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BGH, Urteil vom 24.06.2009 - XII ZR 161/08  - FD-Platzhalter-rund

BGH, Urteil vom 24.06.2009
XII ZR 161/08



Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Berücksichtigung von Minderjährigenunterhalt im Rahmen der Ermittlung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen; Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung.

BGB §§ 1577, 1578, 1578b, 1581, 1612b, 100, 556; GG Art. 3, Art. 100

1. Auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners für den Ehegattenunterhalt ist der Kindesunterhalt mit dem um das (anteilige) Kindergeld geminderten Zahlbetrag (nicht Tabellenbetrag) abzuziehen (im Anschluß an das Senatsurteil FamRZ 2009, 1300).
2. Zu den Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung.

BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08 - OLG Düsseldorf [FamRZ 2009, 338]

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18.09.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin der Unterhalt ab 15.06.2008 auf unter 150 € herabgesetzt worden ist.

2. Im übrigen (Zeitraum von September 2007 bis Dezember 2007) wird die Revision verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückverwiesen.


Tatbestand

1 Der Kläger begehrt die Abänderung eines Prozeßvergleichs über nachehelichen Unterhalt.
2 Die Parteien heirateten am 25. Oktober 2002. Am 22. Mai 2003 wurde ihre Tochter L. geboren. Die Parteien trennten sich im Februar 2004. Die Tochter wird seitdem von der Beklagten betreut. Die Ehe ist seit 7. November 2005 rechtskräftig geschieden.
3 Mit dem vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleich vom 7. November 2005 verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von monatlich 219 €. Der Kindesunterhalt war ursprünglich auf 192 €, für die Zeit ab März 2008 ist er auf 100% des Mindestunterhalts (abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind) tituliert.
4 Das Arbeitsverhältnis des Klägers, der ohne Berufsausbildung ist und zuletzt als Lagerarbeiter tätig war, wurde nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht zum 31. August 2007 beendet; seitdem ist der Beklagte arbeitslos. Er nahm an einer von der Arbeitsagentur geförderten Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Lager/Logistik teil; die Abschlußprüfung stand bei Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch aus.
5 Die Beklagte ist von Beruf Arzthelferin. Im August 2008 hat sie die Stelle gewechselt und ist nun Rezeptionsmitarbeiterin in einer psychiatrischen Praxis. Sie übt die Tätigkeit mit einem vertraglichen Umfang von durchschnittlich 25 Stunden pro Woche und einem Stundenlohn von 10,50 € aus.
6 Wegen des aufgrund seiner Arbeitslosigkeit gesunkenen Einkommens hat der Kläger die Abänderung des Unterhaltsvergleichs vom 7. November 2005 beantragt. Das Amtsgericht hat den Unterhalt für die Zeit von September 2007 bis Dezember 2007 auf monatlich 145 € herabgesetzt und ab Januar 2008 eine Unterhaltspflicht gänzlich verneint. Auf die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß der Kläger von Januar 2008 bis zum 14. Juni 2008 nicht zum Unterhalt verpflichtet sei, und ab 15. Juni 2008 (nur) in Höhe von 73 €.
7 Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer zugelassenen Revision, mit der sie sich gegen die Herabsetzung des Unterhalts auf unter 219 € von September 2007 bis Dezember 2007 und auf unter 150 € ab 15. Juni 2008 zur Wehr setzt.


Entscheidungsgründe

8 Die Revision hat zum Teil Erfolg.
9 A. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2009, 338 veröffentlicht ist, hat es nicht als Obliegenheitsverletzung angesehen, daß der Kläger zunächst die Qualifizierungsmaßnahme durchlaufen habe, welche für ihn im Alter von rund 27 Jahren (richtig: 37 Jahren) eine Erstausbildung darstelle. Ab Januar 2008 komme es entscheidend darauf an, ob vom Einkommen des Klägers für den Kindesunterhalt der Tabellen- oder Zahlbetrag abzuziehen sei.
10 Das Berufungsgericht hält den Tabellenbetrag für abzugsfähig. Zwar sei nach § 1612b BGB das Kindergeld auf den Bedarf anzurechnen. Das zwinge aber nicht zum Abzug der Zahlbeträge. Bis zum Kindschaftsrechtsreformgesetz sei das Kindergeld ebenfalls auf den Bedarf angerechnet worden. Damals habe Einigkeit darüber bestanden, daß bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts nicht die Zahlbeträge, sondern die Tabellenbeträge abzuziehen seien (Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 807 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 49 = BGHF 10, 888). Nunmehr werde allerdings - dem Regierungsentwurf des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 entsprechend - die Auffassung vertreten, daß die Zahlbeträge abzuziehen seien. Dieser Auslegung des § 1612b BGB vermöge sich das Berufungsgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anzuschließen, denn darin liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG, weil insoweit der barunterhaltspflichtige Elternteil gegenüber dem Elternteil, der den Betreuungsunterhalt leiste, benachteiligt werde, so daß die Gleichwertigkeit gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB nicht mehr gewahrt sei.
11 Das Bundesverfassungsgericht habe zwar die frühere Regelung nach § 1612b Abs. 5 BGB gebilligt. Es habe den Vorrang der familienrechtlichen Zweckbestimmung aber nur dann vorgesehen, wenn das Existenzminimum durch den Barunterhalt nicht sichergestellt werde. Daraus folge, daß jede andere Bewertung (als der Abzug der Tabellenbeträge) einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstelle. Bei Abzug der Zahlbeträge werde der hälftige Ausgleich des Kindergeldes gemäß der vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Zweckbestimmung über den Ehegattenunterhalt zu Lasten des Barunterhaltspflichtigen verändert, so daß der den Betreuungsunterhalt leistende bedürftige Ehegatte 3/7 des hälftigen Kindergeldes für sich abzweige. Dagegen sei die dem betreuenden Elternteil zustehende Kindergeldhälfte nicht in Ansatz zu bringen, weil der Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren sei, was die Lage des Barunterhaltspflichtigen sogar noch gegenüber der früher praktizierten bedarfsdeckenden Anrechnung des gesamten Kindergeldes verschlechtere. Durch den Abzug der Zahlbeträge werde der steuerliche Ausgleich des Kindergeldes verfälscht.
12 Die Ungleichbehandlung werde noch offensichtlicher, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für die Zahlung des Ehegattenunterhalts in Frage stehe. In diesen Fällen verbleibe ihm das Kindergeld unter Umständen nicht einmal teilweise, obwohl er das Existenzminimum des Kindes sicherstelle. Noch krasser wirke sich der Abzug der Zahlbeträge aus, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte auch noch den Betreuungsunterhalt leiste. Dies bedeute, daß die Mutter, »obwohl sie nichts, aber auch rein gar nichts zum Unterhalt der Kinder beiträgt«, über den Ehegattenunterhalt das halbe Kindergeld für sich beanspruchen könne. Dieses Ergebnis dürfte nach Meinung des Berufungsgerichts »kraß« gegen die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen. Ebenso unangemessen sei das Ergebnis bei nicht gemeinsamen Kindern: Der Unterhaltspflichtige müßte dann das für die nicht gemeinsamen Kinder bezogene Kindergeld zur Hälfte an den geschiedenen Ehegatten weiterleiten, der mit den Kindern überhaupt nichts zu tun habe.
13 Eine Verpflichtung zur Durchführung des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 GG bestehe nicht, weil die Verfassungswidrigkeit durch eine verfassungskonforme Auslegung verhindert werden könne. Nicht die Kindergeldanrechnung auf den Bedarf sei verfassungswidrig, sondern lediglich die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts die Zahl- und nicht die Tabellenbeträge abzuziehen seien.
14 Ab Mitte Juni 2008 sei der Kläger nach Abschluß der Qualifizierungsmaßnahme wieder teilweise leistungsfähig im Umfange des 2006 erzielten Einkommens von netto bereinigt 1.352 €. Ausreichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle habe der Kläger nicht dargelegt. Das von der Beklagten erzielbare Einkommen beeinflusse schließlich das Ergebnis nicht, denn sie müsse als Arzthelferin schon netto bereinigt über 900 € verdienen, damit sich ihr Bedarf verringere. Die Tochter sei erst fünf Jahre alt. Angesichts dieses Alters sei die Beklagte nicht darauf zu verweisen, sie könne mehr als halbschichtig tätig sein.
15 B. I. Die Revision ist unzulässig, soweit die Beklagte sich weiterhin gegen die vom Amtsgericht ausgesprochene und vom Berufungsgericht bestätigte Unterhaltsherabsetzung betreffend das Jahr 2007 zur Wehr setzt, denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
16 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsbeschluß vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07 - FamRZ 2008, 1339, 1340 = FuR 2008, 393 = EzFamR ZPO § 621e Nr. 32; Senatsurteile BGHZ 153, 358, 360 f = FamRZ 2003, 590 f = FuR 2003, 254 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 57, und vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01 - FamRZ 2004, 612 = FuR 2004, 407 = EzFamR BGB § 1579 Nr. 47). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, daß das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier der Fall.
17 Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht die Revision nur zur Höhe des Unterhalts nach dem seit 1. Januar 2008 geltenden Unterhaltsrecht zulassen wollte, denn die bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts zu behandelnde Vorfrage, mit welchem Betrag der Kindesunterhalt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist, betrifft die erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene Neuregelung des § 1612b BGB. Die grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage wirkt sich deswegen nur auf den Unterhaltsanspruch ab dem Jahre 2008 aus, der nach teilweiser Berufungsrücknahme durch die Beklagte nur noch ab dem 15. Juni 2008 im Streit steht. Bezieht sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die Zulassungsfrage (wie hier) nur auf einen Teil des streitigen Zeitraums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision nur hinsichtlich des von der Zulassungsfrage betroffenen Teils zulassen wollen (Senatsurteile vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 = FuR 2009, 447; vom 18. März 2009 - XII ZR 74/08 - FamRZ 2009, 770, 771 = FuR 2009, 391 Tz. 9, und vom 29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445, 446 = FuR 2003, 269 EzFamR BGB § 1612b Nr. 3).
18 II. Soweit die Revision zulässig ist, hält das Berufungsurteil einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
19 1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß es wegen eines den titulierten Unterhalt durchweg übersteigenden ungedeckten Unterhaltsbedarfs der Beklagten für die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs nach § 1570 BGB allein auf die Leistungsfähigkeit des Klägers ankomme. Es hat die Leistungsfähigkeit aufgrund seiner nicht angegriffenen Feststellungen zum - erzielbaren - Einkommen des Klägers beurteilt und - soweit für die im Revisionsverfahren noch streitgegenständliche Zeit ab 15. Juni 2008 erheblich - einen Ehegattenselbstbehalt von 1.000 € zugrunde gelegt.
20 Der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Selbstbehalt entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (seit Senatsurteil BGHZ 166, 351, 358 = FamRZ 2006, 683, 685 = FuR 2006, 266 = EzFamR BGB § 1581 Nr. 9; vgl. auch Senatsurteil vom 19. November 2008 - XII ZR 51/08 - FamRZ 2009, 311, 313 = FuR 2009, 95). Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht den aufgrund der seit 1. Januar 2008 bestehenden Rechtslage gemäß § 1609 Nr. 1 BGB vorrangigen Unterhalt der minderjährigen Tochter vorweg abgezogen.
21 2. Daß das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht den nach bedarfsdeckender Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes sich ergebenden Zahlbetrag, sondern den sog. Tabellenbetrag abgezogen hat, hält den Angriffen der Revision hingegen nicht stand.
22 a) Der Senat hat - nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung - die Streitfrage, ob der das Einkommen des Unterhaltspflichtigen mindernde Unterhalt für ein minderjähriges Kind mit dem Zahl- oder Tabellenbetrag abzuziehen ist, für die Bedarfsermittlung gemäß § 1578 Abs. 1 BGB im erstgenannten Sinne entschieden (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300).
23 Für die nach § 1581 BGB zu prüfende Leistungsfähigkeit gilt nichts anderes. Auch hier ist der Unterhalt des Kindes einkommensmindernd zu berücksichtigen. Aufgrund seines Vorrangs ist er vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen, weil das Einkommen insoweit für den Ehegattenunterhalt nicht verfügbar ist (zur vorgelagerten Frage der Bedarfsermittlung beim Kindesunterhalt s. Senatsurteil BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189, 2190 = FuR 2008, 593). Aus § 1612b BGB ergibt sich, in welcher Weise sich das Kindergeld auf den Kindesunterhalt auswirkt. Nach § 1612b Abs. 1 S. 1 BGB in der seit 1. Januar 2008 durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I 3189) geänderten Gesetzesfassung ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, und zwar nach § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB zur Hälfte, wenn (wie hier) ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). In diesem Umfange mindert es den Barbedarf des Kindes (§ 1612b Abs. 1 S. 2 BGB). Die bedarfsmindernde Wirkung stellt das (anteilige) Kindergeld damit im Gegensatz zur vorausgegangenen Rechtslage, nach der das Kindergeld »anzurechnen« war (§ 1612b Abs. 1 BGB a.F.), eigenem Einkommen des Kindes gleich (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 510).
24 Daß auch bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB der Zahlbetrag abzuziehen ist, entspricht der mit dem Unterhaltsänderungsgesetz verfolgten Absicht. Die Begründung des Gesetzentwurfs weist ausdrücklich darauf hin, daß durch den bedarfsmindernden Vorwegabzug des Kindergeldes nach § 1612b Abs. 1 BGB n.F. von der zur Verteilung anstehenden Masse ein geringerer Anteil für den Kindesunterhalt erforderlich ist, und ein entsprechend höherer Anteil für die nachrangigen Unterhaltsberechtigten, etwa für den betreuenden Elternteil zur Verfügung steht (BT-Dr. 16/1830 S. 29). Damit ist genau die vorliegende Fallgestaltung angesprochen.
25 Gegenüber der früheren Rechtslage (dazu Senatsurteile vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 786 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 15 = BGHF 5, 268; vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 807 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 49 = BGHF 10, 888, und vom 19. Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492, 1494 = FuR 2000, 481 = EzFamR BGB § 1610 Nr. 30 = BGHF 12, 375) hat sich demnach die Art und Weise der Kindergeldanrechnung grundlegend verändert.
26 Da der Abzug des Zahlbetrages statt des Tabellenbetrages danach sowohl vom Wortlaut des Gesetzes als auch von der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers gefordert wird, sind die Gerichte daran gebunden. Die Gerichte sind also auch nicht befugt, an die Stelle des verbindlichen Gesetzesrechts ihre eigenen Vorstellungen von einer gerechten Aufteilung des Kindergeldes zu setzen (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO).
27 b) Die vom Berufungsgericht vertretene verfassungskonforme Auslegung ist nicht zulässig.
28 Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zuläßt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG NJW 2001, 2160, 2161; BFHE 207, 471 Tz. 86). Sie findet ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG NJW 2007, 2977, 2980; 1999, 1853, 1855, jeweils mwN).
29 Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung steht zum Willen des Gesetzgebers im offenen Widerspruch. Wie die Gesetzesbegründung zeigt, ist es gerade eine gewollte Folge der bedarfsmindernden Verwendung des auf den Barunterhaltspflichtigen entfallenden hälftigen Kindergeldes, daß sich dadurch die Verteilungsmasse für nachrangige Unterhaltsberechtigte vergrößert. Das kommt auch im Wortlaut des § 1612b Abs. 1 BGB unmißverständlich zum Ausdruck. Die Minderung des Barbedarfs durch das Kindergeld ist eine ausdrückliche und bewußte Anordnung des Gesetzes. Aus ihr ergibt sich zwangsläufig, daß der Unterhaltsanspruch des Kindes nur in Höhe des Zahlbetrages entsteht. Dadurch wurde die frühere Rechtslage abgelöst, nach der der Unterhaltsanspruch zunächst in unverminderter Höhe entstand und erst anschließend mit dem Kindergeld verrechnet wurde. Auch die vom Berufungsgericht angeführte frühere Praxis ist durch die neue gesetzliche Regelung und das mit ihr ausdrücklich verfolgte Ziel jedenfalls überholt.
30 Die Vorgehensweise des Berufungsgerichts führt demnach in der Sache zu einer Korrektur des parlamentarischen Gesetzgebers, die allein dem Bundesverfassungsgericht möglich wäre. Der vom Berufungsgericht eingeschlagene Weg war demnach schon methodisch verfehlt: Es hätte auf der Grundlage der von ihm vertretenen Auffassung statt dessen nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen müssen.
31 c) Die gesetzliche Regelung ist im übrigen auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO). Bereits nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Regelung in § 1612b Abs. 5 BGB (a.F.) wurde der Kindergeldanteil des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Deckung des Existenzminimums des Kindes herangezogen, während der Anteil des betreuenden Elternteils davon verschont blieb. Das Bundesverfassungsgericht hat diese ungleiche Heranziehung der Kindergeldanteile in seinem Beschluß vom 9. April 2003 (FamRZ 2003, 1370, 1375 f) als sachlich gerechtfertigt gebilligt und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verneint. Auch die Anwendung des § 1612b Abs. 5 BGB (a.F.) konnte schon zu dem Ergebnis führen, daß durch die Heranziehung des dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zustehenden Kindergeldanteils das Existenzminimum des Kindes gesichert war, während dem betreuenden Elternteil sein ungekürzter Kindergeldanteil verblieb. Demnach stand es dem Gesetzgeber nach der Verfassung aber ebenfalls frei, das zu berücksichtigende Kindergeld generell als Einkommen des Kindes anzusehen und es zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes heranzuziehen. Daß damit der nunmehr nachrangige Ehegattenunterhalt - als teilweise Kompensation des Nachrangs (vgl. BT-Dr. 16/1830 S. 29) - erhöht worden ist, ist nicht sachwidrig (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO).
32 Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der bewußten gesetzgeberischen Entscheidung kann überdies schon nicht als Regelfall unterstellt werden, daß der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil etwa vollständig für eigene Zwecke verbraucht (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO). Für die Beurteilung, ob die gesetzliche Differenzierung sachgemäß ist, kann demnach jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden, daß regelmäßig auch der betreuende Elternteil seinen Kindergeldanteil ganz oder teilweise zugunsten seines Kindes verwendet.
33 Unterschiedliche Regelungen im Sozialrecht wie auch steuerrechtliche Zwecksetzungen ergeben nichts anderes (näher dazu Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO). Daß das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen nicht zu Lasten des Kindesunterhalts angegriffen werden muß, wird durch den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt gewährleistet, der gegenüber dem Ehegatten - wie ausgeführt - höher zu veranschlagen ist als gegenüber minderjährigen Kindern. Daß dem barunterhaltspflichtigen Elternteil infolge des teilweisen Verbrauchs des Kindergeldes schließlich weniger Spielraum für sonstige Ausgaben, z.B. für Umgangskosten, verbleibt, ist anderweitig zu berücksichtigen, etwa durch einen - teilweisen - Abzug der Umgangskosten vom Einkommen oder eine Erhöhung des (Ehegatten-)Selbstbehalts (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391 = FuR 2009, 577; vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 aaO; vom 23. Februar 2005 - XII ZR 56/02 - FamRZ 2005, 706, 708 = FuR 2005, 253 = EzFamR BGB § 1603 Nr. 47, und vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594, 599 = FuR 2008, 203, sowie Wendl/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 169).
34 III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
35 Allerdings ergeben die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen einen Anspruch der Beklagten aus § 1570 BGB jedenfalls nicht ohne weiteres in einer ihren Antrag erreichenden Höhe, so daß die Abänderungsklage auch deswegen zu einer Herabsetzung auf den vom Berufungsgericht ausgeurteilten Betrag führen könnte. Dafür, daß die Beklagte aus kind- oder elternbezogenen Gründen an einer mehr als halbschichtigen Tätigkeit gehindert ist, reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus.
36 Daß das Berufungsgericht hier ausschließlich auf das Alter der Tochter und daraus resultierende Kindesinteressen als Hinderungsgrund für eine weitergehende Erwerbstätigkeit abgestellt hat, widerspricht der Rechtsprechung des Senats zum Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung. Danach ist im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfange die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte, denn mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben. Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein auf das Alter der Kinder abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (Senatsurteile vom 18. März 2009 aaO S. 772 f; vom 6. Mai 2009 aaO S. 1126 f, und vom 17. Juni 2009 aaO).
37 Damit ist das Berufungsurteil nicht zu vereinbaren, weil es ausschließlich auf das Alter des Kindes abstellt, ohne festzustellen, daß die Beklagte aus kind- oder elternbezogenen Gründen iSv § 1570 BGB an einer weitergehenden Erwerbstätigkeit gehindert ist.
38 Aufgrund des Klägervorbringens in der Berufungsinstanz, dessen Richtigkeit abgesehen von der die Beklagte treffenden Darlegungs- und Beweislast in der Revisionsinstanz zu unterstellen ist, steht der Beklagten eine tägliche Zeitspanne von 7½ Stunden für ihre Berufstätigkeit zur Verfügung. Bei einem daraus unter Berücksichtigung von Pausen möglichen Tagespensum von maximal sieben Stunden und dem von der Klägerin derzeit erzielten Stundenlohn von 10,50 € errechnet sich ein erzielbares Monatsbruttoeinkommen von rund 1.600 €. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben liegt bei einem bereinigten Nettoeinkommen von rund 1.000 € der restliche Unterhaltsbedarf nach Abzug des Kindesunterhalts (Zahlbetrag) unterhalb des von der Beklagten mit der Revision verteidigten Unterhalts von 150 €.
39 Ob von dem - in der Revisionsinstanz zu unterstellenden - Einkommen aus einer erweiterten Tätigkeit im oben beschriebenen Umfange wegen einer durch die Erwerbstätigkeit neben der Kindesbetreuung eintretenden überobligatorischen Belastung Abstriche zu machen sind (Senatsurteile vom 18. März 2009 aaO S. 772 f; vom 6. Mai 2009 aaO S. 1127, und vom 17. Juni 2009 aaO), läßt sich mangels tatrichterlicher Feststellungen ebenfalls nicht verläßlich beurteilen.
40 IV. Dem Senat ist eine eigene Entscheidung in der Sache verwehrt, weil es zum Umfang der die Beklagte treffenden Erwerbsobliegenheit weiterer Feststellungen bedarf. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner erneuten Entscheidung - unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (vgl. BGHZ 159, 122, 124 f; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 557 Rdn. 16) - zudem die seit 1. Januar 2009 geänderten Beträge für Mindestunterhalt (1. Altersstufe) und Kindergeld sowie den zwischenzeitlichen Altersstufenwechsel der Tochter zu berücksichtigen.

Unterhalt des Ehegatten; Berechnung des Ehegattenunterhalts; Vorwegabzug des Kindesunterhalts; Vorabzug des Tabellenbetrages.

BGB §§ 1570, 1578, 1612b n.F.

Der Vorabzug des Kindesunterhalts von dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils hat für die Berechnung des Ehegattenunterhalts in Höhe der Tabellen- und nicht der Zahlbeträge zu erfolgen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt nicht in Betracht; § 1612b BGB ist verfassungskonform auszulegen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2008 - II-7 UF 33/08

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Solingen vom 25.01.2008 (37 F 334/07) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Solingen am 07.11.2005 (37 F 63/04) geschlossene Vergleich wird dahingehend abgeändert, daß der Kläger für den Zeitraum von Januar 2008 bis zum 14.06.2008 nicht verpflichtet ist, an die Beklagte monatlichen nachehelichen Unterhalt zu zahlen; für den Zeitraum ab 15.06.2008 ist der Kläger verpflichtet, monatlichen nachehelichen Unterhalt von 73 € an die Beklagte zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 40% und die Beklagte zu 60%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

(gemäß § 540 ZPO)

Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs ab September 2007.

Der 1970 geborene Kläger und die 1977 geborene Beklagte heirateten im Jahre 2002; 2003 wurde die Tochter L. geboren, welche seit der im Februar 2004 erfolgten Trennung der Parteien bei der Beklagten lebt. Mit Urteil vom 7. November 2005 - rechtskräftig seitdem - hat das Amtsgericht - Familiengericht - Solingen die Ehe der Parteien geschieden. Mit Vergleich vom 7. November 2005 (37 F 63/04) hat sich der Kläger zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 219 € an die Beklagte ab Rechtskraft der Ehescheidung verpflichtet; außerdem zahlt der Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts vom 16. September 2004 (37 F 296/04) titulierten monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 192 €. Für die Zeit ab Februar 2008 ließ die Beklagte den Kläger zur Zahlung eines um 10 € erhöhten Kindesunterhalts auffordern; daraufhin hat der Kläger eine Jugendamtsurkunde erstellen lassen, mit welcher er sich zur Zahlung von 100% des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe ab März 2008 verpflichtete.

Sein früherer Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Juli 2007; in einem anschließenden Arbeitsgerichtsprozeß schlossen die dortigen Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2007 endete; seitdem ist der Beklagte arbeitssuchend und erhält ein monatliches Arbeitslosengeld von 1.022,70 €. Von Anfang Dezember 2007 bis zum 11. Juni 2008 absolvierte er eine von der Agentur für Arbeit finanzierte Qualifizierungsmaßnahme, wobei die Abschlußprüfung noch aussteht.

Mit Urteil vom 25. Januar 2008 hat das Amtsgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage den Vergleich dahin gehend abgeändert, daß der Kläger für den Zeitraum von September bis Dezember 2007 nur noch zur Zahlung von monatlich 145 € und ab Januar 2008 nicht mehr zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Abänderungsklage sei zum Teil begründet, da der Kläger auch unter Berücksichtigung eines fiktiven Zusatzeinkommens nur teilweise bzw. unter Ansatz eines höheren Selbstbehalts nicht mehr leistungsfähig sei. Bei einem Selbstbehalt von 850 € bis Ende 2007 und von 1.000 € ab Januar 2008 seit er daher nur teilweise bzw. seit Jahresbeginn gänzlich nicht mehr leistungsfähig. Auf die Frage, ob die Beklagte verpflichtet sei, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten, komme es daher nicht an.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Nachdem sie zunächst die gänzliche Abweisung der Klage begehrt hat, verfolgt sie ihr Anliegen nunmehr im Rahmen der bewilligten Prozeßkostenhilfe. Sie trägt vor, nach Hinweisen auf eine geringe Erfolgsaussicht der Abänderungsklage habe das Amtsgericht dieser überraschend überwiegend stattgegeben. Sie sei bedürftig und auch nicht gehalten, ihre seit Januar in einen Geringverdienerjob umgewandelte Teilzeittätigkeit auszuweiten; wegen der Kindesbetreuung könne sie nachmittags nicht arbeiten. Der Kläger müsse sich zur Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen im bisherigen Rahmen erzielte. Er hätte sich bereits seit Februar 2007 intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemühen müssen; dies habe er verabsäumt - seine Bewerbungsbemühungen seien nicht hinreichend. Die Qualifizierungsmaßnahme hätte auch bereits im September 2007 abgeschlossen werden können. Zudem sei die Steuererstattung unberücksichtigt geblieben. Schließlich sei die Frage zu klären, ob das Einkommen des Klägers um den Tabellenunterhalt oder um den Zahlbetrag zu bereinigen sei.

Sie beantragt sinngemäß, unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit der Kläger eine Herabsetzung auf unter monatlich 219 € für den Zeitraum September bis Dezember 2007 und auf unter 150 € für den Zeitraum ab 15. Juni 2008 begehrt.

Dem ist der Kläger entgegen getreten. Er beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Hierzu trägt er vor, zu einem Betreuungsunterhaltsanspruch gemäß § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB fehlten zureichende Anhaltspunkte; der Beklagten stehe auch kein Aufstockungsunterhalt zu. Es fehle an Beschäftigungsmöglichkeiten für ihn auf dem Arbeitsmarkt. Er habe eine von der Agentur für Arbeit im November 2007 angebotene und finanzierte Qualifizierungsmaßnahme aufgenommen, um seine Beschäftigungschancen zu verbessern; die Abschlußprüfung folge im Winter 2008/2009. Diese Maßnahme habe er nicht früher beginnen können, weil sein Arbeitsverhältnis erst zum 31. August 2007 geendet habe, und bis dahin keine Qualifizierung bezahlt würde; dies hätte er aus eigenen Mitteln nicht leisten können. In den Jahren 2006 und 2007 habe er keine Steuererstattungen erhalten; das Finanzamt würde überdies wegen seiner im Jahre 2004 nach Steuerforderungen angemeldeten und im Jahre 2005 beschlossenen Privatinsolvenz keine zuviel gezahlten Steuern erstatten.

Der Senat hat mit terminsvorbereitendem Beschluß vom 18. August 2008 auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen und diese mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung und auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Abänderungsklage ist gemäß § 323 Abs. 1 ZPO zulässig. In der Sache beurteilt sich die vom Kläger begehrte Herabsetzung bzw. der gänzliche Wegfall der im Wege des Prozeßvergleichs titulierten Unterhaltsverpflichtung nach § 313 Abs. 1 BGB, weil der Kläger sich auf eine nachträgliche Änderung stützt. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann, wenn sich die Umstände, welche zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluß schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Als Grundlage des Vertrages haben die Parteien seinerzeit bei Vergleichsabschluß ein bereinigtes Einkommen des Klägers von monatlich 1.309,70 € angenommen, und ein Einkommen der Beklagten von 600,18 €; und zwar unter Berücksichtigung von 150 € als Betreuungsbonus auf seiten der Beklagten sowie der Kindesunterhaltsverpflichtung des Klägers von 192 €, wobei die Beklagte von dessen Erhöhung um monatlich 7 € wegen der nachehelichem Unterhaltsverpflichtung absehen wollte.

Ein Betreuungsunterhaltsanspruch gemäß § 1570 BGB a.F., § 1570 Abs. 1 S. 2 BGB n.F. steht der Beklagten auch weiterhin zu (s. unten).

Tatsächlich verfügte der Kläger demgegenüber ab September 2007 über Einkünfte von monatlich 1.022,70 € Arbeitslosengeld - damit wäre er unter Berücksichtigung des Kindesunterhalts nur bis Ende 2007 teilweise leistungsfähig, und zwar auch dann, wenn ihm zusätzlich ein fiktives anrechnungsfreies Nebenerwerbsentgelt von monatlich rund 165 € zugerechnet würde: (1.022,70 € + 165 € = 1.187,70 € ./. 199 € =) 988,70 €. Leistungsfähigkeit bestünde in Höhe von monatlich 89 € bis Ende 2007, denn der gegenüber dem Ehegatten erhöhte Selbstbehalt kommt hier noch nicht zur Anwendung, weil neben dem Ehegattenunterhalt auch Kindesunterhalt geschuldet ist, und bei dieser Berechnung nach ständiger Handhabung des Senats nur einheitlich 900 € als Selbstbehalt berücksichtigt werden. Der Kindesunterhalt ist nämlich teilweise aus der Differenz zwischen dem notwendigen und dem erhöhten Selbstbehalt zu leisten, so daß infolgedessen wiederum ein um 100 € erhöhter Betrag für den nachehelichem Unterhalt zur Verfügung steht.

Dem Kläger ist schon im Hinblick auf die zwischenzeitlich belegte Privatinsolvenz keine - für 2006 auch nicht ausgezahlte und damit vom ihm nicht vereinnahmte - Steuererstattung zuzurechnen, welche auch die Leistungsfähigkeit nur unerheblich steigerte. Allerdings sind ihm in voller Höhe bis August 2007 gezahlte und auf zwölf Monate umzulegende Urlaubs- und Weihnachtsgelder anteilig auch für die Zeit von September bis Dezember 2007 zuzurechnen. Diese Umrechnung ist auch angesichts der Pfändungsfreigrenzen möglich wie zumutbar. Über die Höhe dieser Gelder ist im einzelnen nichts bekannt; indes ist der Kläger, der den der rechtlichen Beurteilung zugrunde liegenden Annahmen nach erteilten Hinweisen nicht hinreichend entgegen getreten ist, für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet.

Mithin ist der Kläger für den Zeitraum bis Ende Dezember 2007 als hinreichend leistungsfähig zu behandeln.

Für den Zeitraum ab Januar 2008 bis zum Abschluß der Qualifizierungsmaßnahme und demnach bis Mitte Juni 2008 fehlt es indes an der erforderlichen Leistungsfähigkeit des Klägers, da ihm Bestandteile seines früheren Gehalts nun nicht mehr zugerechnet werden können, und aufgrund der geänderten Rangfolge gemäß § 1609 Nr. 1 und 2 BGB n.F. der erhöhte Selbstbehalt von monatlich 1.000 € zu beachten ist.

Die Aufnahme der von der Agentur geförderten Qualifizierungsmaßnahme muß die Beklagte unterhaltsrechtlich hinnehmen; sie mag bedenken, daß ihr gegenüber keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit und daraus resultierende verschärfte Unterhaltsverpflichtung besteht, und es sich unstreitig um eine sog. Erstausbildung handelt. Selbst bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit aber hat der Bundesgerichtshof die Aufnahme einer Erstausbildung nach Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes aufgrund betriebsbedingter Kündigung nicht für vorwerfbar gehalten (BGH FamRZ 1994, 372, 375 = EzFamR BGB § 1603 Nr. 21 = BGHF 8, 1423).

Dem schließt sich der Senat auch für diesen zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt an: Der Arbeitsplatzverlust, dessen finanzielle Folgen im Rahmen eines Prozeßvergleichs noch erheblich abgemildert worden sind, ist unterhaltsrechtlich dem Kläger nicht vorwerfbar. Zweifel hieran sind allenfalls theoretischer Natur. Der Kläger mag zwar frühere Ausbildungsversuche abgebrochen haben; gleichwohl darf es ihm nach Überzeugung des Senats mit einem Alter von rund 27 Jahren unterhaltsrechtlich nicht verwehrt werden, eine Qualifizierung, die zeitlich einen wesentlich geringeren Umfang in Anspruch nimmt als eine »normale« Erstausbildung und finanziell zudem zumindest teilweise, nämlich bis Ende 2007, für die Beklagte im Hinblick auf ihren Unterhaltsanspruch keine Auswirkungen hatte. Schließlich weist der Senat nochmals vorsorglich darauf hin, daß sich nach endgültigem Abschluß die Anforderungen an den Kläger im Hinblick auf seine Bewerbungsbemühungen wieder deutlich verschärfen.

Dem Kläger kann auch eine verspätete Aufnahme der Qualifizierungsmaßnahme nicht vorgeworfen werden, da eine für die Beklagte unzumutbare Verzögerung nicht vorliegt. Die Arbeitsagentur wird nach den Erfahrungen des Senats regelmäßig erst dann tätig, wenn jemand arbeitssuchend ist. Das dem vorhergehende Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs erst zum 31. August 2007; die Zeit bis zum Beginn der Maßnahme betrug sodann nur wenige Monate.

Für den Zeitraum ab März 2008 verschärft sich die finanzielle Situation noch, da die geänderte Kindesunterhaltsregelung zu beachten ist. Seit März 2008 zahlt der Kläger einen höheren Kindesunterhalt von (279 € ./. 77 € Kindergeldanteil =) 202 € gemäß der Jugendamtsurkunde, wobei der Senat vorsorglich darauf hinweist, daß der titulierte Betrag sich wohl auf die Übergangsregelung des § 36 Nr. 3 EGZPO bezieht, wenngleich sich dies nicht direkt aus dem Urkundentext ergibt. Wegen der einvernehmlichen tatsächlichen Handhabung der Parteien war dem nicht weiter nachzugehen.

Insoweit kommt es jedoch entscheidend - bereits für den Unterhaltszeitraum ab Januar 2008 - darauf an, ob bei der Einkommensberechnung auf seiten des Klägers der Tabellenbetrag oder der Zahlbetrag abzuziehen ist. Bisher hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß (auch unter dem Einfluß des neuen Unterhaltsrechts weiterhin) der Tabellenbetrag, in dem das hälftige Kindergeld enthalten ist, zu berücksichtigen ist. Auch nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung hält er hieran fest; wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage sowie dem Erfordernis einer einheitlichen Rechtsprechung läßt er allerdings die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zu.

Der Abzug des Tabellenbetrages beruht auf folgenden Erwägungen:

Ob die Zahl- oder die Tabellenbeträge bei der Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse von dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils in Abzug zu bringen sind, ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesetz. Zwar ist nach § 1612b BGB das Kindergeld auf den Bedarf anzurechnen; dies zwingt aber nicht zum Abzug der Zahlbeträge. Bis zum Kindschaftsreformgesetz, das zum 1. Juli 1998 in Kraft trat, wurde das Kindergeld ebenfalls auf den Bedarf angerechnet. Die Rechtslage ist also nicht neu. Damals bestand Einigkeit darüber, daß bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts nicht die Zahlbeträge, sondern die Tabellenbeträge in Abzug zu bringen sind (BGH FamRZ 1997, 806 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 49 = BGHF 10, 888). Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, daß das Kindergeld den Eltern in dem Maße zusteht, in dem sie sich nach Maßgabe des § 1606 Abs. 3 BGB am Unterhalt des Kindes beteiligen. Da Betreuungs- und Barunterhalt gleichrangig sind, sollte das Kindergeld bei minderjährigen Kindern in der Regel hälftig zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Auf den Gedanken, das Kindergeld als Einkommen des Kindes anzusehen, ist bei der damaligen Rechtslage niemand gekommen.

Nunmehr wird allerdings vertreten, die Zahlbeträge in Abzug zu bringen (Dose, FamRZ 2007, 1289; Klinkhammer, FamRZ 2008, 199; Gerhardt, FamRZ 2007, 945; Gerhardt/Gutdeutsch, FamRZ 2007, 748; Scholz, FamRZ 2007, 2028). Dies entspricht auch dem Regierungsentwurf (BT-Dr. 16/1830 S. 29). Diese Auffassung stützt sich darauf , daß das Kindergeld durch die Anrechnung auf den Bedarf gemäß § 1612b BGB als anrechnungsfähiges Einkommen des Kindes anzusehen und damit genauso zu behandeln ist wie eine Ausbildungsvergütung.

Dieser Auslegung, die zwangsläufig zum Abzug der Zahlbeträge führen muß, vermag sich der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht anzuschließen. Der Senat sieht darin einen Verstoß gegen Art. 3 GG, weil insoweit der barunterhaltspflichtige Elternteil gegenüber demjenigen Elternteil, der den Betreuungsunterhalt leistet, benachteiligt wird, so daß die Gleichwertigkeit gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB nicht mehr gewahrt ist. Das Kindergeld hat eine zweifache Zweckbestimmung: Zum einen ist es eine familienfördernde Sozialleistung und dient dazu, das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen, zum anderen dient es im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gemäß § 31 S. 2 EStG dazu, die barunterhaltspflichtigen Eltern von ihren Belastungen durch ihre Leistungen gegenüber den Kindern steuerlich freizustellen.

Nach § 1612b Abs. 5 BGB (a.F.) wurde das Kindergeld gemäß diesen Zweckbestimmungen eingesetzt. Es stand dem barunterhaltspflichtigen Elternteil erst dann zur Hälfte zu, wenn er das Existenzminimum des Kindes sichergestellt hat. Solange diesem die Sicherstellung des Existenzminimums aufgrund seines Einkommens nicht möglich war, wurde das Kindergeld dazu eingesetzt. Aus diesem Grunde sah das Gesetz eine Halbanrechnung des Kindergeldes erst ab der Sicherstellung von 135% des Regelbetrages, dem damaligen Existenzminimum, vor. Diese Beurteilung hat das Bundesverfassungsgericht gebilligt (FamRZ 2003, 1370). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht darauf abgestellt, daß der Steuerausgleich der Freistellung des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs eines Kindes dient, also auch des Bedarfs, der die Existenz des Kindes sicherstellt. Soweit dieser Bedarf vom Unterhaltspflichtigen mit seinen Unterhaltszahlungen in der Höhe des notwendigen Minimums nicht abgedeckt werde, könne das Kindergeld nicht die Funktion einer steuerlichen Entlastung haben. Eine Belastung, die insoweit nicht vorhanden sei, sei auch nicht steuerlich auszugleichen. Daraus zieht der Senat den Umkehrschluß, daß dann, wenn das Existenzminimum des Kindes durch den Barunterhalt sichergestellt wird, dem Unterhaltspflichtigen das halbe Kindergeld zugute kommen muß, wie es auch der den Betreuungsunterhalt leistenden Elternteil für sich beanspruchen kann. Es besteht bei Sicherstellung des Existenzminimums nur noch die Zweckbestimmung der steuerlichen Entlastung, die beiden Eltern in gleicher Weise zugute kommen muß. Den Vorrang der familienrechtlichen Zweckbestimmung hat das Bundesverfassungsgericht nur dann vorgesehen, wenn das Existenzminimum durch den Barunterhalt nicht sichergestellt wird.

Daraus folgt, daß jede andere Bewertung einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellt. Beim Abzug der Zahlbeträge wird nämlich dieser hälftige Ausgleich des Kindergeldes gemäß der vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Zweckbestimmung über den Ehegattenunterhalt zu Lasten des Barunterhaltspflichtigen verändert. Werden nämlich die Zahlbeträge abgezogen, führt dies zu einem Ehegattenunterhalt, der bei einem minderjährigen, von dem bedürftigen Ehegatten betreuten Kind um 33 € höher ist als bei Abzug der Tabellenbeträge. Wird als Vorwegabzug lediglich der Zahlbetrag berücksichtigt, erhöht sich das Einkommen für den barunterhaltspflichtigen Elternteils um das hälftige Kindergeld, also um 77 €, so daß der den Betreuungsunterhalt leistende bedürftige Ehegatte davon 3/7, also 33 € über den Ehegatten für sich abzweigt.

Da die Vertreter der Auffassung für den Abzug der Zahlbeträge davon ausgehen, daß das Kindergeld Einkommen des Kindes ist, führt dies sogar noch zu der mißlichen Situation, daß die andere Hälfte des Kindergeldes bei dem bedürftigen Ehegatten, der die Betreuung des Kindes leistet, nicht in Ansatz zu bringen ist, da der Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren ist, und daher bei der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt zu bleiben hat. Es erhöht sich also ausschließlich das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Damit verschlechtert sich die Lage für den unterhaltspflichtigen Elternteil, der Ehegattenunterhalt zu zahlen hat, sogar noch gegenüber der früher vertretenen Auffassung, das Kindergeld als Einkommen der Eltern anzusehen. In diesem Falle müßte es nämlich sowohl beim unterhaltsberechtigten als auch beim unterhaltsverpflichteten Ehegatten jeweils zur Hälfte in Ansatz gebracht werden, so daß sich die Berücksichtigung im Regelfall neutralisiert. Die Behandlung als Einkommen des Kindes führt also dazu, daß sich ausschließlich das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils erhöht. Dies hat zur Folge, daß ihm ein Teilbetrag von 33 € von der ihm zustehenden steuerlichen Entlastung im Wege des Ehegattenunterhalts wieder abgenommen und an den anderen Ehegatten weitergeleitet wird, der diesen Betrag neben der ihm zustehenden Hälfte des Kindergeldes erhält. Damit wachsen dem betreuenden Elternteil nicht 77 €, also die Hälfte des Kindergeldes, sondern 110 € zu.

Dies stellt nach Auffassung des Senats einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar, weil nicht einzusehen ist, daß der steuerliche Ausgleich auf diesem Wege zugunsten dieses Elternteils verfälscht wird, zumal der barunterhaltspflichtige Elternteil das Existenzminimum des Kindes sicherstellt; dies entspricht nämlich nunmehr dem Mindestbedarf, der immer befriedigt ist, wenn es um Ehegattenunterhalt geht. Dies ergibt sich aus den Rangfolgen gemäß § 1609 Nr. 1 und 2 BGB von minderjährigen Kindern und Ehegatten. Das bedeutet also, daß die vorrangige Zweckbestimmung des Kindergeldes als familienfördernde Sozialleistung wegen der Rangverhältnisse auf jeden Fall erfüllt ist, wenn Ehegattenunterhalt in Frage steht. Folgt man den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, dürfte es beim Ehegattenunterhalt damit nur noch um die weitere Zweckbestimmung, nämlich der Entlastungsfunktion des Kindergeldes, gehen, die im Steuerrecht verankert ist, und die durch die Anrechnung der Zahlbeträge beim Ehegattenunterhalt nicht mehr zu einer hälftigen Entlastung der Eltern führt.

Die Ungleichbehandlung wird noch offensichtlicher, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für die Zahlung von Ehegattenunterhalt aufgrund des Ehegattenselbstbehalts infrage steht. In diesem Falle wird über den Ehegattenunterhalt das hälftige Kindergeld in voller Höhe an den betreuenden Ehegatten weiter geleitet. Verbleiben dem Pflichtigen nach Abzug des Zahlbetrages bei einem Kind 1.077 €, ist er wegen des Kindergeldes in Höhe von 77 € leistungsfähig, Ehegattenunterhalt in Höhe von 77 € zu zahlen. In diesen Fällen verbleibt ihm das Kindergeld zu seiner Entlastung noch nicht einmal teilweise, obwohl er das Existenzminimum des Kindes durch den Kindesunterhalt sicherstellt. Ansonsten käme es - wie bereits ausgeführt - gar nicht zum Ehegattenunterhalt. Die Weiterleitung des hälftigen Kindergeldes in voller Höhe an den unterhaltsberechtigten Ehegatten dürfte sich auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vor allem nicht damit begründen lassen, daß der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig ist, Ehegattenunterhalt zu zahlen. Die familienfördernde Zweckbestimmung betrifft ausdrücklich nur das Existenzminimum des Kindes.

Im übrigen sieht der Senat bei diesem Ergebnis auch einen Widerspruch darin, daß gegenüber dem Ehegattenunterhalt ein höherer Selbstbehalt gilt als gegenüber Kindern, da durch den Abzug der Zahlbeträge die zu Recht bestehende Differenzierung aufgehoben wird.

Noch krasser wirkt sich der Abzug der Zahlbeträge aus, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch noch den Betreuungsunterhalt leistet. Trennt sich die Ehefrau von dem Ehemann, beläßt sie die beiden aus der Ehe stammenden minderjährigen Kinder in dessen Haushalt, und verlangt sie Ehegattenunterhalt, müßte der Ehemann, wenn sie aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, Kindesunterhalt zu zahlen, das hälftige Kindergeld über den Ehegattenunterhalt an sie weiterleiten, wenn ihm nach Abzug der Zahlbeträge für die beiden bei ihm lebenden Kinder lediglich 1.154 € verbleiben. In diesem Falle müßte er also 154 € Ehegattenunterhalt bezahlen. Es liegt auf der Hand, daß es sich dabei um das jeweils hälftige Kindergeld für die beiden bei ihm lebenden Kinder handelt, die er nicht nur betreut, sondern deren Naturalunterhalt er auch sicherstellt, weil die Ehefrau sich daran aufgrund ihrer Leistungsunfähigkeit nicht zu beteiligen vermag. Dies bedeutet, daß die Mutter, obwohl sie nichts, aber auch rein gar nichts zum Unterhalt der Kinder beiträgt, über den Ehegattenunterhalt das halbe Kindergeld für sich beanspruchen kann. Dieses Ergebnis dürfte kraß gegen die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen, nach der ein Anspruch eines Elternteils auf das hälftige Kindergeld erst dann besteht, wenn er das Existenzminimum des Kindes sicherzustellen vermag, und insoweit die familienfördernde Zweckbestimmung im Vordergrund steht. Dem Ehegatten, der sowohl den Betreuungs- als auch den Naturalunterhalt leistet, verbleibt in diesen Fällen nur das hälftige Kindergeld, obwohl es ihm in voller Höhe zur Verfügung stehen müßte.

Zu einem ebenso unangemessenen Ergebnis führt der Abzug der Zahlbeträge bei nicht gemeinsamen Kindern. Ist der vom geschiedenen Ehegatten auf Ehegattenunterhalt in Anspruch genommene Ehegatte wieder verheiratet, sind aus der neuen Ehe z.B. zwei Kinder hervorgegangen, ist der zweite Ehegatte wegen Erwerbstätigkeit nicht unterhaltsbedürftig, und verbleiben dem Ehemann nach Abzug des Zahlbetrages 1.154 €, muß er das für die nicht gemeinsamen Kinder bezogene Kindergeld zur Hälfte im Wege des Ehegattenunterhalts an den geschiedenen Ehegatten weiterleiten, der mit den Kindern überhaupt nichts zu tun hat.

Aufgrund der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken vermag sich der Senat nicht der Auslegung anzuschließen, nach der die Kindergeldanrechnung auf den Bedarf gemäß § 1612b BGB bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts zum Abzug der Zahlbeträge führen muß. Entgegen der Auffassung von Scholz (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 510) sieht sich der Senat nicht verpflichtet, das konkrete Normen-Kontrollverfahren gemäß Art. 100 GG durchzuführen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Eine Vorlage kommt dann nicht in Betracht, wenn die Verfassungswidrigkeit durch eine verfassungskonforme Auslegung beseitigt werden kann (BVerfGE 32, 383; 48, 215; 64; 242; v. Münch/Kunig, GG 5. Aufl. Art. 100 Rdn. 66; Leibholz/Rinck, GG Art. 100 Rdn. 42). Da nach Auffassung des Senats nicht § 1612b BGB und die Kindergeldanrechnung auf den Bedarf des Kindes verfassungswidrig sind, sondern lediglich die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß demgemäß bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts die Zahl- und nicht die Tabellenbeträge abzuziehen sind, besteht die Möglichkeit, durch eine verfassungskonforme Auslegung und den Abzug der Tabellenbeträge ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden. Damit verbietet sich eine Vorlage gemäß Art. 100 GG.

Ab Mitte Juni 2008 - die Qualifizierungsmaßnahme selbst ist abgeschlossen, lediglich die Abschlußprüfung steht noch aus - ist der Kläger allerdings wieder als (indes jetzt nur teilweise) leistungsfähig zu behandeln. Auch sind insoweit von ihm wegen der zeitlichen Absehbarkeit bereits rechtzeitig zuvor einsetzende Bewerbungsbemühungen zu verlangen; diesen Anforderungen genügen die vorgelegten Bewerbungsunterlagen ersichtlich bei weitem nicht.

Nach den für 2006 vorgelegten Verdienstunterlagen erzielte der Kläger im Jahre 2006 im Durchschnitt ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich rund 1.352 €; unter Vorabzug des Kindesunterhalts-Tabellenbetrages von monatlich 279 € verbleibt eine Restleistungsfähigkeit von monatlich 73 €. Es ist an das früher tatsächlich erzielte Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit anzuknüpfen, weil die Abschlußprüfung noch aussteht und ein eventueller, mit der Qualifizierung einhergehender möglicher höherer Verdienst bislang noch nicht realisierbar bzw. zu unterstellen ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers beeinflußt das von der Beklagten erzielte Einkommen dieses Ergebnis nicht, da es allein auf seine Leistungsfähigkeit ankommt: Die Beklagte müßte schon über monatlich netto bereinigt 900 € als Arzthelferin verdienen, damit ihr Bedarf sich verringerte; ein solches Einkommen erzielt sie nicht, und es ist ihr auch ein diese Größenordnung deutlich übersteigender Betrag nicht fiktiv zuzurechnen. Hierbei bedarf nicht einmal die Frage einer Entscheidung, ob der Beklagten weiterhin wie im Vergleich ein Betreuungsbonus auch nach neuem Recht gutzubringen ist. Die gemeinsame Tochter L. ist erst fünf Jahre alt; angesichts dieses Kindesalters ist die Beklagte nicht darauf zu verweisen, sie könne ihren Bedarf gänzlich durch eigene Erwerbstätigkeit verdienen. Mehr als eine etwa halbschichtige Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Kindesinteressen nicht zumutbar. Von der Gegenseite bestrittene Angaben des Klägers zu einer umfänglichen Erwerbstätigkeit der Beklagten mit einem entscheidungsrelevanten Einkommen sind ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt und entbehren einer hinreichenden Substanz. Die Beklagte hat ihre zwischenzeitlich reduzierte Erwerbstätigkeit lediglich wieder auf einen gut halbschichtigen Umfang ausgeweitet (als Rezeptionsmitarbeiterin mit einer Vergütung von 10,50 €/Stunde), wie sie durch Vorlage des entsprechenden Arbeitsvertrages auch belegt hat.

Nur für den Zeitraum ab Januar 2008 (ab 15. Juni 2008 teilweise) ist die Geschäftsgrundlage der früheren Vereinbarung gestört und ein Festhalten des Klägers hieran für ihn nicht zumutbar; damit ist der Vergleich für die Zeit ab Januar 2008 in dem vorbezeichneten Umfange abzuändern.

Im Ergebnis ist die Berufung teilweise begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.


BGH, Urteil vom 24.06.2009 - XII ZR 161/08
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BGH, Urteil vom 24.06.2009 - XII ZR 161/08
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OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2008 - II-7 UF 33/08
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