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OLG Koblenz, Urteil vom 04.11.2010 - 5 U 549/10 - FD-Platzhalter-rund

OLG Koblenz, Urteil vom 04.11.2010
5 U 549/10



Behandlung von Zuwendungen der Eltern an das Schwiegerkind nach Scheitern der Ehe; Rückgewähr eines Darlehens an das Schwiegerkind; Rückforderungsansprüche der Schwiegereltern nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, nach Schenkungsrecht und nach Bereicherungsrecht.

BGB §§ 242, 313, 516, 812

Im Rahmen von Geldzuwendungen von Eltern an das Schwiegerkind nach Scheitern der Ehe ihres Kindes besteht keine Identität der Streitgegenstände »Darlehen« einerseits und »Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Schenkung« andererseits.

OLG Koblenz, Urteil vom 4. November 2010 - 5 U 549/10

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 01.04.2010 (4 O 284/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung eine entsprechende Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat im erstmals in zweiter Instanz hilfsweise geltend gemachten Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Schenkung einen neuen und daher nicht zu berücksichtigenden Streitgegenstand sieht.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihrem ehemaligen Schwiegersohn, die Zahlung von 25.564,59 € nebst Zinsen abzüglich am 1. Dezember 2009 von der Tochter der Klägerin gezahlter 12.500 €. Insoweit begehrt die Klägerin die Feststellung der Erledigung.

1993 kauften der Beklagte und seine damalige Ehefrau, die Tochter der Klägerin, ein Hausgrundstück. Für den Erwerb des Familieneigenheims gewährten die Klägerin und ihr Ehemann einen Betrag von 50.000 DM. Nachdem die Ehe der Tochter 2007 scheiterte, forderte die Klägerin zunächst die volle und nach einer Teilzahlung ihrer Tochter (12.500 €) die restliche Erstattung der Zahlung mit der Behauptung, das Geld sei den Empfängern als Darlehen gewährt worden. Dem ist der Beklagte mit der Behauptung entgegen getreten, es habe sich um eine Schenkung gehandelt.

Das Landgericht Koblenz hat Zeugenbeweis erhoben, die Parteien angehört und die Klage hiernach mit der Begründung abgewiesen, die Hingabe des Geldes als Darlehen sei nicht bewiesen. Soweit wegen des Scheiterns der Ehe an einen Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Schenkung zu denken sei, stehe dem entgegen, daß die Klägerin ausdrücklich nur die Hingabe als Darlehen behauptet habe. Den Sachvortrag des Beklagten zur Schenkung des Geldes habe die Klägerin sich nicht hilfsweise zu eigen gemacht. Im Übrigen sei das Vorbringen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage einer etwaigen Schenkung unzureichend; auch müsse bedacht werden, daß angesichts der langen Ehedauer allenfalls ein partieller Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht komme.

Mit der Berufung wiederholt die Klägerin die erstinstanzlichen Anträge. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegne durchgreifenden Bedenken. Sollte das Berufungsgericht dies anders sehen, mache sie sich hilfsweise den Sachvortrag des Beklagten zu eigen und verlange Rückgewähr der Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Der Beklagte bestreitet weiterhin, das Geld als Darlehen empfangen zu haben. Das Hilfsvorbringen der Klägerin sei verspätet, aber auch unsubstantiiert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Soweit die Klägerin ihren Zahlungsantrag auf die in erster Linie behauptete Hingabe des Geldes als Darlehen stützt, folgt der Senat der Würdigung des Landgerichts, wonach die Vereinbarung der Rückgewähr nicht bewiesen ist. Im Hilfsvorbringen der Klägerin (Hingabe des Geldes als Schenkung, deren Geschäftsgrundlage entfallen ist), sieht der Senat einen neuen, erstmals in zweiter Instanz in das Verfahren eingeführten Streitgegenstand, durch den das Urteil erster Instanz nicht falsifiziert werden kann, und dessen Berücksichtigung auch nicht sachdienlich ist.

Im Einzelnen:

Das Landgericht hat die Zeugen M. (Tochter der Klägerin), M. V. (Mutter des Beklagten) und V. V. (Vater des Beklagten) gehört und sich hiernach nicht davon überzeugen können, daß die 1993 gezahlten 50.000 DM als Darlehen gewährt wurden. Der Senat folgt der Beweiswürdigung des Landgerichts und nimmt auf die überzeugenden Ausführungen des Einzelrichters statt Wiederholung Bezug. Was die Berufung dagegen vorbringt, überzeugt nicht und erfordert daher auch keine Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme. Nach der Darstellung der Zeugin M. wurden während der Ehezeit »viele Anschaffungen, neue Autos, Renovierungen im Hause oder Reisen getätigt«. War für derartige Dinge Geld vorhanden, ist das nicht mit der Behauptung der Zeugin in Einklang zu bringen, man habe die Rückgewähr der 50.000 € der Klägerin und deren Ehemann »in die Hand versprochen«.

Daß neue Autos gekauft und Reisen unternommen wurden, kann der Klägerin und deren Ehemann nicht verborgen geblieben sein. All das wortlos akzeptiert und über mehr als ein Jahrzehnt nie an die angeblich versprochene Rückgewähr des Geldes erinnert zu haben, indiziert, daß das Landgericht die Klägerin zu Recht als beweisfällig angesehen hat. Ein Darlehensrückzahlungsanspruch kann ihr demnach nicht zuerkannt werden.

Bei dem erstmals von der Berufung hilfsweise geltend gemachten Bereicherungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer Schenkung, handelt es sich um einen neuen und anderen Streitgegenstand, den die Klägerin in erster Instanz nicht geltend gemacht hat. Weder in der Klageschrift noch in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts hat die Klägerin hilfsweise darauf abgehoben, das Geld in der Erwartung geschenkt zu haben, damit auf Dauer aus Altruismus das Familieneigenheim von Tochter und Schwiegersohn zu finanzieren. Die hierzu vom Landgericht im angefochtenen Urteil angestellten Hilfserwägungen waren daher nicht veranlaßt.

Herrin des Streitgegenstands ist allein die Klägerin. Was sie nicht zur Entscheidung des Landgerichts gestellt hatte, durfte dort auch nicht beschieden werden. Der Anspruch auf Rückgewähr einer Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat tatsächliche Umstände zur Grundlage, die nach Auffassung des Senats in keiner Weise mit dem Tatsachenstoff zu vergleichen sind, der einem Darlehen zugrunde liegt. Die jeweiligen für die Anspruchsbegründung maßgeblichen Lebenssachverhalte unterscheiden sich daher wesentlich (so wohl auch BGH, Urteil vom 22. September 2009 - Xa ZR 77/08 - juris). Der Sache nach handelt es sich bei dem Hilfsvorbringen der Berufung daher um die erstmalige Einführung eines neuen Streitgegenstands in zweiter Instanz. Der Beklagte hat in diese Klageerweiterung nicht eingewilligt; der Senat erachtet sie auch nicht als sachdienlich. Der Klägerin ist es unbenommen, den Streitgegenstand »Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Schenkung« in einem weiteren Verfahren geltend zu machen, das die Rechte des Beklagten auf den Instanzenzug wahrt.

Da die Klärung der Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art Identität der Streitgegenstände »Darlehen« einerseits und »Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Schenkung« andererseits besteht, der Fortbildung des Rechts dient, läßt der Senat die Revision zu.

Sollte das Revisionsgericht eine Identität der Streitgegenstände bejahen, ist außerdem von grundsätzlicher Bedeutung, wie nach einer langen Ehedauer (hier: 14 Jahre) der Umfang der verbliebenen Bereicherung zu bemessen ist.

Die Entscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Den Streitwert des Berufungsverfahrens bemißt der Senat auf 15.000 €.

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