätigkeit geboten hätten.

b) Die Internet-Recherchen des Senats bei www.gehaltsvergleich.com ergab für Verkäuferinnen einschließlich Fachverkäuferinnen aus über 200 Datensätzen mittlere Bruttoeinkommen von ca. 1.400 € bis ca. 1.620 € bei zum Teil erheblicher Streuung zwischen den niedrigsten und den höchsten Gehältern. Für langjährige Verkäuferinnen ergab sich einer Vielzahl von Fällen eine Gehaltsobergrenze bei knapp 1.800 €. Dies entspricht den Erfahrungswerten des Senats aus sonstigen Unterhaltsstreitigkeiten.

c) Der Senat geht davon aus, daß die Beklagte bei Fortführung ihrer vorehelich zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit eine Stellung mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.750 € erreicht hätte. Ob sie die oben genannte Obergrenze hätte erreichen oder gar überschreiten können, erscheint nicht hinreichend wahrscheinlich.

d) Daß eine Bekannte, die seinerzeit zusammen mit der Beklagten im selben Juweliergeschäft die gleiche Verkaufstätigkeit ausübte, heute eine Stellung mit dem deutlich überdurchschnittlichen Gehalt von ca. 2.400 € innehat, trägt nicht die Annahme, auch die Beklagte hätte die gleiche Karriere machen können. Es fehlt an ausreichender Darlegung, welche Funktion diese Bekannte heute ausübt, wie sich der Betrieb, insbesondere seine Mitarbeiterstruktur, seit Ausscheiden der Beklagten entwickelt hat, ob die Beklagte überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, über zwei Jahrzehnte hinweg beim selben Arbeitgeber zu verbleiben u.ä.

e) Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte den Aufstieg in die Leitungsebene eines Fachhandelsunternehmens geschafft hätte, sind nicht ersichtlich: Die Beklagte legt nicht dar, auf welche Tatsachen sie ihre diesbezügliche Behauptung stützt.

f) Für eine Karriere im kreativen Goldschmiedehandwerk mit - wie der Kläger behauptet - besseren Einkommensmöglichkeiten spricht ebenfalls wenig. Der berufliche Werdegang der Beklagten vor allem in dem der Eheschließung unmittelbar vorausgegangenen Zeitraum legt eine solche Karriere nicht nahe.

g) Der Senat rechnet nicht damit, daß es der Beklagten gelingen wird, dauerhaft ihre derzeitigen Einkünfte auf ein Niveau von monatlich mindestens 1.750 € (brutto) zu heben. Alter und beruflicher Werdegang der Beklagten sowie die sich wieder verschlechternden Aussichten auf dem Arbeitsmarkt geben für eine solche Annahme keinen Anlaß. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Differenz zwischen ihrem derzeitigen Einkommen und dem oben ermittelten Einkommen bei fiktiver Fortführung ihrer letzten vorehelichen Erwerbstätigkeit dauerhaft bestehen bleibt.

h) Damit errechnet sich der dauerhaft verbleibende ehebedingte Nachteil der Beklagten wie folgt:

aa) Hätte die Beklagte ohne Eheschließung ihrer voreheliche Erwerbstätigkeit durchgängig fortgeführt, so könnte sie heute mutmaßlich ein Bruttoeinkommen von monatlich 1.750 € erzielen, das sich zu folgendem Nettoeinkommen errechnen würde:
Monatsbruttoeinkommen: 1.750 €
./. Rentenversicherung p.M. aus 1.750 €: 174,13 €
./. Arbeitslosenversicherung p.M.: 28,88 €
./. Krankenversicherung p.M. aus 1.750 € (Beitragssatz 13,9% + 0,9% AN-Zuschlag): 137,37 €
./. Pflegeversicherung p.M. aus 1.750 € (Beitragssatz 1,95%): 17,06 €
./. Einkommensteuer bei Lohnsteuerklasse II (Allgemeine Lohnsteuertabelle), Kinderfreibetrag 1,0 und Kirchensteuersatz 8%
somit
./. Lohnsteuer aus 1.750 € p.M. 161,66 € ./. Solidaritätszuschlag p.M. 0,00 € ./. Kirchensteuer p.M. 3,65 € = Monatsnettoeinkommen: 1.227,25 €.

bb) Differenz: Reales Arbeitseinkommen 974,52 €, ohne Eheschließung mögliches Arbeitseinkommen 1.227,25 € = ehebedingter Nachteil 252,73 €.

8. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist zwar nicht zeitlich zu begrenzen, wohl aber nach einer Übergangs- und Schonphase vom vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen auf den angemessenen Betrag herabzusetzen.

a) Da von einem dauerhaft verbleibenden Nachteil im beruflichen Fortkommen der Beklagten als Folge der ehebedingten Unterbrechung ihres Erwerbslebens auszugehen ist, kommt eine Befristung ihres Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1578b Abs. 2 BGB - also dessen vollständiger Wegfall nach Fristablauf - nicht in Betracht. Angesichts der guten Einkommensverhältnisse des Klägers, der Ehedauer bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages im Jahre 2006 von mehr als 15 Jahren, der Versorgung und Betreuung zweier minderjähriger Kinder und der - gemessen am Einkommen des Klägers - nur bescheidenen Einkommensmöglichkeiten der Beklagten mit dauerhaft verbleibenden, nicht auszugleichenden ehebedingten Nachteilen ist es nicht unbillig, den Kläger dauerhaft zur Leistung von Aufstockungsunterhalt heranzuziehen.

b) Jedoch ist der geschuldete Aufstockungsunterhalt gemäß § 1578b Abs. 1 S. 1 und 2 BGB auf den Aufstockungsbetrag zu begrenzen, der zur Deckung des angemessenen Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Dieser Betrag ist gleichzusetzen mit dem ehebedingten Nachteil, wie er sich als Nettobetrag der oben dargestellten Brutto-Gehaltsdifferenz errechnet (s. oben Ziff. 7. h)).

Die Herabsetzung vom vollen auf den angemessenen, den ehebedingten Nachteil ausgleichenden Unterhaltsbetrag hat zum 1. Januar 2011 zu erfolgen. Die der Beklagten für die Umstellung vom vollen auf den angemessenen Unterhalt zuzubilligende Übergangs- und Schonphase bemißt sich nach Billigkeit; bei ihrer Bestimmung sind die in § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB bezeichneten Kriterien zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund des Alters der Beklagten, der mehr als 15 Jahre währenden Ehe, der Betreuung und Versorgung von zwei Kindern und ihrer voraussichtlich dauerhaft erheblich geringeren Einkünfte im Verhältnis zu denjenigen des Klägers erscheint dem Senat diese Fristbemessung angemessen und billig.

9. Als Ergebnis ist festzuhalten:

a) Bis zum 30. Juni 2008 besteht keine Möglichkeit, den Prozeßvergleich abzuändern.

b) Ab 1. Juli 2008 schuldet der Kläger unter Berücksichtigung vollschichtiger Erwerbseinkünfte der Beklagten vollen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 759 €.

c) Ab 1. Januar 2009 schuldet der Kläger unter Berücksichtigung vollschichtiger Erwerbseinkünfte der Beklagten sowie Zinserträgen vollen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 739 €.

d) Ab 1. Januar 2011 ist der Aufstockungsunterhalt zu begrenzen auf die Höhe der ehebedingten Nachteile im Betrag von 253 €.

10. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil nur strikt einzelfallbezogene Sach- und Rechtsfragen zu entscheiden waren. Der Senat hält sich mit der Entscheidung in dem Rahmen, der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gezogen ist, insbesondere was die Frage der Präklusion und der Begrenzung bzw. Befristung anlangt. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist deshalb nicht berührt. Der Fall gibt auch keinen Anlaß zur Rechtsfortbildung.

11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 708 Nr. 8 und 10 iVm §§ 711, 713 ZPO. Gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO kann ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil in zulässiger Form nicht eingelegt werden.

Streitwert der Berufung:

1. Abänderung für Februar 2008: Unterhaltsfälligkeit vor Rechtshängigkeit = Rückstand: 1.100 € ./. 300 € = 800 € (§ 42 Abs. 5 GKG in entsprechender Anwendung).

2. Unterhaltsabänderung ab 1. März 2008: Unterhaltsfälligkeit nach Rechtshängigkeit = laufender Unterhalt: Für die Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2008 4 x (1.100 € ./. 300 € =) 3.200 €, und für die Zeit ab 1. Juli 2008: 8 x (889 € ./ 300 €) = 4.712 € (Jahreswert gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 GKG in entsprechender Anwendung).

3. Summe: 8.712 €.

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