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OLG Bamberg, Urteil vom 19.06.2008 - 2 UF 336/07 - FD-Platzhalter-rund

OLG Bamberg, Urteil vom 19.06.2008
2 UF 336/07



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts; ehebedingte wirtschaftliche Nachteile.

BGB § 1578b

Zur Frage der Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts bei Vorliegen ehebedingter wirtschaftlicher Nachteile.

OLG Bamberg, Urteil vom 19. Juni 2008 - 2 UF 336/07


Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bamberg vom 07.11.2007 (222 F 1147/06) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende monatlichen Unterhaltsbeträge zu bezahlen: Für die Monate Oktober 2006 bis Dezember 2006 jeweils 275 €, für die Monate Januar 2007 bis Dezember 2007 jeweils 289 € und ab Januar 2008 jeweils 318 €. Die künftigen Beträge sind monatlich im voraus, spätestens zum 3. eines jeden Monats, zur Zahlung fällig.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den erstinstanzlichen Kosten tragen die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Mit Endurteil vom 7. November 2007 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bamberg die auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 804 € ab Oktober 2006 gerichtete Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen dieses ihr am 12. November 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Februar 2008 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel zugleich begründet. Wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist hat der Senat mit Beschluß vom 26. Februar 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, daß ihr seit der Scheidung neben dem Betreuungsunterhalt auch ein Aufstockungsunterhaltsanspruch zugestanden hätte, was die Parteien in mehreren Vergleichen vor dem Senat auf festgestellt hätten. So sei in dem Vergleich vom 7. Mai 1998 (2 UF 301/97 - OLG Bamberg) als Grundlage festgehalten worden, daß der Klägerin ein nachehelicher Unterhaltsanspruch von ca. 200 DM zustünde, der jedoch auf den für den Sohn F. vereinbarten Unterhalt aufgeschlagen werde. Eine ähnliche Formulierung befinde sich auch in dem Vergleich vom 17. Juni 2004 (2 UF 17/04 - OLG Bamberg).

Nachdem der Sohn F. am 1. Juni 2005 volljährig geworden sei und ab 2006 von dem Beklagten nur noch einen geringen Unterhalts betrag von 58 € monatlich erhalte, mache sie nunmehr ihren Aufstockungsunterhaltsanspruch geltend. Sie selbst arbeite zwar nur mit 20 Wochenstunden teilzeit, lasse sich aber ein Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit mit 1.900 € brutto monatlich zurechnen. Ihr Unterhaltsanspruch sei entgegen der Behauptung des Beklagten nicht deshalb verwirkt, weil sie in der Zeit von Ende 2001 bis Ende 2003 eine Beziehung zu einem anderen Mann unterhalten habe, die seit Ende 2003 beendet sei. Sie sei damals nicht verpflichtet gewesen, dem Beklagten gegenüber ihre Beziehung zu offenbaren, weil sie ohnehin selbst keinen Unterhaltsanspruch geltend gemacht habe.

Der Anspruch sei auch nicht zu befristen oder zu begrenzen, weil sie ehebedingte Nachteile habe. Nach der Mittleren Reife habe sie bei der Kreissparkasse B. eine Lehre als Bankkauffrau erfolgreich durchlaufen und dort bis 1991 gearbeitet, seit der Geburt des Sohnes F. am 1. Juni 1987 nur noch in Teilzeit. Zuletzt sei sie stellvertretende Filialleiterin gewesen. Dieses Beschäftigungsverhältnis habe sie im Einverständnis mit dem Beklagten aufgegeben, um in H. eine Pension zu betreiben. Die Parteien seien übereingekommen, daß diese auf den Namen der Klägerin laufen solle, weil der Beklagte als Angehöriger des öffentlichen Dienstes dazu nicht berechtigt gewesen sei. Den Betrieb der Pension habe sie aus gesundheitlichen Gründen nach der Trennung der Parteien am 21. Juli 1995 im Jahre 1996 einstellen müssen. Der Beklagte habe die Immobilie samt Schulden übernommen und das Anwesen später verkauft. Auf sie selbst seien dadurch Steuerschulden in Höhe von 80.000 DM zugekommen, weshalb sie 1997 Insolvenz angemeldet habe. Durch Verhandlungen mit dem Finanzamt habe man die Steuerschuld auf 10.000 DM reduzieren können, die ihre Eltern beglichen hätten. Seit Ende 1997 habe sie eine Teilzeittätigkeit gefunden, die sie jedoch nach betriebsbedingter Kündigung Anfang 2004 verloren habe. Nach der sich anschließenden Zeit der Arbeitslosigkeit habe sie seit 2. Mai 2005 eine Halbtagstätigkeit als Lohn- und Finanzbuchhalterin mit 20 Wochenstunden gefunden, wobei ihr Arbeitgeber nicht bereit sei, ihr einen vollschichtigen Arbeitsplatz anzubieten.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Amtsgerichts Bamberg vom 07.11.2007 abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, für die Zeit von Oktober bis Dezember 2006 nachehelichen Unterhalt von je 710 € und für die Zeit ab Januar 2007 in Höhe von je 730 € zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Er verweist darauf, daß sein derzeitiges Einkommen bei der Kreissparkasse nicht prägend sei, weil er zur Zeit der Scheidung Kreditberater und seit 1. Juli 2000 Spezialist für Immobilienfinanzierungen sei. Seine Gehaltsbescheinigungen enthielten auch Provisionszahlungen, die er an seinen Kollegen S. abgeben müsse. Die Klägerin müsse vollschichtig arbeiten; sie habe keine ausreichenden Bemühungen um den Erhalt einer derartigen Stelle dargelegt. Im übrigen habe die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie verschwiegen habe, in der Zeit von 2001 bis 2004 mit einem anderen Mann in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt zu haben. Jedenfalls müsse ihr Unterhaltsanspruch befristet werden, weil sie keine ehebedingten Nachteile habe. Aus dem Pensionsprojekt in H., das die gemeinsame Idee beider Parteien gewesen sei, habe er nach der Verwertung der Immobilie Schulden in Höhe von ca 20.000 DM beglichen. Die Klägerin könne nunmehr als Lohn- und Finanzbuchhalterin in etwa das gleiche Einkommen erzielen wie als Bankkauffrau.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Der Klägerin steht ab Oktober 2006 Aufstockungsunterhalt gemäß §§ 1569, 1573 Abs. 2 BGB zu. Daß die Unterhaltskette seit der Scheidung der Parteien nicht unterbrochen wurde, ist im Beschluß des Senats vom 30. Januar 2008, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, dargelegt; der Beklagte wendet sich auch in der Berufungserwiderung gegen diese Feststellungen nicht mehr.

Es ist deshalb eine Unterhaltsberechnung durchzuführen, wobei auf seiten der Klägerin von einem ihr fiktiv zuzurechnenden Monatsbruttoeinkommen in Höhe von 1.900 € und auf seiten des Beklagten von dessen tatsächlich erzieltem Einkommen ausgegangen wird. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich um eheprägende Einkünfte, weil er nicht konkret dargelegt hat, daß seine Tätigkeit als Spezialist für Immobilienfinanzierungen, die er seit 1. Juli 2000 ausübt, im Gegensatz zu seiner früheren Tätigkeit als Kreditberater im Bereich »Freiberufler-Bauträger-Kommunen« einen Karrieresprung mit erheblich höherem Einkommen darstellt. Wegen der Einzelheiten der Unterhaltsberechnung wird auf die in der Anlage beigefügte Tabelle Bezug genommen.

Dazu sind folgende Anmerkungen veranlaßt:

Das Einkommen des Beklagten ergibt sich aus den Gehaltsbescheinigungen für Dezember 2006 und 2007. Unstreitig sind im Jahresbruttoeinkommen 2006 Spesen für den Mitarbeiter S. enthalten, die der Beklagte an diesen abgeführt hat. Im Jahr 2007 betrugen die Spesenanteile unstreitig 1.130 €, die wiederum an Herrn S. abgeführt wurden. Für die Zeit ab Januar 2008 prognostiziert der Senat ein gleichhohes Jahresbruttoeinkommen abzüglich Spesenanteil von 1.130 €. Ab Januar 2008 wird auch der ermäßigte Satz zur Arbeitslosenversicherung mit 3,3% angesetzt. Daraus ergibt sich ein monatliches Nettoeinkommen von 2.247,42 € im Jahre 2006, ein solches in Höhe von 2.301,19 € im Jahre 2007 und ohne Berücksichtigung des begrenzten Realsplittings ab Januar 2008 ein solches in Höhe von 2.322,13 € (Zeilen 3 bis 20 der anliegenden Tabelle). Nach Abzug von 5% für berufsbedingte Aufwendungen sowie vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 40 € und Aufwendungen zur Lebensversicherung einschließlich Berufsunfähigkeitsversicherung von 223,50 € steht für Unterhaltszwecke das in Zeile 24 der anliegenden Tabelle ausgewiesene Einkommen zur Verfügung. Unstreitig erbringt der Beklagte noch Unterhaltszahlungen für den volljährigen Sohn F., wobei zwischen den Parteien Einigkeit dahingehend besteht, daß diese Unterhaltsverpflichtung alleine den Beklagten trifft. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus von 1/10 verbleibt das in Zeile 29 ausgewiesene prägende Resteinkommen des Beklagten, das der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen ist.

Der Klägerin ist fiktiv ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.900 € aus einer vollschichtigen Tätigkeit als Lohn- und Finanzbuchhalterin zuzurechnen. In ihrem erlernten Beruf als Bankkauffrau hat sie zur Überzeugung des Senats derzeit keine realen Beschäftigungschancen, nachdem sie seit 1991 nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet hat; auch der Beklagte selbst geht davon aus, daß sie nunmehr nur noch im Rahmen ihres jetzigen Beschäftigungsverhältnisses als Lohn- und Finanzbuchhalterin eine vollschichtige Beschäftigung ausüben müsse. Ausreichende Bemühungen um die Ausweitung ihrer derzeitigen Teilzeitbeschäftigung in eine vollschichtige Tätigkeit hat die Klägerin nicht dargelegt, weshalb ihr fiktiv ein aus einer vollschichtigen Tätigkeit erzielbares Einkommen zuzurechnen ist.

Das von der Klägerin dafür in den Raum gestellte Monatsbruttoeinkommen von 1.900 € ist nicht zu beanstanden. Nach dem Tarifvertrag der Bekleidungsindustrie in Bayern werden beispielsweise für Lohnbuchhalter, soweit sie nicht rein mechanisch arbeiten, monatlich brutto zwischen 1.553 und 2.417 € gezahlt, woraus ersichtlich ist, daß der angegebene Betrag von 1.900 € dem Mittelwert entspricht. Davon ist auszugehen, weil die Klägerin keine langjährige Berufserfahrung in diesem Bereich aufweisen kann, nachdem sie sich erst während ihrer Arbeitslosigkeit in den Jahren 2004 und 2005 in diesem Fachgebiet weitergebildet hat; auch ist zu berücksichtigen, daß sie im Alter von nahezu 50 Jahren bei einem neuen Arbeitgeber maximale Gehaltsforderungen nicht stellen könnte. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Steuerabzüge sowie der Sozialversicherungsbeiträge errechnet sich daraus im Jahre 2006 ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 1.264,84 €, im Jahre 2007 in Höhe von 1.285,42 €, und ab Januar 2008 ein solches in Höhe von 1.296,23 € (Zeilen 32 bis 42 der anliegenden Tabelle). Nach Abzug des Arbeitgeberanteils für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 26,59 €, von 5% für berufsbedingte Aufwendungen und des Erwerbstätigenbonus von 1/10 verbleibt das prägende Resteinkommen mit 1.082,63 € im Jahre 2006, 1.100,23 € im Jahre 2007 und 1.109,47 € ab Januar 2008 (Zeile 48 anliegenden Tabelle).

Die Hälfte des Gesamteinkommens stellt den eheangemessenen Bedarf dar, den die Klägerin mit ihrem eigenen Einkommen teilweise decken kann (Zeile 50 bis 53 der anliegenden Tabelle). Daraus errechnet sich ein monatlicher Unterhalt für die Monate Oktober 2006 bis Dezember 2006 in Höhe von 275 €, für die Monate Januar bis Dezember 2007 in Höhe von 289 € und ab Januar 2008 ein solcher in Höhe von 294 €.

Ab Januar 2008 kann der Beklagte jedoch bereits die Vorteile des begrenzten Realsplittings durch Eintragen eines Freibetrages in seiner Lohnsteuerkarte nutzen. Bei Ansatz eines Freibetrages von 3.600 € jährlich verringert sich die Steuerschuld des Beklagten, der jedoch den der Klägerin entstehenden Realsplittingnachteil in Höhe von jährlich 1.074,24 € ausgleichen muß (Zeile 16 der anliegenden Tabelle). Bei Erhöhung des fiktiven Bruttoeinkommens um 300 € würde sich die Steuerbelastung der Klägerin um monatlich insgesamt 89,52 € (Lohnsteuer 278,91 €, Kirchensteuer 17 € und Solidaritätszuschlag 11,68 €) erhöhen. Das prägende Resteinkommen des Beklagten beträgt bei sonst gleichen Ansätzen mit Realsplittingvorteil 1.744,80 €; daraus errechnet sich bei ansonsten unverändertem Einkommen der Klägerin ein Unterhaltsanspruch von 318 € monatlich.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine Begrenzung bzw. Befristung des Aufstockungsunterhalts nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen hierfür weder gemäß § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung noch gemäß § 1578b BGB in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung vorliegen. Bei der durchzuführenden Billigkeitsabwägung ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die Dauer der Ehe, die Zeit der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder und die dadurch eingetretenen beruflichen Einschränkungen die Zubilligung ungekürzten nachehelichen Unterhalts als unbillig erscheinen lassen. Dies kann vorliegend nicht bejaht werden.

Die Parteien haben am 9. Februar 1979 die Ehe geschlossen, aus der der Sohn F. (geboren am 1. Juni 1987) hervorgegangen ist. Bis zur Trennung im Sommer 1995 lebten die Parteien ca. 16½ Jahre zusammen, bis zur Scheidung (11. September 1997) vergingen gut 18½ Jahre. Anschließend betreute die Klägerin den Sohn F., der am 1. Juni 2002 15 Jahre alt geworden war. Bis dahin sind seit der Eheschließung knapp 23½ Jahre vergangen. Bereits kurz vor der Geburt des Sohnes F. hatte die Klägerin ihre vollschichtige Tätigkeit bei der Kreissparkasse B. als stellvertretende Filialleiterin auf eine Teilzeittätigkeit beschränkt, um sich mehr dem gemeinsamen Haushalt widmen zu können. Diese Tätigkeit übte sie trotz der Betreuung des Kleinkindes bis 1991 aus, zu einer Zeit, als F. ca. 4 Jahre alt war. Aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung der Parteien kündigte sie ihre sichere Arbeitsstelle bei der Kreissparkasse B., um eine Pension in H. zu führen, die sie in einer von ihr errichteten Immobilie, in der sich auch die Ehewohnung befand, betrieb. Grund für die Aufgabe der Tätigkeit bei der Kreissparkasse war, daß beide Parteien als Sparkassenangestellte im öffentlichen Dienst tätig waren, und es einem Angestellten der Kreissparkasse nicht erlaubt war, daneben eine Pension zu betreiben.

Die Parteien versprachen sich offensichtlich aus dem Betrieb der Pension gesicherte höhere Einkünfte als diejenigen, die die Klägerin aus ihrer Tätigkeit bei der Kreissparkasse erzielt hatte. Tatsächlich haben sich diese Erwartungen jedoch möglicherweise auch durch die nach der Trennung der Parteien aufgetretene Erkrankung der Klägerin nicht erfüllt, und die Pension mußte aufgegeben werden. Der Klägerin gingen dadurch sowohl die Vorteile eines gesicherten Arbeitsplatzes bei der Kreissparkasse sowie einer gesicherten Altersversorgung mit Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes für die Zeit ab 1991 verloren. Sie ist nunmehr im Alter von 48 Jahren nicht mehr in der Lage, diese Verluste auszugleichen, zumal ihr der Zugang zu einem Arbeitsverhältnis bei ihrer früheren Arbeitgeberin oder bei einer anderen Bank bei realistischer Betrachtungsweise unmöglich ist. Auf der anderen Seite ist das relativ gute Einkommen des Beklagten in seiner gesicherten Position als Angestellter der Kreissparkasse zu berücksichtigen, bei dem der nur geringe Aufstockungsunterhalt keine gravierenden Einschnitte in seiner Lebensführung nach sich zieht.

Tatsächlich kann die Klägerin - wie oben ausgeführt - derzeit lediglich in ihrem nunmehrigen Beruf als Lohn- und Finanzbuchhalterin Einkünfte erzielen, die deutlich unter dem liegen, was eine langjährige Sparkassenangestellte verdienen würde. Eine sichere Prognose der beruflichen Entwicklung seit Aufgabe der Arbeitsstelle bei der Kreissparkasse im Jahre 1991 ist zwar nicht möglich. Nachdem die Klägerin jedoch damals bereits die Funktion einer stellvertretenden Filialleiterin der Kreissparkasse ausgeübt hatte, ist davon auszugehen, daß sie über überdurchschnittliche Qualifikationen verfügt hat, die ihr zumindest ein Bruttoeinkommen von 2.600 € monatlich einbringen würden. Dies zeigt ein Vergleich mit den Tarifverträgen für die Volksbanken und Raiffeisenbanken von Juli 2004, wonach ab dem 11. Berufsjahr bereits ab September 2005 monatlich 2.783 € gezahlt werden. Einschließlich Sonderzahlungen ist deshalb mindestens von einem erzielbaren Einkommen von monatsdurchschnittlich 2.600 € auszugehen, woraus sich ein Nettoeinkommen von 1.637,06 € errechnen würde (letzte Spalte der anliegenden Tabelle, Zeile 31 bis 42). Daraus ist ersichtlich, daß die Klägerin selbst mit ihrem jetzigen fiktiven Einkommen zusammen mit dem geringen Aufstockungsunterhalt von 318 € nicht einmal ganz das ohne ehebedingte Aufgabe ihrer Sparkassentätigkeit nunmehr erzielbare Einkommen erreicht (Zeilen 56 bis 59 der anliegenden Tabelle).

Bei dieser Situation entspricht es der Billigkeit, daß der Beklagte den ungekürzten Aufstockungsunterhalt aufbringt.

Die Klägerin hat ihren Unterhaltsanspruch auch nicht dadurch verwirkt, daß sie die Beziehung zu Klaus S. in den Jahren 2001 bis 2004 verschwiegen hat. Es kann für die Entscheidung dahinstehen, ob es sich dabei um eine - wie der Beklagte behauptet - verfestigte eheähnliche Gemeinschaft gehandelt hat, was die Klägerin bestreitet, weshalb es der von dem Beklagten beantragten Einvernehme des Zeugen S. nicht bedarf. Die Klägerin war nämlich zur ungefragten Offenbarung eines eventuell bestehenden Verhältnisses nicht verpflichtet, nachdem sie selbst ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch nicht geltend gemacht hatte. Daß die Klägerin in dem Rechtsstreit (2 UF 17/04 - OLG Bamberg) zwischen dem Sohn F. und dem Beklagten zum Abschluß des Vergleichs vom 17. Juni 2004 beigetreten ist, und in dem Vergleich festgehalten wurde, daß der Kindesunterhalt statt aus der Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle der Einkommensgruppe 12 entnommen wird, weil die jetzige Klägerin »derzeit keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt geltend« macht, ändert daran nichts.

Auch ein Ausschluß oder die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft gemäß § 1579 Nr. 7 BGB a.F. bzw. § 1579 Nr. 2 BGB n.F. ist nicht vorzunehmen, weil es auch nach dem von der Klägerin bestrittenen Sachvortrag des Beklagten angezeigt wäre, den möglicherweise erloschenen Unterhaltsanspruch der Klägerin nach Beendigung der Beziehung zu Klaus S. wieder aufleben zu lassen. Die Beziehung dauerte allenfalls drei Jahre und ging nach Streitigkeiten auseinander. Dem Beklagten, der in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, ist es zuzumuten, der Klägerin nach langjähriger Ehe und Betreuung des gemeinschaftlichen Sohnes Aufstockungsunterhalt zu zahlen, zumal die Klägerin - wie oben dargestellt - ehebedingt berufliche und wirtschaftliche Nachteile erlitten hat, die der Beklagte mit zu vertreten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei wegen der erheblichen Mehrforderungen erster Instanz eine in beiden Instanzen unterschiedliche Kostenregelung getroffen wird, die sich am jeweiligen Obsiegen orientiert. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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