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OLG Celle, Urteil vom 12.05.2009 - 10 UF 264/08 - FD-Platzhalter-rund

OLG Celle, Urteil vom 12.05.2009
10 UF 264/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Unterhalt wegen Kinderbetreuung; Erwerbsobliegenheit trotz Kinderbetreuung; Begrenzung des nachehelichen Unterhalts.

BGB §§ 1570, 1578b

1. Betreuungsunterhalt bei Betreuung eines Kindes mit Legasthenie.
2. Zur Begrenzung des nachehelichen Unterhalts wegen Kindesbetreuung sowie bei ehebedingten Nachteilen.

OLG Celle, Urteil vom 12. Mai 2009 - 10 UF 264/08

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 10.10.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover (609 F 2980/08) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf (13 x 341 € =) 4.433 € festgesetzt.


Tatbestand

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 10. Oktober 2008 verwiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und nach den Schlußanträgen der ersten Instanz zu erkennen.

Der Kläger wiederholt im wesentlichen seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei auch unter Berücksichtigung der Betreuung der beiden Töchter seit dem Inkrafttreten der Unterhaltsreform zum 1. Januar 2008 zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Sie habe nicht dargetan, daß sie an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert sei. A. besuche die 9. Klasse der Gesamtschule L. und erfahre dort eine Ganztagsbetreuung von 8 Uhr bis 15.50 Uhr; etwaige weitere gezielte Förderung erhalte sie dort. B. besuche die Gesamtschule R., die ein Betreuungsangebot von 8.10 Uhr bis 16.10 Uhr zur Verfügung stelle; sie erhalte dort auch die notwendige und intensive Förderung zur Ausgleichung ihrer Lese-/Rechtschreibschwäche. Beide Kinder würden den Schulweg selbständig mit dem Fahrrad zurücklegen und auch einen Großteil ihrer Freizeit selbständig verbringen. Zudem lebe die Beklagte mit ihren Eltern in einem Gebäudekomplex. Die Töchter der Parteien würden außerhalb der Schulzeiten ausschließlich von den Großeltern betreut werden, die auch in den Ferien und bei Krankheit der Kinder zu Verfügung stehen würden. Auch sei selbstverständlich auf seiten der Beklagten kein Betreuungsbonus mehr zu berücksichtigen.

Die Beklagte habe auch keine ehebedingten Nachteile erlitten. Sie habe zunächst eine Ausbildung als Schneiderin absolviert. Im Rahmen einer Umschulung habe sie anschließend den Beruf der technischen Zeichnerin erlernt; diese Tätigkeit habe sie bis zur Geburt der ersten Tochter 1994 in I. ausgeübt. Zum Ende des Erziehungsurlaubs 1997 sei dann die zweite Tochter zur Welt gekommen. Die Betreuung und Versorgung hätten sich die Eltern während der Ehezeit geteilt. Die Trennung sei dann 1999 erfolgt. Anfang des Jahres 2000 sei die Beklagte dann nach Hannover gezogen. Sie habe zunächst Arbeitslosen- bzw. Teilunterhaltsgeld erhalten. Schon ab 27. Januar 2003 sei sie im Umfange von 20 Wochenstunden in ihrem erlernten Beruf als technische Zeichnerin tätig geworden. Sie habe ihre Tätigkeit ab 1. Mai 2005 nach eigenen Angaben auf 32 Wochenstunden ausweiten können.

Schließlich sei die Ehe bereits hinreichend lange geschieden, so daß die Beklagte Gelegenheit zur Aufnahme einer angemessenen bzw. Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit gehabt habe. Ihre Erwerbslosigkeit seit 1. Mai 2008 müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Warum und wieso sie ihre Arbeitsplätze gewechselt habe, sei unbekannt. Ob und wenn ja welche Bemühungen sie um Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit entfaltet habe, lasse sich gleichfalls nicht erkennen. Die Beklagte sei gelernte technische Zeichnerin. Nach dem Tarifvertrag für Nordrhein-Westfalen bewege sich das monatliche Bruttoeinkommen in diesem Bereich zwischen 2.185 € und 2.571 € in der mittleren Gruppe. Nehme man den geringsten Betrag, so komme man bei einer vollschichtigen Tätigkeit zumindest auf ein Nettoeinkommen von 1.447,70 €; damit könne die Beklagte ihren Unterhaltsbedarf selbst decken. Im übrigen sei der Unterhaltsanspruch zumindest zu begrenzen.

Schließlich habe sich auch das Einkommen des Klägers verändert. Er sei seiner neuen Ehefrau gegenüber unterhaltspflichtig, die bei einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 20 Wochenstunden nach Abzug von Krankenzusatzversicherung rund 677 € monatlich verdiene. Unter Berücksichtigung des zuletzt von der Beklagten erzielten Einkommens in Höhe von 823,54 € ergebe sich nach der »Drittel-Methode« allenfalls ein ungedeckter Bedarf der Beklagten in Höhe von rund 188 €.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, eine Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom 12. Oktober 2006 sei erst ab dem 21. Juni 2008 möglich, weil die Klage an diesem Tag rechtshängig geworden sei (§ 323 Abs. 3 ZPO).

Eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse sei nicht festzustellen. Die Einkünfte des Klägers seien nicht gesunken. Verheiratet sei er schon seit August 2005. Eine gewisse Betreuungsbedürftigkeit der Kinder sei immer noch gegeben. Lediglich auf seiten der Beklagten sei festzustellen, daß sie keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit mehr erziele, sondern lediglich Arbeitslosengeld in Höhe von 542,40 €. Die Einkommensschere klaffe weiter auseinander als 2006.

Aufgrund der Betreuung der Kinder sei die Beklagte nach wie vor gehindert, einer Ganztagsbeschäftigung nachzugehen. Die Schulzeiten von A. (11 Jahre) seien montags von 9 Uhr bis 16 Uhr, dienstags und freitags von 8.10 Uhr bis 13.30 Uhr und Mittwoch und Donnerstag von 8.10 Uhr bis 16.10 Uhr. Die Schulzeiten von B. (14 Jahre) seien montags und freitags von 8 Uhr bis 13.35 Uhr, sowie Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von 8 Uhr bis 15.50 Uhr. Bei Lehrermangel durch Krankheiten und Klassenfahrten im Kollegium seien die Kinder häufig schon eher zu Hause; dies komme mehrmals im Monat vor.

Wenn die Kinder mittags aus der Schule kämen, dann werde zusammen gegessen, und die Beklagte mache mit ihnen Schularbeiten. Da B. Legasthenikerin sei, sei hier ein intensives Arbeiten notwendig. Sie übe mit B. täglich mindestens eine halbe bis eine Stunde. B. habe im Jahre zuvor die Schule gewechselt und sei trotz des täglichen Übens in der Schule sehr abgesackt; sie bedürfe daher weiterhin einer intensiven Betreuung durch die Beklagte. Wenn die Kinder um 16 Uhr aus der Schule kommen würden, hätten sie bereits gegessen; es würden dann nur noch zusammen Schularbeiten gemacht und Übungen mit B. B. werde von der Beklagten im Wechsel mit anderen Elternteilen montags dann noch zum Badminton gefahren.

Ein Betreuungsaufwand entstehe für die Beklagte wegen ihrer Arbeitslosigkeit seit Mai 2008 nicht mehr. Ihre Eltern könne sie auch momentan nicht mehr so einspannen, weil diese als Rentner viel unterwegs seien; sie würden auch mindestens drei Mal pro Jahr in Urlaub fahren. Mindestens eines der Kinder sei montags, dienstags und beide seien dann freitags immer mittags zuhause, so daß die Beklagte an diesen Tagen nicht ganztags arbeiten könne.

Im übrigen könne sie Aufstockungsunterhalt beanspruchen, weil sie ihren Bedarf nicht selbst sicherstellen könne. Sie habe zuletzt 1994 als technische Zeichnerin gearbeitet und dann wegen der Geburt der Kinder den Beruf aufgegeben. Nach Trennung und Scheidung habe sie nicht mehr als technische Zeichnerin gearbeitet. Sie habe eine Ausbildung zur Fachkraft für Schreibtechnik und Bürokommunikation mit Abschluß durchlaufen und sei dann insoweit tätig gewesen. Seit November 2004 sei sie als Sekretärin und Empfangskraft tätig gewesen. Nachdem sie zwischenzeitlich 32 Stunden pro Woche gearbeitet habe, habe sie zuletzt bei der Firma D., die in Insolvenz gegangen sei, 24 Stunden pro Woche gearbeitet. Das Arbeitsamt sehe sie nicht als vermittelbar an, in ihrem erlernten Beruf als technische Zeichnerin tätig zu werden, wegen ihrer langen Berufsabstinenz und des gesunkenen Bedarfs an technischen Zeichnern. In allen übrigen Bereichen konkurriere die Beklagte mit einer Vielzahl junger Leute, die aus allen möglichen Büroberufen auf den Arbeitsmarkt drängen würden. Jedenfalls werde sie in diesen Bereichen nie Einkünfte erzielen können, die sie als qualifizierte technische Zeichnerin erzielt hätte. Ihre Verdienstmöglichkeiten hätten bislang für eine vollschichtige Tätigkeit (hochgerechnet) bei etwa 1.700 € brutto gelegen und damit mindestens 400 € bis 500 € geringer als der vom Kläger angegebene Betrag für geringstverdienende technische Zeichnerinnen. Diesen Nachteil werde sie wohl auch nicht mehr durch eine Tätigkeit als Sekretärin ausgleichen können; daher komme eine Befristung des Unterhalts selbst dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte eine Ganztagstätigkeit finden sollte.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, daß sich die Verhältnisse seit Schluß der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 12. Oktober 2006 erlassen worden ist, nicht wesentlich zugunsten der Beklagten geändert haben, so daß die Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Unterhalts gemäß § 323 ZPO nicht vorliegen. Die Beklagte hat weiterhin Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, denn sie ist aufgrund der Betreuung der minderjährigen Kinder der Parteien noch nicht zur Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet.

Nach § 1570 BGB in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen wegen der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht; dabei sind die Belange der Kinder und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Die Dauer des Betreuungsunterhalts verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB).

Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen und elternbezogenen Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (BGH FamRZ 2008, 1739, 1748 = FuR 2008, 485 = EzFamR BGB § 1570 Nr. 13).

Die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigenden kindbezogenen Verlängerungsgründe finden ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 6 Abs. 2 GG, wonach die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht ist. Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. Dies ist im Regelfall mit dem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG und dem Kindeswohl vereinbar. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer kindgerechten Betreuungsmöglichkeit findet erst dort ihre Grenzen, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar ist, was jedenfalls bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht der Fall ist. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine solche Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen (BGH FamRZ 2009, 770 = FuR 2009, 391).

Vorliegend werden die Kinder der Parteien zeitweise in der Schule betreut, bei der es sich um eine staatliche Einrichtung handelt, bei der davon auszugehen ist, daß die Betreuung das Kindeswohl nicht gefährdet. Während der Zeit der Betreuung der Kinder in der Schule ist die Beklagte daher nicht an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert. Unstreitig wird aber an drei Nachmittagen der Woche mindestens eines der Kinder nicht in der Schule betreut, so daß jedenfalls ein anderweitiger - von der Beklagten selbst durchzuführender oder anderweitig zu organisierender - Betreuungsbedarf besteht. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, daß aufgrund ihres Alters und, weil es nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien bei ihr keinen ungewöhnlichen Betreuungsaufwand gibt, auch zeitweise ohne Betreuung eines Erwachsenen auskommen kann.

Die noch nicht 12-jährige B. hat aufgrund ihres Alters, ihrer Legasthenie und auch ihrer - nach Vortrag des Klägers - bestehenden Neigung, sich stundenlang mit dem Nintendo zu beschäftigen, eine erhöhte Betreuungsbedürftigkeit. Mit B. muß aufgrund ihrer Lese- und Rechtschreibschwäche täglich geübt werden, was auch vom Kläger nicht in Abrede genommen wird. Diese spezielle Betreuung ist auch dann noch notwendig und von der Beklagten zu leisten, wenn für die Kinder - wie der Kläger behauptet - jeden Tag der Woche die Möglichkeit besteht, bis 16 Uhr in der Schule betreut zu werden. Die besondere Betreuungsbedürftigkeit von zeigt sich insbesondere auch darin, daß B. nach dem Vortrag der Beklagten nach dem Wechsel auf die Gesamtschule R. in ihren schulischen Leistungen deutlich nachgelassen haben soll. Das wird zwar vom Kläger bestritten; diesem Bestreiten fehlt jedoch die für eine Berücksichtigungsfähigkeit notwendige Substanz, die man von einem Kindesvater, der für sich in Anspruch nimmt, nicht nur die Kinder alle drei Wochen bei sich zu betreuen, sondern auch die Möglichkeit ihres Aufenthalts in den gesamten Schulferien in seinem Haushalt zur Begründung, daß die Beklagte vollschichtig arbeiten könne, heranzieht, erwarten kann.

Neben dieser notwendigen besonderen Betreuung von B. und der ansonsten unzweifelhaft auch nach 16 Uhr erforderlichen Versorgung beider Kinder ist die Beklagte zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, die ihr gerade im Bürobereich einen Dienstschluß vor 17 Uhr selten ermöglichen wird, noch nicht verpflichtet. Bei einer Tätigkeit in der Größenordnung von rund 30 Stunden pro Woche, die die Beklagte bereits ausgeübt hat, und die ihr auch nach Ansicht des Senats neben der Betreuung der Töchter zumutbar ist, ergibt sich jedoch kein wesentlich geringerer Unterhaltsanspruch der Beklagten als durch Urteil des Familiengerichts vom 12. Juni 2006 tituliert.

Der Kläger verfügt unter Berücksichtigung der zugrunde zu legenden Berechnungsgrundlagen (vgl. Senatsbeschluß vom 29. Januar 2007 - 10 UF 280/06 - n.v.) in 2008 über ein für den Ehegattenunterhalt anrechenbares Einkommen in Höhe von rund 1.330 € (durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in 2008 rund 2.598 € ./. vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers ./. 5% berufsbedingte Aufwendungen ./. Kranken- und Pflegeversicherung + auf ihn entfallene Steuererstattung für 2007 bei Versteuerung nach Steuerklasse III/0 ./. 1/7 Erwerbstätigenbonus). Soweit er sich erstmals im Schriftsatz vom 27. April 2009 auf einen an die Beklagte gezahlten Ausgleich des ihr durch die Inanspruchnahme des steuerlichen begrenzten Realsplittings beruft, so dürfte dieser neue Vortrag, der nicht nachgelassen war und nach Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, nicht berücksichtigungsfähig sein. Im übrigen würde er auch im Ergebnis nichts ändern, weil der Senat von einer dem Kläger zuzurechnenden anteiligen Steuererstattung in Höhe von umgerechnet monatlich rund 80 € ausgeht, die sich bei fiktiver Berechnung der Steuerlast des Klägers nach der Steuerklasse I/1 ergebe. Der Vorteil der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings durch Unterhaltszahlungen ist auf seiten des Klägers nicht berücksichtigt worden.

Zutreffend ist der Einwand der Beklagten, daß sie keine reellen Chancen hat, eine Stelle als technische Zeichnerin zu erhalten, weil sie 15 Jahre aus dem Beruf heraus ist, gerade in diesem Bereich die zu verwendenden Zeichenprogramme erheblich weiter entwickelt worden sind, und aufgrund der fortentwickelten Zeichenprogramme der Bedarf an technischen Zeichnern in dieser Zeit deutlich zurückgegangen ist. An dieser Beurteilung ändern auch die vom Kläger mit Schriftsatz vom 27. April 2009 zur Akte gereichten Stellenangebote im Internet nichts, da diese nicht so zahlreich sind, daß von einem Personalmangel dergestalt auszugehen ist, daß diese Stellen nicht mit jüngeren, dem aktuellen Anforderungsprofil entsprechend qualifizierteren Fachkräften besetzt werden könnten.

Der Beklagten ist daher lediglich ein fiktives Einkommen aus zumutbarer teilschichtiger Tätigkeit im Bereich Sekretärin o.ä. zuzurechnen, wie sie es in der Vergangenheit erzielt hat (hochgerechnet auf eine Tätigkeit in der Größenordnung von rund 30 Stunden pro Woche). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihre Erwerbsbemühungen bislang substantiiert dargetan hat, denn bei Hochrechnung der von der Beklagten zuletzt erzielten Einkünfte bei einer Tätigkeit von 24 Stunden pro Woche auf eine Tätigkeit von rund 30 Stunden pro Woche könnte sie allenfalls Einkünfte erzielen, die netto bei rund 1.000 € liegen. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, dann wiederum entstehender Betreuungskosten wie in dem abzuändernden Urteil sowie des Erwerbstätigenbonus verbleibt eine Einkommensdifferenz, die zu einem Unterhaltsbedarf der Beklagten führt, der nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der durch Urteil vom 12. Juni 2006 tituliert ist.

Dieser wird auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner zweiten Ehefrau bei Anwendung der »Drittel-Methode« (wobei dabei dem Kläger die tatsächlich erhaltene Steuererstattung für 2007 zuzurechnen ist) nicht gekappt, denn die Tochter der zweiten Ehefrau ist 1991 geboren, so daß sie zu einer ganztägigen Erwerbstätigkeit in der Lage sein dürfte. Das anrechenbare Einkommen der zweiten Ehefrau des Klägers ist daher auf eine vollschichtige Tätigkeit hochzurechnen. Das führt dazu, daß sich der Bedarf der Beklagten auch durch das Hinzukommen der zweiten Ehefrau des Klägers nicht verringert.

Eine Befristung des Betreuungsunterhalts nach § 1578b BGB scheidet schon deswegen aus, weil § 1570 BGB in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung insoweit eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthält. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nur noch Betreuungsunterhalt nach Billigkeit zu. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung sind aber bereits alle kind- und elternbezogenen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, daß der Betreuungsunterhalt über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus wenigstens teilweise fortdauert, dann können dieselben Gründe nicht zu einer Befristung im Rahmen der Billigkeit nach § 1578b BGB führen (BGH aaO).

Soweit neben dem Betreuungsunterhalt noch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht kommen sollte, scheidet eine Befristung schon mangels hinreichend klarer Prognose über den Umfang einer künftigen Erwerbsobliegenheit der Beklagten aus (vgl. BGH aaO). Einer Befristung steht aber auch entgegen, daß der Kläger bislang nicht widerlegt hat, daß der Beklagten ehebedingte Nachteile entstanden sind. Nach seinem eigenen Vortrag könnte sie als technische Zeichnerin deutlich mehr verdienen als in dem Bereich, indem sie zuletzt tätig war. Eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 Abs. 1 BGB scheidet vorliegend aus, weil der titulierte Unterhalt im Zusammenhang mit dem der Beklagten fiktiv zuzurechnenden Einkommen nicht über dem nach der Lebensstellung der Beklagten eigenen angemessenen Unterhalt liegt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Frage der Befristung des Unterhalts ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil der Senat unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine tatrichterliche Würdigung, ob die Voraussetzungen einer Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten vorliegen, vorgenommen hat, die vom Revisionsgericht nicht überprüft werden kann.
OLG Celle, Urteil vom 12.05.2009
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