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OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2009 - II-8 UF 113/08 - FD-Platzhalter-rund

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2009
II-8 UF 113/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Beschränkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt bei untypischem Eheverlauf (hier: Geburt des ersten Kindes erst nach längerer Ehedauer, Geburt eines weiteren Kindes erst im Alter der Mutter mit knapp 50 Jahren); Bemessung des nachehelichen Unterhalts; ausdrückliche Beschränkung des Unterhaltsanspruchs auf die Sättigungsgrenze für den Quotenunterhalt; Unzulässigkeit der zusätzlichen Geltendmachung einer im Rahmen einer konkreten Bedarfsbemessung zu berücksichtigenden weiteren Unterhaltsposition.

BGB §§ 1570, 1578, 1578b

1. Bei dergestalt untypischem Eheverlauf, daß das erste Kind der Parteien erst nach längerer Ehedauer (hier: ca. 14 Jahre) geboren wurde, und für die Ehefrau nach der Geburt eines weiteren Kindes erst mit knapp 50 Jahren eine Erwerbsobliegenheit eingetreten ist, ist eine Beschränkung des Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt gemäß § 1578b BGB nicht geboten.
2. Beschränkt ein Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch ausdrücklich auf die Sättigungsgrenze für den Quotenunterhalt, ist es nicht möglich, zusätzlich eine weitere Unterhaltsposition, die im Rahmen einer konkreten Bedarfsbemessung zu berücksichtigen wäre, geltend zu machen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Januar 2009 - II-8 UF 113/08

Tenor

1. Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Oberhausen vom 27.03.2008 (43 F 304/05) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Oberhausen vom 27.03.2008 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Ehegattenunterhalt von 1.114 € zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% der aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am 26. Juni 1954 geborene Antragsteller und die am 9. Februar 1957 geborene Antragsgegnerin haben am 29. Oktober 1976 geheiratet. Die Trennung erfolgte bereits 1995; seit 19. März 2008 sind die Parteien rechtskräftig geschieden. Soweit die Antragsgegnerin gleichwohl - verfristet - Berufung gegen das Scheidungsurteil eingelegt hat, hat sie diese nach dem Hinweis des Senats durch Beschluß vom 23. Oktober 2008 auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zurückgenommen.

Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: H. (geboren am 8. Mai 1990), die bis Anfang 2005 bei der Mutter gelebt hat und dann zum Vater gewechselt ist, und T. (geboren am 1. Oktober 1994), der durchgängig bei der Mutter wohnt; der Antragsteller zahlt für T. monatlich 417 € Kindesunterhalt.

Im vorliegenden Verbundverfahren ist der Scheidungsantrag des Antragstellers der Antragsgegnerin am 1. März 2005 zugestellt worden. In erster Instanz war auch der Umgang des Antragstellers zu T. streitig; zudem hat die Antragsgegnerin die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich anhängig gemacht. Das Amtsgericht - Familiengericht - Oberhausen hat in der Sitzung vom 24. Januar 2008 die Folgesachen Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt abgetrennt und die Ehe der Parteien geschieden. Über die Folgesache nachehelicher Unterhalt wurde durch Urteil vom 27. März 2008 und über die Folgesache Versorgungsausgleich durch Beschluß vom 27. März 2008 entschieden. Die Folgesache Zugewinnausgleich ist noch in erster Instanz zur weiteren Sachaufklärung anhängig.

Die beruflichen Biografien der Parteien stellen sich wie folgt dar:

Der Antragsteller war bis 1978 als Polizist tätig. Durch einen schweren Unfall wurde er dienstunfähig. In der Folgezeit hat er Medizin studiert; seit 1990 ist er als Arzt tätig, seit März 1994 in selbständiger Praxis. In den Jahren 2004 und 2006 hat er jeweils einen Herzinfarkt erlitten; nach dem zweiten Infarkt ist er nach eigenem Vorbringen nicht mehr berufstätig, sondern hat für seine Praxis eine Vertretung eingeschaltet.

Die Antragsgegnerin hat von 1974 bis 1991 als Dekorateurin in einem Textilkaufhaus gearbeitet; daneben hat sie im Dezember 1987 auf der Abendschule das Abitur gemacht. Ab dem Wintersemester 1988/89 hat sie - neben der Erwerbstätigkeit - studiert (Magister in Philosophie, Kunst und Pädagogik). Das Studium hat sie, als dann die Kinder kamen, nicht abgeschlossen. Im Jahre 2005 hat die Antragsgegnerin eine Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Kultur- und Freizeitmanagement durchlaufen. Die Antragsgegnerin, vom Antragsteller selbst in der Antragsschrift als »Künstlerin«, die »projektbezogen« arbeite, bezeichnet, war von August 2001 bis Januar 2005 als künstlerisch/pädagogische Kraft im Bereich von Grundschulen tätig, zudem von 2001 bis 2005 als Museumspädagogin am L.-Museum in D. und von 2005 bis 2008 an Projekten der Schulkulturbörse D. beteiligt; die letztgenannten Tätigkeiten waren jedoch zumindest bis zum versicherungstechnischen Ende der Ehezeit am 28. Februar 2005 nicht mit versicherungspflichtigen Einkünften verbunden. Die Antragsgegnerin erzielt nunmehr aus selbständiger Tätigkeit monatliche Bruttoeinkünfte von rund 400 €, ist jedoch bereit, sich durchgehend ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 800 € fiktiv zurechnen zu lassen.

Von 1995 bis Februar 2005 wurde vom Antragsteller einvernehmlich Trennungsunterhalt von zuletzt ca. 1.345 € gezahlt. In der Zeit von März 2005 bis Juli 2006 zahlte der Antragsteller monatlich 1.202 €, ab August 2006 monatlich 1.314 € Trennungsunterhalt.

Im parallel laufenden Trennungsunterhaltsverfahren (II-8 UF 66/08) hatte der Senat über eine Beschwerde der Antragsgegnerin (dort: Klägerin) im dortigen Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsverfahren zu befinden. Im Senatsbeschluß vom 1. März 2007 (II-8 WF 30/07 - n.v.) - heißt es unter anderem:

» Der Senat sieht von einer eigenen Sachentscheidung über die Beschwerde der Klägerin ab, denn diese hat bislang ihre Klageforderung nicht schlüssig begründet. Es werden Unterhaltsbeträge geltend gemacht, die eine nachvollziehbare Darlegung des konkreten Unterhaltsbedarfs erfordern; in der Regel, von der vorliegend abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist eine konkrete Unterhaltsberechnung erforderlich, wenn ein Unterhaltsbedarf von mehr als 2.000 € monatlich geltend gemacht wird (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 368a). Dementsprechend ist es dem Senat verwehrt, eine Berechnung des der Klägerin zustehenden Ehegattenunterhalts vorzunehmen.

Die Klägerin wird in der Folge zunächst eine konkrete Unterhaltsberechnung vorzunehmen haben. Das Amtsgericht wird sodann - unter Beachtung der obigen Rechtsauffassung des Senats - darüber zu befinden haben, ob der Klägerin über den im angefochtenen Beschluß bewilligten Rahmen hinaus weitere Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist. «

Mit dortigem Schriftsatz vom 13. April 2007 erklärte die Antragsgegnerin, daß sie einen über den Quotenunterhalt von 2.000 € hinausgehenden Bedarf nicht darlegen und nachweisen könne, da der Antragsteller seine Einkünfte im wesentlichen für sich verwende; sie beschränke sich daher auf den Höchstquotenunterhalt von 2.000 €. Die genannte Beschränkung hat die Antragsgegnerin auch in dem vorliegenden Verfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt vorgenommen.

Das Amtsgericht hat den Antragsteller zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalts von (886 € Elementarunterhalt und 202,76 € Altersvorsorgeunterhalt =) 1.088,76 € verurteilt. Beide Parteien haben Berufung eingelegt.

Der Antragsteller beantragt, in Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils den Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antragsteller in Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalts von (Elementarunterhalt 1.314 € und Altersvorsorgeunterhalt 340 € =) 1.654 € zu verurteilen.

Der Antragsteller begründet seine Berufung damit, daß die Antragsgegnerin seit nunmehr mehr als 2½ Jahren eine verfestigte Beziehung zu einem neuen Partner unterhalte. Ein Unterhaltsanspruch sei somit verwirkt; jedenfalls sei ein - möglicher - Anspruch gemäß § 1578b BGB zu befristen oder zu begrenzen, da keine ehebedingten Nachteile gegeben wären, wenn die Antragsgegnerin konsequent ihren Erwerbsobliegenheiten nachgekommen wäre. Auch rechnerisch sei das Amtsgericht zu einem überhöhten Unterhaltsanspruch gelangt: Von seinem - im übrigen unstreitig belassenen - Einkommen sei ein Abzug wegen überobligationsmäßiger Erwerbstätigkeit im Hinblick auf seine Erwerbsunfähigkeit vorzunehmen, und seine zusätzliche Altersversorgung sei in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 874,31 € zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin erstrebte mit ihrer Berufung zunächst einen monatlichen Elementarunterhalt von 2.000 € sowie Altersvorsorgeunterhalt von 577 €; sie hat ihre Forderung im Senatstermin vom 12. November 2008 auf 1.314 € bzw. 340 € reduziert. Soweit sie darauf verzichtet habe, ihren konkreten Unterhaltsbedarf darzulegen, und ihren Unterhalt auf den Quotenunterhalt an der Sättigungsgrenze von 2.000 € beschränkt habe, habe sich dies lediglich auf den Elementarunterhalt bezogen, nicht jedoch auf den zusätzlichen Altersvorsorgeunterhalt. Ihr sei nach ihrer Erwerbsbiografie kein höheres bereinigtes monatliches Nettoeinkommen als 800 € zuzurechnen. Im übrigen sei das ihr zuzurechnende Einkommen - gleich in welcher Höhe - nicht vom Bedarf von 2.000 € als bedarfsdeckend abzuziehen, sondern vielmehr vom bereinigten Nettoeinkommen des Antragstellers, welches höher liege, um erst danach festzustellen, ob der so errechnete Unterhaltsanspruch über oder unter der Sättigungsgrenze liegt. Das Einkommen des Antragstellers liege im übrigen höher als vom Amtsgericht berechnet. Schließlich lebe sie nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Im übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Antragstellers hat keinen Erfolg; die Berufung der Antragsgegnerin führt nur in geringem Umfange zur Abänderung des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils. Der Antragsteller ist gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt - Elementarunterhalt - in Höhe von monatlich 1.114 € an die Antragsgegnerin verpflichtet.

1. Berufung des Antragstellers

Von einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ist nicht auszugehen. Der Antragsteller hat lediglich pauschal behauptet, daß die Antragsgegnerin seit über 2½ Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Die Antragsgegnerin hat dies bestritten und dazu erklärt, daß es sich um eine »lose Bekanntschaft« zu einem Mann handele, mit dem sie nicht zusammenlebe. Letzteres führt unterhaltsrechtlich nicht zu einer Verwirkung, so daß der Antragsteller konkrete Anhaltspunkte dafür darlegen müßte, daß die Antragsgegnerin tatsächlich in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt (Palandt/Brudermüller, BGB 68. Aufl. § 1579 Rdn. 42); es fehlt insoweit jedoch jedes konkrete Vorbringen und jeglicher Beweisantrag.

Eine Beschränkung des Unterhalts nach Maßgabe des § 1578b BGB ist nicht vorzunehmen. Es handelt sich vorliegend um einen völlig atypischen Eheverlauf, in dem erst nach rund 14 Jahren das erste Kind und nach 18 Jahren das zweite Kind geboren wurden. Bis zur ersten Schwangerschaft hat die Antragsgegnerin, wie sich dem Versicherungsverlauf in der Auskunft der BfA vom 13. Mai 2005 entnehmen läßt, relativ gut verdient, wenn es sich auch beim Einkommen des Jahres 1989 mit 44.800 DM um ein durch mögliche Sonderzahlungen mitgeprägtes Einkommen gehandelt haben mag; in den Jahren zuvor lagen die Bruttoeinkünfte der Antragsgegnerin in der Größenordnung zwischen 37.000 DM und 40.000 DM. Der Karriereabbruch durch die erste Schwangerschaft ist jedoch offenkundig, und die Antragsgegnerin hätte nach der früheren Rechtsprechung des Senats zur eigenen Erwerbsobliegenheit frühestens zur Zeit des Jahreswechsels 2004/2005, als T. 10 Jahre alt wurde, und H. zum Vater gewechselt ist, wieder teilzeitig arbeiten müssen. Sie war zu diesem Zeitpunkt 48 Jahre alt und seit rund 15 Jahren nicht mehr in ihrem Beruf tätig. Angesichts der langen Abstinenz und des fortgeschrittenen Alters erscheint es ausgeschlossen, daß die Antragsgegnerin in ihrem Beruf wieder - mit weiteren Aufstiegsmöglichkeiten - hätte anknüpfen können, zumal ihr Metier (zuletzt war sie laut Zeugnis ihres früheren Arbeitgebers vom 7. August 1991 als Schauwerbegestalterin zur Umsetzung neuer Schaufensterkonzepte tätig) in den dazwischen liegenden Jahren erheblichen Veränderungen ausgesetzt gewesen sein dürfte. Eine Obliegenheit der Antragsgegnerin zu einer vollschichtigen Tätigkeit hat im übrigen nach der alten Rechtsprechung frühestens im Laufe des Jahres 2006 eingesetzt und besteht nach der neuen Rechtslage jedenfalls seit Anfang 2008; zu den genannten Zeitpunkten war die Antragsgegnerin jedoch bereits ca. 50 Jahre alt und damit noch weniger in der Lage, an ihre frühere berufliche Laufbahn anzuknüpfen.

Auch die mit Aufnahme des Hochschulstudiums im Wintersemester 1988/89 angestrebte akademische Laufbahn wurde nicht realisiert, wobei dies infolge des offenkundigen zeitlichen Zusammenhangs durch die Geburt der beiden Kinder begründet oder jedenfalls entscheidend geprägt war, zumal davon auszugehen ist, daß der Antragsteller, der 1990 seinen Beruf als Arzt aufnahm und sich 1994 selbständig gemacht hat, dadurch zur Kindererziehung und Haushaltsführung nicht oder allenfalls eingeschränkt zur Verfügung stand.

Ebenso ist zu beachten, daß die Antragsgegnerin bis zur Geburt des ersten Kindes lange Jahre Hauptverdienerin in der Ehe mit dem Antragsteller war, wobei dahinstehen kann, ob bzw. in welcher Höhe der Antragsteller durch seine - nicht näher bezifferte - Pension infolge seines Dienstunfalls ebenfalls zur Haushaltsführung und den Kosten seiner Studienausbildung beigetragen hat.

Danach handelt es sich vorliegend um einen geradezu »klassischen« Fall ehebedingter Nachteile, die auszugleichen dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach Trennung und Scheidung nicht mehr möglich sind. Angesichts der Stringenz, mit der die Antragsgegnerin ihren beruflichen Werdegang bis zur Geburt des ersten Kindes gestaltet hat (durchgehende Berufstätigkeit mit steigenden Einkünften, daneben Abitur und anschließendes Studium), ist im übrigen mit hinreichender Gewähr davon auszugehen, daß sie nunmehr bei ununterbrochener Karriere Nettoeinkünfte in der Größenordnung ihres Unterhaltsbedarfs von 2.000 € erzielen könnte. Soweit die Antragsgegnerin in den Jahren ab 2005 teilweise gegen ihre Erwerbsobliegenheit verstoßen haben mag, ist dies nicht ursächlich für die bereits zuvor eingetretenen ehebedingten Nachteile, sondern lediglich bei der Zumessung eines fiktiven Einkommens zu berücksichtigen.

Der Einwand des Antragstellers, 1/3 seines Einkommens sei wegen seiner schweren Erkrankung als überobligatorisch zu bewerten, liegt offenkundig neben der Sache. Der Antragsteller, der die Darlegungs- und Beweislast für seine Leistungsfähigkeit trägt (Unterhalt aufgrund konkreter Bedarfsbemessung), beläßt sein vom Amtsgericht auf der Grundlage der Einkommensunterlagen für die Jahre 2002 bis 2004 errechnetes Einkommen in der Berufungsinstanz ausdrücklich unstreitig; an anderer Stelle erwähnt er, daß er Krankengeld beziehe, so daß davon auszugehen ist, daß er durch das Krankengeld und die Zahlungen, die sein Praxisvertreter an ihn erbringt, jedenfalls nicht schlechter gestellt ist. Da er nach seinem eigenen Vorbringen nach wie vor nicht arbeitet, ist nicht ersichtlich, wieso sein Einkommen als überobligatorisch zu bewerten wäre, denn er erbringt dafür keine Arbeitsleistungen, die von ihm gegebenenfalls tatsächlich nicht verlangt werden könnten, sondern bezieht seine Einkünfte aus anderen Quellen, so daß keine Veranlassung für eine teilweise Nichtberücksichtigung seines Einkommens gegeben ist.

Das Vorbringen der Berufung zu den Beiträgen zur zusätzlichen Altersversorgung des Antragstellers liegt ebenfalls neben der Sache; das Amtsgericht hat die geltend gemachten Monatsbeträge von 874,31 € in voller Höhe als einkommensmindernd berücksichtigt (Urteil vom 6. März 2008).

Der Antragsteller ist im übrigen dadurch, daß das Amtsgericht - zu Unrecht, s. unten - einen Teilbetrag des nachehelichen Unterhalts als Vorsorgeunterhalt tituliert hat, nicht beschwert, solange der titulierte Gesamtunterhalt geschuldet wird, wie es hier - s. ebenfalls unten - der Fall ist. Die Berufung des Antragstellers hat mithin keinen Erfolg.

2. Berufung der Antragsgegnerin

Die Berufung der Antragsgegnerin ist von einem entscheidenden Mißverständnis geprägt. Soweit die Antragsgegnerin meint, sie könne konkreten Bedarf und Quotenbedarf derart »kombinieren«, daß sie sich in Vermeidung der Darlegung ihres konkreten Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zum Elementarunterhalt auf die Sättigungsgrenze beschränkt und zusätzlich Altersvorsorgeunterhalt als konkreten Bedarf geltend macht, ist dies nicht möglich; Unterhalt ist entweder als Quotenunterhalt oder nach einer konkreten Bedarfsberechnung zu bemessen, nicht jedoch aus einer beliebigen Kombination zwischen beiden Berechnungsvarianten. Jede Altersvorsorge, soweit sie nicht überzogen ist und der Vermögensbildung dient, ist im Rahmen einer Unterhaltsberechnung, sei es konkret, sei es nach Quote, zu berücksichtigen, jedoch lediglich im »geschlossenen System«. Danach gehört der Altersvorsorgeunterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB zum Lebensbedarf und mithin zu den Positionen, die bei der konkreten Bedarfsbemessung wertbestimmend zu berücksichtigen sind (Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 6. Aufl. 6. Kap. Rdn. 273; Eschenbruch, Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 1346; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 4 Rdn. 367). Indem die Antragsgegnerin - durchgehend auch in zweiter Instanz - ihren Elementarunterhalt auf 2.000 € und zusätzlich ihren Altersvorsorgeunterhaltsbedarf auf 577 € beziffert, hat sie entgegen der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast (Wendl/Staudigl, aaO Rdn. 367) ihren konkreten Bedarf nicht hinreichend dargetan, so daß sie an der selbst gewählten Sättigungsgrenze von 2.000 € mit ihrem Gesamtunterhaltsbedarf festzuhalten ist, der im übrigen vom Antragsteller nicht bestritten worden ist.

Die Beschränkung der Berufung im Senatstermin auf Elementarunterhalt von 1.314 € und Altersvorsorgeunterhalt von 340 € führt im übrigen zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Antragsgegnerin ist ein eigenes unterhaltsrelevantes Einkommen von 896 € zuzurechnen (s. unten), so daß ein Bedarf von 2.550 € zugrunde zu legen wäre; dieser liegt jedoch deutlich über der Sättigungsgrenze - selbst wenn diese mittlerweile im Bereich von 2.200 € anzusetzen wäre -, so daß es einer Darlegung des konkreten Unterhaltsbedarfs bedurft hätte, die die Antragsgegnerin jedoch nicht vorgenommen hat.

Auch in der weiteren Argumentation zu ihrer Bedürftigkeit vermengt die Antragsgegnerin zu Unrecht die genannten unterschiedlichen Unterhaltsberechnungsformen, indem sie meint, zur Überprüfung des Erreichens der Sättigungsgrenze sei es geboten, ihr eigenes Einkommen vom unterhaltsrelevanten Einkommen des Antragstellers abzuziehen und so zu »überprüfen«, ob ein Quotenunterhalt unter- oder oberhalb der Sättigungsgrenze liegt. Ist (wie hier) der Bedarf konkret ermittelt worden, und sei es unter Zugrundelegung der Sättigungsgrenze, so ist bei der Überprüfung der Bedürftigkeit nicht erneut auf die Quotenberechnungsmethode abzustellen, sondern allein darauf, ob der im ersten Schritt ermittelte - konkrete - Bedarf durch eigene Einkünfte der Berechtigten gedeckt ist (Wendl/Staudigl, aaO § 4 Rdn. 370a, 533). Danach ist das Einkommen, das der Antragsgegnerin zugerechnet wird, in vollem Umfange von ihrem Bedarf von 2.000 € (und nicht von einem möglichen höheren Einkommen des Antragstellers) abzuziehen.

Auch das Amtsgericht ist im übrigen einem Systembruch unterlegen, als es der Antragsgegnerin nach Ermittlung des Elementarunterhalts noch Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen hat, denn auch dieser war im Ausgangsbetrag der Berechnung von 2.000 € nach den obigen Ausführungen in vollem Umfange enthalten und wird durch das der Antragsgegnerin zuzurechnende Einkommen vollständig abgedeckt, ohne daß er sodann nach Ermittlung des Elementarunterhalts wieder zusätzlich verlangt werden kann.

Entscheidend kommt es danach für die Unterhaltsbedürftigkeit der Antragsgegnerin darauf an, welches Einkommen ihr zuzurechnen ist. Ob die Antragsgegnerin, die selbst 800 € netto zugesteht, tatsächlich - wie das Amtsgericht meint - ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.300 € erzielen könnte, erscheint angesichts ihres beruflichen Werdegangs, insbesondere der ca. 15-jährigen Unterbrechung, und ihres Alters von nahezu 50 Jahren, in dem sie wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehrt, als überzogen; andererseits verfügt sie, wie es ihr auch bescheinigt wurde, durchaus über Fähigkeiten, die sie nicht auf eine Stufe mit einer völlig ungelernten Arbeitskraft ohne nennenswerten beruflichen und persönlichen Hintergrund stellen. Das führt unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Arbeitsmarktes zu der Einschätzung, daß die Antragsgegnerin bei den ihr obliegenden Erwerbsbemühungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100 € erzielen könnte, und ihr ein solches mithin fiktiv zuzurechnen ist. Zur Bedarfsdeckung sind davon (1.100 € ./. 55 € berufsbedingte Aufwendungen ./. 149 € Anreizsiebtel =) 896 € einzusetzen, so daß ein ungedeckter Unterhaltsbedarf von 1.114 € verbleibt. Ein weiterer Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt besteht daneben - wie ausgeführt - nicht.

Auf die - von der Antragsgegnerin behauptete höhere - Leistungsfähigkeit des Antragstellers kommt es im übrigen nach den vorstehenden Ausführungen nicht mehr an.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 93a, 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, zum einen, soweit der Senat eine Beschränkung des Unterhalts nach Maßgabe des § 1578b BGB nicht vorgenommen hat, zum anderen betreffend die Frage, ob neben der von der Partei selbst vorgenommenen Beschränkung des Unterhaltsanspruchs auf eine Sättigungsgrenze zusätzlich eine konkret benannte einzelne Unterhaltsposition geltend gemacht werden kann.

Streitwert für die Berufungsinstanz: Berufung Antragsteller 13.065,12 €; Berufung Antragsgegnerin bis zum 11. November 2008 17.858,88 €, danach 6.782,88 €; insgesamt bis zum 11. November 2008 30.924 €, danach 19.848 €.

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