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OLG München, Urteil vom 18.02.2009 - 12 UF 1277/08 - FD-Platzhalter-rund

OLG München, Urteil vom 18.02.2009
12 UF 1277/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts wegen Krankheit/Gebrechen; Präklusion des Einwands der Begrenzung des Aufstockungsunterhalts im Abänderungsprozeß.

BGB §§ 1572, 1573, 1578b

1. Aufstockungsunterhalt kann nicht gemäß §§ 1573, 1578b BGB befristet werden, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess bereits § 1573 Abs. 5 BGB a.F. eine Befristung des Unterhaltsanspruchs ermöglicht hätte. Hat der Abänderungskläger diesen Einwand der Befristung im Vorprozeß nicht vorgebracht, dann ist er insoweit gemäß § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert.
2. Im Rahmen der Befristung von Unterhalt nach § 1572 BGB hat das Gericht zwischen den ehebedingten Nachteilen des Unterhaltsgläubigers, der Dauer der Ehe, des Zeitraums, für den bereits Unterhalt gezahlt worden ist, und dem Vertrauensschutz des Unterhaltsgläubigers abzuwägen.
3. Im Rahmen des Begrenzung des nachehelichen Unterhalts hat das Gericht zu prognostizieren, wann der Unterhaltsgläubiger nach dem sich aus § 1569 BGB abzuleitenden Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit keinen Unterhalt mehr benötigt. Sollte diese Prognose unzutreffend sein, so wird das vom Gesetzgeber als gewollt hingenommen, weil er in § 1578b BGB den Krankenunterhalt nicht ausgenommen hat und den Unterhaltsgläubiger für diesen Fall auf Sozialleistungen des Staates verweist.

OLG München, Urteil vom 18. Februar 2009 - 12 UF 1277/08

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Altötting vom 26.06.2008 (1 F 9/08) dahin abgeändert, daß der Kläger einen Ehegattenunterhalt an die Beklagte von noch 75 € ab 01.07.2010 hinaus schuldet. Im übrigen werden die Berufung und die Anschlußberufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger begehrt Abänderung eines Urteils des Amtsgerichts Altötting vom 2. Januar 2007, aufgrund dessen er 380 € Unterhalt an die Beklagte zu zahlen hat. Auf dieses Urteil, auf das Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 10. November 2005 und auf das Urteil des Amtsgerichts Dorsten vom 19. März 1998, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wird Bezug genommen. Hinsichtlich der Anträge im Berufungsverfahren wird auf das obige Protokoll Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die zulässige Anschlußberufung des Klägers ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht - Familiengericht - Altötting den Unterhaltsanspruch der Beklagten zum 1. Juli 2010 befristet, soweit der Unterhaltsanspruch auf § 1572 Nr. 2 BGB beruht. Soweit er jedoch auf § 1573 Abs. 2 BGB beruht, konnte eine Befristung wegen § 323 Abs. 2 ZPO nicht erfolgen.

Das Urteil vom 2. Januar 2007 differenziert zwar nicht zwischen den beiden Unterhaltsansprüchen; jedoch aus der Historie der Unterhaltsverfahren der Parteien ergibt sich, daß das Urteil vom 2. Januar 2007 teilweise auf § 1573 Abs. 2 BGB und teilweise auf § 1572 BG beruht. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung:

Im Urteil vom Amtsgerichts Dorsten vom 19. März 1998 ist festgestellt worden, daß das Amtsgericht damals von einer vollständigen Erwerbsunfähigkeit der Beklagten ausgegangen ist. Im Urteil vom 10. November 2005 des Amtsgerichts Altötting hingegen wird der Beklagten eine teilweise Erwerbsfähigkeit unterstellt und ihr ein fiktives Einkommen zugerechnet. Dieses fiktive Einkommen von 188 € wird auch im Urteil vom 2. Januar 2007 unterstellt. Daraus ergibt sich, daß der Unterhalt teilweise auch auf § 1573 BGB gestützt wurde. Das Verhältnis von Aufstockungsunterhalt zum Krankenunterhalt errechnet sich daraus, wie der Unterhalt ohne ein fiktives Einkommen zu berechnen wäre. In diesem Falle hätte der Beklagten ein Unterhaltsanspruch von 594 € zugestanden, unter Berücksichtigung des fiktiven Einkommens ein Unterhaltsanspruch von 500 €. Die Differenz zwischen beiden Berechnungen ergibt einen Betrag von 94 €. Dieser Anteil beruht auf dem Aufstockungsunterhalt. Da der Beklagten aber auch noch ersparte Aufwendungen in Höhe von 120 € zuzurechnen waren, mußten diese im Verhältnis zu dem Unterhalt von 594 € gesetzt werden; dies macht einen Betrag von 20,2% aus. Dieser Anteil von 20,2% ist wiederum in Abzug zu bringen von den 94 €, die auf dem Aufstockungsunterhalt beruhen, so daß ein Restbetrag von 75 € verbleibt.

Dieser Aufstockungsunterhalt von 75 € kann nicht gemäß §§ 1573, 1578b BGB befristet werden, weil der Kläger insoweit gemäß § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006 = FuR 2006, 374 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 25) stand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, die dem Urteil vom 2. Januar 2007 vorausgegangen ist, fest, daß § 1573 Abs. 5 BGB a.F. eine Befristung des Unterhaltsanspruchs ermöglichte. Der Kläger hätte daher diesen Einwand der Befristung bereits im Verfahren 1 F 432/06 (AmtsG Altötting) vorbringen müssen. Dies ist unterblieben.

Den Parteien mußte keine erneute Schriftsatzfrist eingeräumt werden, weil das Problem der Befristung bereits Gegenstand beider Instanzen war, im heutigen Termin erörtert wurde, und die Parteien Gelegenheit hatten, zu dem Rechenergebnis - wie oben dargestellt - Stellung zu nehmen. Eine Fortdauer des Aufstockungsunterhalts würde voraussetzen, daß die Beklagte arbeitsfähig ist. Dies verneint sie aber, so daß der Unterhaltsanspruch in Höhe von 380 € auch nicht aus anderen Gründen aufrecht erhalten werden kann.

Das Amtsgericht hat daher zu Recht den Unterhalt, der auf Krankenunterhalt beruht, zeitlich befristet. Insoweit ist der Kläger nicht präkludiert, weil erst ab 1. Januar 2008 der Unterhaltsanspruch hinsichtlich der Dauer befristet werden kann. Daß er nach § 1578 BGB a.F. der Höhe nach herabgesetzt werden konnte, betrifft eine andere Fallgestaltung.

Das Amtsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise den Krankenunterhalt ab 1. Juli 2010 befristet. Hierbei hat es zu Recht eine Abwägung zwischen den ehebedingten Nachteilen der Beklagten, der Dauer der Ehe, des Zeitraums, für den bereits Unterhalt bezahlt worden ist und dem Vertrauensschutz der Beklagten gemäß § 36 Nr. 1 EGZPO vorgenommen. Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, daß ein wesentlicher ehebedingter Nachteil darin lag, daß sie mit der Eheschließung ihre Berufsausbildung abgebrochen hat. Dieser Nachteil ist aber mittlerweile dadurch kompensiert worden, daß sie eine Ausbildung zur Fußpflegerin erfolgreich abgeschlossen und in diesem Beruf auch gearbeitet hat. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß die Ehe bis zur Rechtskraft der Scheidung etwas mehr als 14 Jahre dauerte, und daß der Kläger seit dieser Zeit zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt verpflichtet ist. Der Krankenunterhalt ist gemäß § 1578b BGB seit 1. Januar 2008 befristbar. Zwar genießt die Beklagte Vertrauensschutz, weil der Unterhaltstitel vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2008 entstanden ist; jedoch ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte aus dem Unterhaltstitel derzeit nur 25 € vollstrecken kann, und sie nach eigenen Angaben derzeit zwar erwerbsunfähig ist, aber nicht auszuschließen ist, daß sie wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen werde.

Daher kann die Beklagte den sich aus § 1569 BGB abzuleitenden Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit spätestens ab 1. Juli 2010 erfüllen. Sollte diese Prognose unzutreffend sein, so wird das vom Gesetzgeber als gewollt hingenommen, weil er in § 1578b BGB den Krankenunterhalt nicht ausgenommen hat und den Unterhaltsberechtigten für diesen Fall auf Sozialleistungen des Staates verweist. Unter Abwägung dieser Umstände ist daher die Befristung des Unterhaltsanspruchs, soweit er auf § 1572 Nr. 2 BGB beruht, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte gewinnt nur geringfügig; streitwertmäßig wirkt sich dies mit einem Betrag von unter 10% aus. Daher ist eine Kostenaufhebung angemessen.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor; der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Krankenunterhalt (Urteil vom 26. November 2008 - FamRZ 2009, 406 = FuR 2009, 203) ab. Im übrigen liegt, was die Abwägung angeht, eine Einzelfallentscheidung vor, die der Revision nicht zugänglich ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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