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OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2008 - 10 UF 195/07 - FD-Platzhalter-rund

OLG Brandenburg, Urteil vom 29.07.2008
10 UF 195/07



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; selbst herbeigeführte Leistungsunfähigkeit; betriebsbedingte Kündigung; Kündigungsschutzklage; Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit; Beurteilung (erst) in einem späteren Abänderungsverfahren.

BGB §§ 1574, 1578b, 1581

1. Unter dem Gesichtspunkt der selbst herbeigeführten Leistungsunfähigkeit vermögen nur schwerwiegende Gründe, die sich aus einem verantwortungslosen, zumindest aber leichtfertigen und unterhaltsbezogenen Verhalten ergeben, der Partei nach Treu und Glauben die Berufung auf ihre Leistungsunfähigkeit zu versagen. Ein solches verantwortungsloses Verhalten liegt regelmäßig schon nicht vor, wenn sich der Arbeitnehmer gegen die betriebsbedingte Maßnahme seines Arbeitgebers nicht mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt.
2. Wenn schon ein unterlassener Rechtsbehelf allenfalls dann im Einzelfall unterhaltsbezogen leichtfertig wäre, wenn die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung offensichtlich unbegründet war, dann kann die Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses durch Abschluß eines Vergleichs ebenfalls höchstens dann die Annahme unterhaltsbezogener Leichtfertigkeit rechtfertigen, wenn die Kündigung offensichtlich unbegründet war.
3. Zur Frage der Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1574 BGB.
4. Sind die Voraussetzungen für eine Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit derzeit noch nicht abschließend feststellbar, dann ist eine Entscheidung hierüber einem etwaigen Abänderungsverfahren zu überlassen. (Red.)

OLG Brandenburg, Urteil vom 29. Juli 2008 - 10 UF 195/07

Tenor

1. Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18.09.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Strausberg (2 F 1014/05) teilweise abgeändert und hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts neu gefaßt.
Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Ehegattenunterhalt von 553 €, davon 443 € Elementarunterhalt und 110 € Altersvorsorgeunterhalt, den zukünftigen jeweils im voraus bis zum 5. eines jeden Monats, zu zahlen.
Der weitergehende Antrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Antragstellers wird zurückgewiesen.
3. Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsgegnerin macht nachehelichen Unterhalt geltend.

Der im Mai 1944 geborene Antragsteller und die im Mai 1947 geborene Antragstellerin haben am 19. Dezember 1969 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder B. (geboren im April 1976) und S. (geboren im April 1978) hervorgegangen. Die Parteien leben seit Juli 2000 voneinander getrennt.

Der Antragsteller ist Leiter einer Grundschule. Die Antragsgegnerin war von 1996 bis 2003 Geschäftsführerin »Sozialmarketing/Öffentlichkeitsarbeit« im C. e.V. (C.). Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber zum 30. April bzw. 30. Juni 2003 gekündigt. Auf die Kündigungsschutzklage der Antragsgegnerin stellte das Arbeitsgericht B. durch Urteil vom 8. Juli 2003 fest, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25. Februar 2003 noch durch die Kündigung vom 30. April 2003 beendet worden ist, und verurteilte den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht B. schloß die Antragsgegnerin mit ihrem Arbeitgeber am 21. Januar 2004 einen Vergleich dahin, daß das Arbeitsverhältnis durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung mit dem 30. Juni 2003 endet, und der Arbeitgeber eine Abfindung von 45.000 € brutto zahlt. Von der Abfindung wurden der Antragsgegnerin netto 28.426,53 € ausgezahlt.

In der Zeit von Oktober 2003 bis September 2004 war die Antragsgegnerin im Rahmen einer sozialen Anpassungsmaßnahme befristet erwerbstätig; seither ist sie arbeitslos. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I erhielt sie ab 29. April 2007 Krankengeld von monatlich 1.355 €. In derselben Höhe bezog sie von der Deutschen Rentenversicherung Bund ab 19. Dezember 2007 während einer Kur Übergangsgeld. Inzwischen erhält sie wieder Krankengeld in derselben Höhe wie zuvor, also in Höhe von 1.355 €.

Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 11. Januar 2006 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 2. November 2006 hat die Antragsgegnerin im Verbundverfahren nachehelichen Unterhalt geltend gemacht. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - Strausberg die Ehe der Parteien geschieden, vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine monatliche Anwartschaft von 256,02 € auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen und zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Land Brandenburg eine monatliche Anwartschaft von 379,22 € auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begründet. Ferner hat das Amtsgericht den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Ehegattenunterhalt von 665 €, davon 132 € Altersvorsorgeunterhalt, zu zahlen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller, soweit der nacheheliche Unterhalt betroffen ist, mit der Berufung. Er trägt vor, die ehelichen Lebensverhältnisse seien dadurch geprägt gewesen, daß die Antragsgegnerin ein höheres Nettoeinkommen als er selbst erzielt habe. Ihre Arbeitsstelle habe die Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich leichtfertig aufgegeben. Rechne man ihr das frühere Einkommen fiktiv zu, ergebe sich für das Jahr 2007 ein Nettoarbeitslohn von mindestens 2.534,14 €. Ferner habe sich die Antragsgegnerin nicht ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Soweit sie geltend gemacht habe, sie sei krank geschrieben gewesen, werde dies vorsorglich mit Nichtwissen bestritten. Das Amtsgericht habe bei der Ermittlung seines Einkommens zu Unrecht die vermögenswirksamen Leistungen nicht abgezogen, obwohl ihm als Beamten eine Vermögensbildung zustehe. Mit Rechtskraft der Scheidung entfalle auch der Familienzuschlag. Die Steuererstattung im Jahre 2007 sei geringer als im Vorjahr ausgefallen. Schließlich seien die Kreditraten für den Pkw mit monatlich 370,28 € zu berücksichtigen, da man die Pkw-Käufe während der Ehe stets finanziert habe, so daß diese eheprägend seien. Schon mit Rücksicht darauf, daß er im Juli 2009 mit Erreichen des 65. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausscheiden werde, sei der etwa bestehende Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zumindest bis dahin zu befristen. Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Antrag auf Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts abzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie trägt vor, sie sei bedürftig, da sie den eigenen Bedarf aufgrund ihrer Erwerbslosigkeit, ihres Alters und ihres Gesundheitszustands nicht decken könne. Sie sei wegen verschiedener Krankheiten nur eingeschränkt erwerbsfähig. Unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten im Zusammenhang mit dem Verlust der Arbeitsstelle beim C. könne ihr nicht vorgeworfen werden. Um eine neue Arbeitsstelle habe sie sich im ausreichenden Umfange beworben. Zu berücksichtigen sei, daß ihr Bewerbungen aufgrund ihres Gesundheitszustands zeitweise schwer gefallen seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien angehört; insoweit wird auf den Berichterstattervermerk vom 1. Juli 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist nur zum Teil begründet. Der Antragsteller ist verpflichtet, der Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen Unterhalt von 553 €, davon 443 € Elementarunterhalt und 110 € Altersvorsorgeunterhalt, zu zahlen.

1. Für den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB) kommt es zunächst auf das Einkommen des Antragstellers an.

a) Hinsichtlich der Einkünfte des Antragstellers aus Erwerbstätigkeit ist von einem monatlichen Zahlbetrag von 3.140,82 € auszugehen, wie er sich sowohl aus dem Besoldungsnachweis 01/2007 wie auch aus dem Besoldungsnachweis 01/2008 ergibt. Der Familienzuschlag nach Stufe 1 ist trotz zwischenzeitlicher Rechtskraft der Scheidung unverändert geblieben (vgl. auch § 40 BBesG). Auf den Zahlbetrag anstelle des Nettoeinkommens kann abgestellt werden, da die Verringerung des Nettoeinkommens um 6,65 € wegen Ratensparens auf die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers zurückzuführen ist, und es sich insoweit um Aufwendungen handelt, die als zusätzliche Altersvorsorge im Umfang von bis zu 4% des Bruttoeinkommens abzugsfähig sind (vgl. Nr. 10.1 der Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg [Stand: 01.01.2008]).

Zu beachten ist der höhere Zahlbetrag im Dezember 2007, der sich bei gleichzeitiger Einkommensminderung von 273,24 € aufgrund einer Nachverrechnung aus dem Vormonat November 2007 aus der jährlichen Sonderzahlung von 640 € brutto ergibt. Unter Berücksichtigung des Zahlbetrages für diesen Monat in Höhe von 3.507,58 € ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen von rund ([{3.140,82 € x 11 Monate} + 3.507,58 €] : 12 Monate =) 3.171 €.

b) Da der Antragsteller privat krankenversichert ist, muß von seinem Einkommen ein monatlicher Versicherungsbeitrag von rund 242 € abgesetzt werden. Es errechnen sich (3.171 € ./. 242 € =) 2.929 €.

c) Vom Einkommen des Antragstellers sind unstreitig 5% für berufsbedingte Aufwendungen abzusetzen; es verbleiben rund (2.929 € x 95% =) 2.783 €.

d) Auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids für 2006 vom 3. Juni 2008 ergibt sich ein monatlicher Erstattungsbetrag von rund (611,48 € : 12 Monate =) 51 €. Das unterhaltsrechtlich bedeutsame Einkommen des Antragstellers erhöht sich somit auf (2.783 € + 51 € =) 2.834 €.

e) Kreditraten können vom Einkommen des Antragstellers nur in Höhe von monatlich 110 € abgesetzt werden.

Der Antragsteller zahlt monatliche Kreditraten von 370,28 € aufgrund eines mit der B.-Bank am 31. März 2005 geschlossenen Darlehensvertrages. Kreditraten in dieser Höhe haben die ehelichen Lebensverhältnisse mit Rücksicht darauf, daß die Parteien schon seit Juli 2000 getrennt leben, nicht geprägt. Allerdings haben die Parteien unstreitig auch schon während der Ehe die Anschaffung von Kraftfahrzeugen mit Hilfe von Krediten finanziert. Der letzte Kreditvertrag, der aus der Zeit des ehelichen Zusammenlebens stammt, ist im Jahre 1996 mit der C.-Bank abgeschlossen worden. Damals waren monatliche Raten von rund 216 DM, daß sind 110 €, aufzubringen. In diesem Umfange hat seinerzeit der Pkw-Kredit die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Die Notwendigkeit, nun nach der Trennung einen Pkw-Kredit mit einer deutlich höheren Ratenbelastung, nämlich einer solchen von rund 370 €, einzugehen, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Angesichts dessen kommt eine Berücksichtigung der Kreditraten nur in der Höhe, in der sie bereits ursprünglich die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben, in Betracht (vgl. auch BGH FamRZ 2008, 968 = FuR 2008, 297 Tz. 45).

Abzusetzen sind daher 110 € monatlich. Das unterhaltsrechtlich bedeutsame Einkommen des Antragstellers beläuft sich somit auf (2.834 € ./. 110 € =) 2.724 €.

2. Auf seiten der Antragsgegnerin ist das tatsächliche Einkommen, das Krankengeld mit monatlich rund 1.355 €, in die Berechnung einzustellen. Der Ansatz eines höheren fiktiven Einkommens kommt nicht in Betracht.

a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann das Einkommen, das die Antragsgegnerin aufgrund des Arbeitsverhältnisses beim C. erzielt hat bzw. bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses erzielt hätte, nicht fortgeschrieben werden. Verliert der Unterhaltspflichtige leichtfertig seine Arbeitsstelle, ist ihm das aufgrund der damaligen und dann leichtfertig aufgegebenen Tätigkeit erzielte Einkommen weiterhin fiktiv zuzurechnen (vgl. BGH FamRZ 2008, 872 = FuR 2008, 289 Tz. 19 mit Anm. Hoppenz, FamRZ 2008, 875). Bei einem leichtfertigen Verlust der Arbeitsstelle auf seiten des unterhaltsberechtigten Ehegatten kommt - insoweit in Anwendung der Vorschrift des § 1579 Nr. 3 BGB a.F. bzw. des § 1579 Nr. 4 BGB n.F. (vgl. Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 680) - ebenfalls die Zurechnung eines fiktiven Einkommens in Betracht (vgl. Wendl/Gerhardt, aaO § 4 Rdn. 678). Der Vorwurf, den Arbeitsplatz leichtfertig verloren zu haben, kann der Antragsgegnerin aber nicht gemacht werden.

Die Antragsgegnerin hat das Arbeitsverhältnis nicht von sich aus gekündigt; vielmehr hat ihr Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Unter dem Gesichtspunkt der selbst herbeigeführten Leistungsunfähigkeit vermögen nur schwerwiegende Gründe, die sich aus einem verantwortungslosen, zumindest aber leichtfertigen und unterhaltsbezogenen Verhalten ergeben, der Partei nach Treu und Glauben die Berufung auf ihre Leistungsunfähigkeit zu versagen. Ein solches verantwortungsloses Verhalten liegt regelmäßig schon nicht vor, wenn sich der Arbeitnehmer gegen die betriebsbedingte Maßnahme seines Arbeitgebers nicht mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt (BGH FamRZ 1994, 372, 374 = EzFamR BGB § 1603 Nr. 21 = = BGHF 8, 1423). Vorliegend aber hat die Antragsgegnerin sogar Kündigungsschutzklage erhoben; erst in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht hat die Antragsgegnerin dann mit ihrem Arbeitgeber einen Abfindungsvergleich geschlossen. Wenn schon ein unterlassener Rechtsbehelf allenfalls dann im Einzelfall unterhaltsbezogen leichtfertig wäre, wenn die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung offensichtlich unbegründet war (vgl. BGH aaO), kann die Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses durch Abschluß eines Vergleichs ebenfalls höchstens dann die Annahme unterhaltsbezogener Leichtfertigkeit rechtfertigen, wenn die Kündigung offensichtlich unbegründet war. So liegt es hier aber nicht. Anhaltspunkte dafür, daß die Kündigung durch den Arbeitgeber offensichtlich unbegründet war, sind nicht ersichtlich. Dafür, daß auch er im Prozeß gewisse Erfolgschancen hatte, spricht der Umstand, daß der Abschluß des Vergleichs ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 21. Januar 2004 auf ausdrücklichem Vorschlag des Landesarbeitsgerichts erfolgt ist.

Hinzu kommt, daß die Antragsgegnerin ihr Arbeitsverhältnis nicht entschädigungslos verloren hat. Gerade auch mit Rücksicht darauf, daß sie aufgrund der Zahlung der Abfindung durch den Arbeitgeber in den Stand gesetzt wurde, für ihren Lebensunterhalt während der bereits vollzogenen Trennung vom Antragsteller für einige Zeit allein aufzukommen, kann ihr der Vorwurf unterhaltsbezogen leichtfertigen Verhaltens nicht gemacht werden.

b) Fiktive Einkünfte sind der Antragsgegnerin auch nicht im Hinblick auf die von ihrem Arbeitgeber gezahlte Abfindung zuzurechnen.

Allerdings ist eine Abfindung grundsätzlich zur Aufstockung des Einkommens bis zur Höhe des bisherigen Nettogehalts heranzuziehen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 879). Vorliegend ist aber davon auszugehen, daß die Antragsgegnerin die Abfindung schon vor Beginn des Unterhaltszeitraums, der erst mit Rechtskraft der Scheidung Ende des Jahres 2007 einsetzt, verbrauchen durfte.

Das Nettoeinkommen der Antragsgegnerin beim C. hat - wie vom Antragsteller selbst vorgetragen - mehr als 2.500 € monatlich betragen. Im Vergleich zu dem Arbeitslosengeld I von 1.362 €, das die Antragsgegnerin bis April 2007 bezogen hat, ergibt sich eine Einkommensdifferenz von 1.138 €. Hätte die Antragsgegnerin die Nettoabfindungssumme von 28.456,53 € zum Ausgleich dieser monatlichen Differenz herangezogen, wäre ein Verbrauch bereits nach rund 25 Monaten (= 28.426,53 € : 1.138 €) eingetreten. Bei Rechtskraft der Scheidung wäre von der Abfindung nichts mehr vorhanden gewesen.

c) Schließlich ist der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen nicht unter dem Gesichtspunkt etwa nicht ausreichender Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle zuzurechnen. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Antragsgegnerin, was zwischen den Parteien streitig ist, ausreichend auf eine neue Stelle beworben hat. Auch kann offen bleiben, ob während des Bezugs von Krankengeld durch die Antragsgegnerin die Voraussetzungen für eine Krankschreibung stets vorgelegen haben, was der Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 24. Juni 2008 offensichtlich in Zweifel ziehen möchte. Schließlich bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Vortrag der Antragsgegnerin dahin zu verstehen ist, daß sie krankheitsbedingt nicht nur in ihren Bewerbungsbemühungen eingeschränkt, sondern an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, denn selbst bei Annahme eines fiktiven Einkommens aus Erwerbstätigkeit ohne gesundheitliche Einschränkungen würde auf seiten der Antragsgegnerin ein höherer Betrag als das tatsächlich bezogene Krankengeld von rund 1.355 € nicht in die Berechnung eingehen.

aa) Daß die Antragsgegnerin nach Verlust ihrer gut dotierten Stelle beim C. selbst bei umfassenden Bewerbungsbemühungen eine neue Beschäftigung mit vergleichbaren finanziellen Konditionen hätte finden können, kann nicht angenommen werden (vgl. auch BGH FamRZ 1996, 345 = EzFamR BGB § 1581 Nr. 3 = BGHF 9, 1386). Unter Berücksichtigung des gesamten beruflichen Werdegangs der Antragsgegnerin kann das bereinigte erzielbare Einkommen aus Erwerbstätigkeit höchstens mit 1.500 € angenommen werden.

Der Antragsgegnerin obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben (§ 1574 Abs. 1 BGB). Angemessen ist gemäß § 1574 Abs. 2 BGB n.F. eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre.

Nach dem in erster Instanz vorgelegten Lebenslauf hat die Antragsgegnerin nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife eine Berufsausbildung zum »Facharbeiterschriftsatz/Handsatz« gemacht und war dann von 1966 bis 1967 als Schriftsetzerin in den graphischen Werkstätten B. tätig. Von 1970 bis 1977 war sie als Bibliothekarin an der Akademie für Kunst in B. beschäftigt. Von 1977 bis 1984 ist eine Unterbrechung der beruflichen Entwicklung durch Erziehungsaufgaben innerhalb der Familie angegeben. Von 1984 bis 1991 folgte eine freiberufliche Tätigkeit als Regieassistentin beim D. B. 1992 bis 1993 hat sich die Antragsgegnerin im Bereich Kultur- und Sozialmanagement an der Akademie für Kunst in B. weiter qualifiziert. 1994 bis 1996 war sie als Referentin im Bereich politische Bildung bei der D. e. V. tätig. Von 1996 bis 2003 schließlich war sie Geschäftsführerin »Sozialmarketing/ Öffentlichkeitsarbeit« in C. Es folgte noch eine befristete Erwerbstätigkeit von Oktober 2003 bis September 2004 als »soziale Anpassungsmaßnahme« im K. e. V. in B. mit den Schwerpunktaufgaben »Öffentlichkeitsarbeit etc.«.

Unter Berücksichtigung dieses beruflichen Werdegangs kann die Antragsgegnerin zwar nicht auf den gesamten Arbeitsmarkt unter Einschluß sämtlicher Hilfsarbeiten verwiesen werden; zumutbar sind aber Tätigkeiten als Büroangestellte oder Bürohilfe. Unter Berücksichtigung der für solche Tätigkeiten nach dem WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stifung (www.boeckler.de) gewährten monatlichen Bruttovergütungen kann das bereinigte fiktive Einkommen, das die Antragsgegnerin aufgrund einer solchen Tätigkeit erzielen könnte, mit nicht mehr als 1.500 € angenommen werden.

bb) Bei Annahme eines fiktiven Einkommens der Antragsgegnerin von 1.500 € errechnet sich kein geringerer Unterhaltsbedarf als bei Heranziehung des tatsächlich bezogenen Krankengeldes. Nach Nr. 15.2 der genannten Unterhaltsleitlinien sind Erwerbseinkünfte um einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 als Anreiz zu kürzen. Aus Gründen der Gleichbehaltung ist ein Erwerbstätigenbonus nicht nur von tatsächlichen Erwerbseinkünften abzusetzen, sondern ebenso auch von fiktiven Einkünften aus Erwerbstätigkeit (BGH FamRZ 1995, 346 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 46 = BGHF 9, 850; Gerhardt in Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 6. Aufl. 6. Kap. Rdn. 297; Born, Anm. zu OLG Hamm FamRZ 2008, 1184, 1186). Setzte man auf seiten der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 1.500 € an, gingen davon nur (1.500 € x 6/7 =) rund 1.286 € in die Unterhaltsberechnung ein. Vor diesem Hintergrund stellt es keine Benachteiligung des Antragstellers dar, wenn der Unterhaltsberechnung das tatsächliche Einkommen der Antragsgegnerin, nämlich das Krankengeld von 1.355 € monatlich, zugrunde gelegt wird.

3. Da die Antragsgegnerin neben Elementarunterhalt auch Altersvorsorgeunterhalt geltend macht, ist eine zweistufige Unterhaltsberechnung erforderlich. Für die Ermittlung des Altersvorsorge- und des endgültigen Elementarunterhalts ist der an sich zu zahlende Elementarunterhalt, also die Quote vom bereinigten Nettoeinkommen, die Bemessungsgrundlage. Dieser Betrag wird als (fiktives) Nettoeinkommen des Berechtigten angesehen, das durch Zuschlag (fiktiver) Lohnsteuern und des Arbeitnehmeranteils der Sozialabgaben (aber ohne Krankenversicherung) auf ein Bruttoeinkommen hochgerechnet wird. Hierzu kann die Bremer Tabelle [Stand: 01.01.2008] (FamRZ 2008, 328) herangezogen werden. Der Altersvorsorgeunterhalt ergibt sich, wenn man von dem so errechneten Bruttobetrag einen Anteil ermittelt, der dem jeweils geltenden Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Bei der Berechnung des wirklich zu zahlenden Elementarunterhalts ist nun zu berücksichtigen, daß diese Vorsorgeleistungen wie die Vorsorgeleistungen für den Verpflichteten selbst vom Unterhaltspflichtigeneinkommen abzuziehen sind, bevor vom bereinigten Nettoeinkommen die Quote für den lautenden Lebensbedarf gebildet wird (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 407). Es ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

Einkommen Beklagter 2.724 € x 6/7 = 2.335 € ./. Einkommen Klägerin 1.355 € = 980 € : 2 = vorläufiger Elementarunterhalt 490 €.

Dieser Betrag ist nach der genannten Bremer Tabelle hochzurechnen um 13% auf 554 €.

554 € x 19,9% Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung = 110 € Altersvorsorgeunterhalt.
Einkommen Beklagter 2.724 € ./. Altersvorsorgeunterhalt 110 € = 2.614 € x 6/7 = 2.241 € ./. Einkommen Klägerin 1.355 € = 886 € : 2 = endgültiger Elementarunterhalt 443 €.

Insgesamt ergibt sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin von (= 110 € Altersvorsorgeunterhalt + 443 € Elementarunterhalt =) 553 €. Da das Amtsgericht einen Unterhaltsanspruch von insgesamt 665 € errechnet hat, ist die Berufung des Antragstellers insoweit teilweise erfolgreich.

4. Der Antragsteller ist in vollem Umfange leistungsfähig. Setzt man von seinem Einkommen von 2.724 € den billigen Selbstbehalt mit 1.000 € (Nr. 21.4 der genannten Unterhaltsleitlinien) ab, verbleiben 1.724 €. Der Antragsteller ist somit ohne weiteres in der Lage, der Antragsgegnerin monatlichen Unterhalt von 553 € zu zahlen.

5. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann der ab Rechtskraft der Scheidung geschuldete nacheheliche Unterhalt derzeit nicht herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden.

Gemäß § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB n.F. ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruches auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Unter denselben Voraussetzungen ist gemäß § 1578b Abs. 2 S. 1 BGB n.F. der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zeitlich zu begrenzen. Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden (§ 1578b Abs. 3 n.F.). Bei der Frage, ob eine dieser beiden Rechtsfolgen oder beide miteinander verbunden in Betracht kommen, ist gemäß § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB n.F. insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 S. 3 BGB n.F.).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit derzeit noch nicht abschließend feststellbar, so daß eine Entscheidung hierüber einem etwaigen Abänderungsverfahren zu überlassen ist.

a) Allerdings sind bei der Antragsgegnerin ehebedingte Nachteile nicht eingetreten. Zwar ergibt sich aus dem bereits angeführten Lebenslauf der Antragstellerin, daß diese mit Rücksicht auf die Erziehung der gemeinsamen Kinder der Parteien in der Zeit von 1977 bis 1984 aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Daß die Antragsgegnerin hierdurch fortwirkende ehebedingte Nachteile erlitten hätte, ist aber nicht feststellbar. Die Antragsgegnerin war von 1984 bis 2003 wieder erwerbstätig. Seit 1996 hatte sie die gut dotierte Stelle beim C. inne. Daß die Antragsgegnerin, wenn sie ohne Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durchgängig als Schriftsetzerin oder als Bibliothekarin, wie vor der Geburt der beiden gemeinsamen Kinder der Parteien, tätig gewesen wäre, ein höheres Einkommen als beim C. hätte erzielen können, kann nicht angenommen werden. Ein Wegfall ehebedingter Nachteile liegt somit nahe. Umstände, die dessen ungeachtet gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere »Schonfrist« sprechen könnten, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt (vgl. hierzu BGH FamRZ 2008, 134 = FuR 2008, 88 Tz. 22).

b) Eine abschließende Beurteilung darüber, in welchem Umfange vorliegend der Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt wegen Unbilligkeit herabzusetzen und/oder zeitlich zu begrenzen ist, ist derzeit nicht möglich.

Die Herabsetzung bzw. zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs setzt zwar nicht zwingend voraus, daß der Zeitpunkt, von dem an der Unterhaltsanspruch entfällt oder herabzusetzen ist, bereits erreicht ist. Wenn sämtliche relevanten Umstände eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist die Befristung bzw. Herabsetzung vielmehr schon im Ausgangsverfahren auszusprechen und nicht einem späteren Abänderungsverfahren zu überlassen. Zuverlässig voraussehbar sind solche relevanten Umstände insbesondere dann, wenn sie - wie etwa das Alter der Kinder der Parteien - vom bloßen Zeitablauf abhängen. Kann im Zeitpunkt der Erstentscheidung beispielsweise noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Einkommen des Unterhaltsberechtigten aus einer neu aufgenommenen Vollzeittätigkeit die Nachteile vollständig und nachhaltig ausgleicht, läßt sich über eine Herabsetzung und Befristung des Unterhalts noch nicht entscheiden, so daß eine Präklusion mit Umständen, die sich darauf beziehen, ausgeschlossen ist. Gleiches gilt, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute mit hinreichender Sicherheit erst nach Verkündung des den Unterhalt erstmals festsetzenden Urteils entflochten sind (vgl. BGH FamRZ 2007, 793 ff = FuR 2007, 276 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 27 Tz. 60 f; s. auch OLG Hamm FamRZ 2008, 1184, 1185).

Im vorliegenden Fall sind nicht alle relevanten Umstände, die für eine Befristung von Bedeutung sind, schon zuverlässig voraussehbar; insbesondere besteht keine hinreichende Sicherheit darüber, wie sich die Einkünfte der Parteien zukünftig entwickeln werden.

Die Antragsgegnerin hat einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise einer Altersrente, gestellt. Über diesen Antrag ist bislang nicht entschieden. Auch wird die Antragsgegnerin zukünftig einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Rente aufgrund eines privaten Rentenversicherungsvertrages haben. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, einen solchen Vertrag zum 1. März 2004 abgeschlossen und eine Einmalzahlung aus der Abfindung anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim C. geleistet zu haben.

Der Antragsteller wird nach eigenem Vorbringen zum Juli 2009 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Dies wird, da er dann nur noch Altersbezüge erhält, mit einer Minderung seines unterhaltsrechtlich bedeutsamen Einkommens einhergehen.

Vor diesem Hintergrund sind noch nicht sämtliche relevanten Umstände, die für eine Befristung oder Herabsetzung von Bedeutung wären, eingetreten oder zuverlässig voraussehbar; die Anwendung der Vorschrift des § 1578b BGB n.F. ist daher einem etwaigen Abänderungsverfahren zu überlassen. Mit Rücksicht auf die sich abzeichnende Veränderung der Einkommensverhältnisse beider Parteien ist die Einleitung eines Abänderungsverfahrens schon mit Rücksicht auf die Höhe des zu zahlenden Unterhalts wahrscheinlich.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 93a ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist wegen der hier noch nicht vorgenommenen Herabsetzung bzw. zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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