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OLG Schleswig, Beschluß vom 27.11.2009 - 10 WF 140/09 - FD-Platzhalter-rund

OLG Schleswig, Beschluß vom 27.11.2009
10 WF 140/09



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts; Grundsatz der Eigenverantwortung und ehebedingte Nachteile.

BGB §§ 1573, 1578b; ZPO § 323; EGZPO § 36 Nr. 1

Eine Herabsetzung und Befristung des bislang (nach altem Recht) zeitlich unbegrenzt titulierten Aufstockungsunterhalts kommt nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher in Betracht, je geringer die ehebedingten Nachteile sind.

OLG Schleswig, Beschluß vom 27. November 2009 - 10 WF 140/09

Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Reinbek vom 18.06.2009 (1 F 121/08) wird zurückgewiesen.

Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht der Beklagten die Prozeßkostenhilfe versagt. Die Rechtsverteidigung der Beklagten hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Zu Recht hat das Familiengericht mit Zustellung der Abänderungsklage den Fortfall des durch Urteil vom 19. Dezember 1995 titulierten Aufstockungsunterhalts (§ 1573 Abs. 2 BGB) von 381,17 € festgestellt. Aufgrund der Änderung der Gesetzeslage ab 1. Januar 2008 liegt eine wesentliche Änderung der wesentlichen Verhältnisse vor, die für die Titulierung des nachehelichen Unterhalts im Jahre 2005 maßgeblich waren (§ 323 Abs. 1 ZPO). Bei Verkündung des Urteils am 19. Dezember 1995 bestand wegen der Erziehung der Kinder während der Ehezeit durch die Beklagte und der nach damaligen Vorstellungen langen Ehedauer keine Möglichkeit, den titulierten Unterhaltsanspruch zu begrenzen oder zu befristen (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.). Dieser Unterhaltsanspruch ist entgegen der Berufung bis zur Zustellung der Abänderungsklage zu befristen.

Eine Herabsetzung und Befristung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach § 1578b Abs. 1 und 2 BGB setzt voraus, daß ein nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener, zeitlich unbegrenzt gewährter Unterhalt unbillig wäre. Bei der Billigkeitsabwägung ist gemäß § 1578b Abs. 2 und 1 S. 2 BGB insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 S. 3 BGB). Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne sind etwa anzunehmen, wenn wegen der Ehe eine berufliche Ausbildung nicht fortgeführt worden und der Wiedereinstieg in den vor der Ehe ausgeübten Beruf ausgeschlossen oder erschwert ist. Das Vorliegen ehebedingter Nachteile ist dabei anhand eines Vergleichs des tatsächlich erzielten mit dem fiktiv bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit möglichen Einkommen zu beurteilen (Schürmann in Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozeß 5. Aufl. [2009] Kap. 1 Rdn. 1028; vgl. auch BGH FamRZ 2007, 200 = FuR 2007, 25 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 26). Lassen sich ehebedingte Nachteile feststellen, so schränkt dies die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des Unterhalts regelmäßig ein (BGH FamRZ 2009, 1207 = FuR 2009, 530); vielmehr gilt, daß nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung in Betracht kommt, je geringer die ehebedingten Nachteile sind (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 587).

Ehebedingte Nachteile der Beklagten sind nicht mehr ersichtlich. Zwar haben die Parteien teilweise eine sog. Hausfrauenehe geführt. Die Beklagte war bei Eheschließung bis 1977 technische Angestellte. Während der Ehe war sie nach der Geburt des Sohnes nicht erwerbstätig. Nach einer Umschulung hat sie ab 17. Mai 1993 mit einer Halbtagsbeschäftigung als Angestellte wieder begonnen und ist unterhaltsrechtlich für die Zeit ab Dezember 2005 mit einer Vollzeittätigkeit fingiert. Wenn die Beklagte dieser Verpflichtung zu einer Vollzeittätigkeit nachgekommen wäre, so stünde sie nach der Ehe nicht schlechter als vor der Ehe. Die berufliche Entwicklung ist durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe nicht beeinträchtigt; insoweit hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Konkret wird nicht vorgetragen, daß und welche Karrierechancen ihr durch die Unterbrechung der Berufstätigkeit als technische Angestellte während der Ehezeit genommen worden sind.

Ausgehend von einem fiktiven Einkommen der Beklagten wären die ehebedingten Nachteile aus einer ehebedingten Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit ausgeglichen; ferner ist zu berücksichtigen, daß die Ehe der Parteien seit 24 Jahren geschieden ist. Der Kläger hat an die Beklagte seit der Scheidung durch freiwillige Zahlungen und titulierte Unterhaltsbeträge erheblichen nachehelichen Unterhalt geleistet. Das eigene Einkommen der Beklagten als Rentnerin liegt bei insgesamt ca. 1.400 € monatlich und somit erheblich über dem großen Selbstbehalt von monatlich 1.000 €. Geht man davon aus, daß ehebedingte Nachteile nicht mehr oder nur noch geringfügig bestehen, so erscheint es gerechtfertigt, ca. 1¾ Jahre nach der Gesetzesänderung den Fortfall der Unterhaltsverpflichtung auszusprechen.

Entgegen der Berufung kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrauensgrundsatz (§ 36 Nr. 1 EGZPO) berufen. Die Vorschrift enthält die Übergangsregelung zum neuen Unterhaltsrecht; dabei ist davon auszugehen, daß das neue Recht grundsätzlich für alle Unterhaltsansprüche anwendbar ist, die am 1. Januar 2008 fällig werden. Der Gesetzgeber strebt eine weitgehende Anpassung alter Unterhaltstitel an das neue Recht nach Maßgabe der Nummern 1 bis 3 an. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die jetzt ausgesprochene Rechtsfolge aufgrund der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH FamRZ 2006, 1006 = FuR 2006, 374 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 25) bereits vor Inkrafttreten des § 1578b BGB nach § 323 ZPO möglich gewesen wäre. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt insoweit immer einen relevanten Änderungsgrund dar. Ein Vertrauensgrundsatz dahingehend, daß Ansprüche nach früherer höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dauerhaft erhalten bleiben, besteht nicht. Im übrigen ist unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO zu beurteilen, ob die Änderung demjenigen Teil, der schlechter gestellt wird, zugemutet werden kann. Bei dieser Beurteilung ist zu beachten, daß der Gesetzgeber grundsätzlich von einem Übergang titulierter Unterhaltsansprüche auf das neue Recht ausgeht (Zöller/Hessler, ZPO 27. Aufl. § 36 Nr. 5 EGZPO).

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