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OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2009 - 6 UF 13/09 - FD-Platzhalter-rund

OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2009
6 UF 13/09



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts; lange Dauer der Ehe ohne fortwirkende ehebedingte Nachteile.

BGB §§ 1573 Abs. 2, 1578b

Zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts bei langer Dauer der Ehe ohne fortwirkende ehebedingte Nachteile.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 6 UF 13/09

Tenor

1. Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 12.12.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Homburg (9 F 299/04) teilweise dahingehend abgeändert, daß der Antragsteller unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 297 € ab 05.11.2008 bis zum 31.10.2013 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Parteien haben im Juli 1974 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder M. (geboren im Februar 1975) und K. (geboren im November 1987) hervorgegangen. Seit Mai 1997 leben die Parteien getrennt.

Der im März 1952 geborene Antragsteller ist Oberarzt an der Klinik in H. Die im November 1952 geborene Antragsgegnerin ist Grundschullehrerin. Sie hatte ihre Lehrerausbildung im Jahre 1980 abgeschlossen und war in der Folgezeit bei der Volkshochschule, einem Steuerberater und im Nachhilfebereich teilzeitbeschäftigt. Seit 1990 ist sie als beamtete Grundschullehrerin tätig, und zwar bis Mitte 2006 teilschichtig und danach vollschichtig.

Mit am 19. Juli 2004 eingereichtem Schriftsatz hat der Antragsteller die Scheidung der Ehe beantragt. Die Antragsgegnerin hat ihrerseits auf Ehescheidung angetragen und mit ihrer am 22. Mai 2006 im Verbund eingereichten Klage nachehelichen Unterhalt geltend gemacht. Mit Beschluß vom 5. November 2008 hat das Familiengericht das Unterhaltsverfahren aus dem Scheidungsverbund abgetrennt. Mit Urteil vom selben Tage hat das Familiengericht die Ehe geschieden (Ziffer 1. des Urteilstenors) und den Versorgungsausgleich durchgeführt (Ziffer 2. des Urteilstenors). Hinsichtlich des Scheidungsausspruchs ist das Urteil seit 5. November 2008 rechtskräftig.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, daß ihr ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt zustehe. Sie hat beantragt, den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 397 € zu zahlen. Der Antragsteller hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, daß der Unterhaltsanspruch verwirkt sei; jedenfalls sei er zu begrenzen, da ehebedingte Nachteile auf seiten der Antragsgegnerin nicht vorlägen. In dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht - unter Abweisung der weitergehenden Klage - den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab 5. November 2008 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 297 € zu zahlen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Er trägt vor, daß das Familiengericht zu Unrecht den Tatbestand der Verwirkung verneint habe. Richtigerweise sei davon auszugehen, daß die Antragsgegnerin während der gesamten Ehezeit bis zur Trennung der Parteien ihre Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt habe, da sie von ihrem Einkommen kein Geld für den Familienunterhalt beigesteuert habe. Entgegen ihrer Behauptung sei das von ihr gesparte Geld nicht für den Kauf eines Hauses bestimmt gewesen, sondern für den eigenen Bedarf. Dementsprechend habe sie im April 1997 einen Pkw für 31.900 DM gekauft und im Jahre 1995 weitere 36.291,87 DM angespart. Zudem habe sie den Überziehungsrahmen des Girokontos des Antragstellers ohne Rücksprache mit ihm weit überzogen, so daß er extrem hohe Zinsen habe zahlen müssen. Außerdem sei der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt auch deshalb verwirkt, weil er erstmals mit Schreiben vom 25. Juli 2005 geltend gemacht worden sei; damit habe eine Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien stattgefunden. Das Familiengericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Antragsgegnerin ehebedingte Nachteile erlitten habe; insoweit fehle es bereits an hinreichenden Darlegungen seitens der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie trägt vor, daß sie sich vorrangig der Betreuung der gemeinsamen Kinder und der Versorgung des Haushalts gewidmet habe. Die von ihr erzielten Einkünfte seien für Urlaube, Sonderausgaben für Bücher, Schulausflüge, Feiern und Geburtstagsgeschenke sowie für Anschaffungen, die mit dem Gehalt des Antragstellers allein nicht möglich gewesen wären, verwandt worden. Als die Antragsgegnerin beruflich wieder Fuß gefaßt habe, sei es ihr aufgrund der sparsamen Haushaltsführung möglich gewesen, Geld anzusparen, wobei die Absicht bestanden habe, ein Haus zu kaufen. Hiergegen habe der Antragsteller nie Einwände erhoben. Die Überziehung des Girokontos des Antragstellers sei im beiderseitigen Einvernehmen erfolgt. Die ehebedingten Nachteile der Antragstellerin lägen darin, daß sie erst im Alter von 50 Jahren eine vollschichtige Tätigkeit habe aufnehmen können. Den dadurch entstehenden Nachteil in ihrer Versorgung werde sie nie mehr ausgleichen können, woran auch der Versorgungsausgleich nichts ändere. Ohne die Beziehung zum Antragsteller und die Kinder hätte die Antragsgegnerin mit einem Abschluß als Gymnasiallehrerin bundesweit eine Stelle suchen und finden können; sie wäre dann als beamtete Gymnasiallehrerin übernommen worden.


Entscheidungsgründe

Gemäß Art. 111 FGG-RG findet auf das vorliegende Verfahren das bis zum 31. August 2009 geltende Recht Anwendung.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Das Familiengericht geht davon aus, daß der Antragsgegnerin ein Anspruch auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 297 € zustehe. Hiergegen werden mit der Berufung keine - jedenfalls keine entscheidungserheblichen - Einwände erhoben. Daß die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt im Grundsatz erfüllt sind, ist zwischen den Parteien nicht umstritten; auch gegen die vom Familiengericht ermittelte Höhe werden keine substantiierten Einwände erhoben. Ausführungen des Antragstellers hierzu fehlen. Soweit er darauf verweist, daß er ab 1995 Steuerschulden getilgt und daher sein Girokonto immer wieder habe überziehen müssen, so daß er gezwungen gewesen sei, im Jahre 2004 ein Darlehen aufzunehmen, erfolgen diese Ausführungen lediglich im Zusammenhang mit der Frage der Verwirkung, ohne daß die Höhe des zuerkannten Unterhalts explizit in Zweifel gezogen wird. Im übrigen ist nach wie vor nicht ersichtlich, inwieweit das im Jahre 2004 aufgenommene Darlehen unterhaltsrechtlich relevant sein könnte, da hierzu jeglicher nachvollziehbarer Sachvortrag fehlt, der die diesbezügliche Behauptung des Antragstellers auch nur als plausibel erscheinen lassen könnte. Die Annahme des Familiengerichts, daß ein unterhaltsrechtlicher Bezug dieses lange nach der Trennung der Parteien aufgenommenen Darlehens nicht festgestellt werden könne, ist daher nicht zu beanstanden.

Dem Familiengericht ist auch darin zu folgen, daß ein Verwirkungstatbestand nach § 1579 BGB nicht vorliegt. Das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers ist unschlüssig, da eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung der Antragsgegnerin iSv § 1579 Nr. 6 BGB nicht dargetan ist, nachdem sie allein schon durch die Haushaltsführung und die Betreuung der Kinder einen wesentlichen Beitrag zur gemeinsamen Lebensführung geleistet hat.

Ebenso wenig ist ersichtlich, daß die Antragsgegnerin sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Antragstellers mutwillig hinweggesetzt hat (§ 1579 Nr. 5 BGB). Daß die Antragsgegnerin nicht darauf hingewirkt hat, die Überziehung des Girokontos des Antragstellers durch den Einsatz ihrer eigenen Ersparnisse zu vermeiden, rechtfertigt eine solche Annahme nicht. Dies gilt um so mehr, als dies der grundsätzlichen Handhabung der Parteien entsprochen, und die Antragsgegnerin darüber hinaus bereits durch die Einstufung nach der Einkommensteuerklasse V einen eigenen Finanzierungsbeitrag geleistet hat, nachdem sie für die damit verbundenen Steuernachteile unstreitig keinen Ausgleich erhalten hatte. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der hierdurch entstandene Schaden letztlich allein darin besteht, daß der Antragsteller mit hohen Zinsen belastet wurde, was angesichts der in Rede stehenden Beträge nicht besonders schwer wiegt, und im übrigen etwaige Vermögensverschiebungen über den Zugewinnausgleich korrigiert werden konnten, wobei mangels gegenteiliger Gesichtspunkte davon ausgegangen wird, daß für die Parteien der gesetzlichen Güterstand gegolten hat.

Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, daß der Antragsteller für seine Behauptungen keinen Beweis angetreten hat, obwohl sie in wesentlichen Punkten von der Antragsgegnerin bestritten werden, und diese insbesondere behauptet, daß die Ausgestaltung der finanziellen Verhältnisse im beiderseitigen Einvernehmen erfolgt sei; dies geht zu Lasten des Antragstellers, der für das Vorliegen eines Verwirkungstatbestandes darlegungs- und beweispflichtig ist.

Der Unterhaltsanspruch ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht dadurch verwirkt, daß die Antragsgegnerin während der langen Trennungszeit keinen Trennungsunterhalt geltend gemacht hat, denn zum einen sind die Gründe hierfür nicht ersichtlich, und zum anderen handelt es sich hierbei um einen vom Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zu unterscheidenden Unterhaltstatbestand, so daß kein Grund für die Annahme besteht, es wäre für den Antragsteller ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen worden, daß er keinen nachehelichen Unterhalt werde zahlen müssen.

Nach alledem hat das Familiengericht der Antragsgegnerin zu Recht nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 297 € zuerkannt. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist dieser Anspruch allerdings gemäß § 1578b Abs. 2 iVm Abs. 1 S. 2 und 3 BGB zeitlich zu begrenzen. Danach ist eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs vorzunehmen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob und inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Solche ehebedingten Nachteile sind hier nicht ersichtlich, denn die Antragsgegnerin übt als beamtete Grundschullehrerin exakt und zudem vollschichtig den Beruf aus, für den sie auch ausgebildet worden ist, was grundsätzlich gegen das Vorliegen ehebedingter Nachteile spricht (vgl. BGH FamRZ 2008, 1325 = FuR 2008, 401 = EzFamR BGB § 1579 Nr. 50). Daß dabei die Verdienstmöglichkeiten der Antragsgegnerin aufgrund ihres späten Eintritts in das Beamtenverhältnis nachhaltig eingeschränkt sind, ist nicht anzunehmen. Wie sich aus der im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens erteilten Auskunft der Oberfinanzdirektion K. vom 5. Juli 2005 ergibt, errechnete sich damals die Besoldung der Antragsgegnerin nach der Besoldungsgruppe A 12, Dienstaltersstufe 11; es ist daher davon auszugehen, daß die Antragsgegnerin zwischenzeitlich die höchste Dienstaltersstufe 12 erreicht hat. Demgegenüber sind Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsgegnerin bei einem früheren Eintritt in das Beamtenverhältnis als Grundschullehrerin eine bessere Position erreicht hätte, nicht ersichtlich. Insbesondere können sie entgegen der Auffassung des Familiengerichts nicht daraus hergeleitet werden, daß die Antragsgegnerin statt seit 1980 erst ab dem Jahre 1990 - zunächst in Teilzeit und ab 2006 vollschichtig - berufstätig ist, denn daß ein früherer Berufseintritt der Antragsgegnerin bessere Beförderungschancen eröffnet hätte, ist lediglich eine abstrakte Erwägung, und es gibt keinen Erfahrungssatz dahingehend, daß Grundschullehrer bei längerer Berufstätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch eine gehobene Position erlangen. Dies wird selbst von der Antragsgegnerin nicht behauptet.

Im übrigen gehen diesbezügliche Zweifel zu deren Lasten, denn wenn der Unterhaltspflichtige (wie hier) Tatsachen vorgetragen hat, die - wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf - den Wegfall ehebedingter Nachteile nahe legen, so obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die dem widersprechen (BGH aaO; FamRZ 2008, 134 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 32). Dies ist vorliegend nicht geschehen; insbesondere kann auch nicht angenommen werden, daß die Antragsgegnerin durch die Ehe davon abgesehen hat, eine weitergehende Qualifikation als Gymnasiallehrerin zu erwerben. Die diesbezüglichen Behauptungen sind rein theoretisch; konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsgegnerin diesen Weg tatsächlich eingeschlagen hätte, fehlen gänzlich. Im Hinblick darauf kann auch insoweit von einem ehebedingten Nachteil nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu auch Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 519 mwN).

Schließlich kann auch daraus, daß die Antragsgegnerin aufgrund des späten Berufseintritts nicht mehr die volle Beamtenversorgung erreichen kann, kein unterhaltsrechtlich relevanter ehebedingter Nachteil hergeleitet werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß Nachteile bei der Altersversorgung grundsätzlich über den Versorgungsausgleich kompensiert werden (vgl. BGH aaO; FamRZ 2008, 1508 = FuR 2008, 438), und die Antragsgegnerin zudem nach der erwähnten Auskunft der Oberfinanzdirektion K. immerhin noch einen Höchstsatz von 51,06% erreichen kann. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, daß die Antragsgegnerin bei ihrer Altersversorgung Nachteile erleiden würde, die unterhaltsrechtlich auszugleichen wären.

Es liegen somit keine ehebedingten Nachteile vor, die einer Herabsetzung oder zeitlichen Befristung des Unterhaltsanspruchs entgegen stehen könnten. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere des Alters der Parteien, der Dauer der Ehe, der Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, der langen Trennungszeit und des Umstands, daß der Antragsteller nicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt herangezogen wurde, was zwar einerseits darauf hindeutet, daß bereits eine gewisse wirtschaftliche Entflechtung stattgefunden hat, andererseits aber eine erhebliche Entlastung des Antragstellers bedeutet und bei der Billigkeitsabwägung zu berücksichtigen ist, erscheint es dem Senat - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - angemessen, den Unterhaltsanspruch auf die Zeit bis Oktober 2013 zu begrenzen .

Entsprechend ist das angefochtene Urteil abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93a ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2009 - 6 UF 13/09
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