Telefon
0941 / 59 55 00
Telefon

BGH, Urteil vom 17.12.2008 - XII ZR 9/07 - FD-Platzhalter-rund

BGH, Urteil vom 17.12.2008
XII ZR 9/07




Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen; spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens; in der Ehe absehbare Steigerungen; Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs; Berücksichtigung neu hinzugekommener Unterhaltspflichten im Rahmen der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe.

BGB § 1578

1. Bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Weil das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten aber nicht besser stellen will, als er während der Ehe stand oder aufgrund einer absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde, sind grundsätzlich nur solche Steigerungen des verfügbaren Einkommens zu berücksichtigen, die schon in der Ehe absehbar waren, was nicht für einen Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs gilt.
2. Schuldet der Unterhaltspflichtige neben dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten auch nachehelich geborenen Kindern oder einem neuen Ehegatten Unterhalt, sind die neu hinzugekommenen Unterhaltspflichten regelmäßig auch bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) der geschiedenen Ehe zu berücksichtigen.
3. Soweit ein nachehelicher Karrieresprung lediglich einen neu hinzugetretenen Unterhaltsbedarf auffängt und nicht zu einer Erhöhung des Unterhalts nach den während der Ehe absehbaren Verhältnissen führt, ist das daraus resultierende Einkommen in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen.

BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 - XII ZR 9/07 - OLG Düsseldorf [FamRZ 2007, 1815]

Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18.12.2006 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Tatbestand
1
Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab April 2005.
2
Die 1958 geborene Klägerin zu 2) (im folgenden: Klägerin) und der 1953 geborene Beklagte hatten 1985 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind der Sohn P. (geboren im August 1985) und die Tochter N. (geboren im Dezember 1992) hervorgegangen. Im Juli 1995 trennten sich die Parteien. Mit Urteil vom 4. Februar 1998 wurde ihre Ehe rechtskräftig geschieden. Zuvor hatten sie einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, in dem sich der Beklagte unter anderem verpflichtet hatte, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt (incl. Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt) in Höhe von insgesamt 2.426,02 DM monatlich zu zahlen. Mit Unterhaltsvereinbarung vom 14. März 2004 änderten die Parteien den Vergleich vom 4. Februar 1998 ab und vereinbarten eine nacheheliche Unterhaltszahlung des Beklagten an die Klägerin in Höhe von monatlich 770,50 €.
3
Der Beklagte war seit November 1992 für acht Jahre Beigeordneter der Stadt G. Zum 1. November 2000 wurde er zum ersten Beigeordneten der Stadt G. mit einem Einkommen nach Besoldungsgruppe A 16 und zugleich zum Geschäftsführer der Eigenbetriebe bestellt. Zum 1. November 2004 wurde er zum Kreisdirektor der Kreisverwaltung W. mit einem Einkommen nach der Besoldungsgruppe B 5 ernannt. Seit September 2006 ist er Beigeordneter der Stadt D. und zugleich deren Rechts- und Ordnungsamtsdezernent mit Einkünften nach Besoldungsgruppe B 7.
4
Der Beklagte ist seit 13. Oktober 1999 neu verheiratet. Aus dieser Beziehung sind die Kinder M. (geboren am 17. September 1996, also noch vor der Scheidung der Ehe der Parteien), J. (geboren am 10. März 2000) und W. K. (geboren am 28. Juni 2004) hervorgegangen.
5
Die Klägerin ist gelernte Arzthelferin und war als solche bis zu ihrer Heirat im Februar 1985 berufstätig. In der Folgezeit versorgte sie bis zur Scheidung die Familie und plante einen Wiedereinstieg in ihren Beruf. Seit Februar 1999 arbeitet sie als Putzhilfe in Privathaushalten und erzielt monatliche Einkünfte in Höhe von 400 €.
6
Für den Sohn P. zahlte der Beklagte bis einschließlich Januar 2006 monatlichen Unterhalt in Höhe von 447 €. Nach Beendigung seiner allgemeinen Schulausbildung Ende Juni 2005 absolvierte der Sohn eine einjährige Einstiegsqualifizierung im Gastgewerbe-Service und erhielt von der Bundesagentur für Arbeit monatlich 192 €. Mit Urteil vom 8. März 2006 wurde die Klage des Sohnes auf weiteren Unterhalt abgewiesen. Für die Tochter N. hatte der Beklagte bis einschließlich Juni 2005 monatlichen Unterhalt in Höhe von 378 € gezahlt. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 22. September 2005 wurde der Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2005 auf monatlich 447 € erhöht. Das Kindergeld für beide Kinder erhält die Klägerin.
7
Auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Klägerin zahlte der Beklagte in der hier relevanten Zeit bis einschließlich März 2006 monatlich 281,06 €; danach stellte er die Zahlungen ein.
8
Das Amtsgericht - Familiengericht - Moers hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von April bis Juni 2005 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.103,25 € und für die Zeit ab Juli 2005 monatlichen Unterhalt in Höhe von 800 € abzüglich der bis März 2006 geleisteten Teilbeträge zu zahlen (Urteil vom 30. März 2006 - 488 F 27/05). Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er sein Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe
9
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2007, 1815 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt zustehe, der jedenfalls den vom Amtsgericht ausgeurteilten rückständigen und den laufenden Unterhalt von monatlich 800 € erreiche. Die Klägerin sei bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres ihrer im Dezember 1992 geborenen Tochter N. an der Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert. Es sei aber nicht zu beanstanden, daß das Amtsgericht der Klägerin aus einer ihr zumutbaren halbschichtigen Erwerbstätigkeit ein fiktives eigenes Einkommen von monatlich 566,01 € (nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen) zugerechnet habe. Dabei sei das Amtsgericht zu Recht von einem Stundenlohn in Höhe von 8,50 €/brutto ausgegangen; ein höherer Stundenlohn sei im Rahmen einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit als angestellte Reinigungskraft nicht zu erzielen. Auch ein höheres Einkommen auf der Grundlage ihres erlernten Berufs könne der Klägerin nicht zugerechnet werden, weil sie den Beruf der Krankenschwester seit 1985 nicht mehr ausübe und daher die weitreichende medizintechnische Entwicklung versäumt habe; in diesem Beruf habe sie deswegen gegenwärtig keine Beschäftigungschance.
10
Unterhaltszahlungen für den Sohn P. habe das Amtsgericht zu Recht lediglich für die Zeit der allgemeinen Schulausbildung bis Ende Juni 2005 berücksichtigt. Die weiteren Zahlungen des Beklagten seien als freiwillige Leistungen nicht zu berücksichtigen, da der volljährige Sohn gegenüber der Klägerin unterhaltsrechtlich nachrangig sei. Schließlich habe der Beklagte auch jede Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem volljährigen Sohn in Abrede gestellt.
11
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien seien auf seiten des Beklagten durch seine Einkünfte als erster Beigeordneter der Stadt G. nach der Besoldungsgruppe A 16 einschließlich der weiteren Einkünfte als Geschäftsführer der Eigenbetriebe geprägt. Der Aufstieg zum ersten Beigeordneten sei nicht als Karrieresprung anzusehen und deswegen bei der Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen. Erst bei dem späteren Aufstieg zum Kreisdirektor handle es sich um einen Karrieresprung, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei der Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen unberücksichtigt bleibe.
12
Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wirke sich das Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter auf den Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten aus, so daß auch die beiden jüngsten Kinder des Beklagten bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen seien. Es sei allerdings inkonsequent, bei der Bemessung dieses Unterhaltsbedarfs nachehelich geborene Kinder zu berücksichtigen, wodurch der Unterhalt des geschiedenen Ehegatten geschmälert werde, und auf der anderen Seite dem Unterhaltspflichtigen die Differenz aus seinem eheprägenden Einkommen und dem infolge des Karrieresprungs erzielten effektiven Einkommen ungeschmälert zu belassen. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nacheheliche Belastungen bei der Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen seien, sei es nur konsequent, zum Ausgleich vom Rechtsgedanken des Karrieresprungs Abstand zu nehmen, denn die unerwartete und während der Ehe nicht angelegte Einkommensverbesserung des Unterhaltspflichtigen sei ebenso unerwartet wie die durch die Geburt nachehelich geborener Kinder sich ergebende weitere Unterhaltslast. Es sei deswegen billig und angemessen, die Unterhaltsberechtigte nicht nur einseitig durch die Berücksichtigung der nachehelich geborenen Kinder zu belasten, sondern sie im Gegenzug auch davon partizipieren zu lassen, daß der Beklagte eine ebenso wenig in der Ehe angelegte, unerwartete positive wirtschaftliche Entwicklung zu den Ämtern der Besoldungsgruppe B 5 und nunmehr der Besoldungsgruppe B 7 genommen habe.
13
Weil der dem Beklagten nach seiner erneuten Heirat zustehende Splittingvorteil nicht der Klägerin zugute kommen dürfe, sei für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts eine fiktive Einkommensberechnung ohne die steuerlichen Vorteile der neuen Ehe durchzuführen. Auf dieser Grundlage errechne sich nach den gegenwärtig erzielten Einkünften des Beklagten ein Unterhalt, der den vom Amtsgericht ermittelten monatlichen Unterhalt auf der Grundlage der eheprägenden Einkünfte ohne die Unterhaltspflicht für die nachehelich geborenen Kinder sogar übersteige.
14
Die Revision hat das Berufungsgericht im Hinblick darauf zugelassen, daß es auch die Einkünfte des Beklagten aus seiner nachehelichen Beförderung zum Kreisdirektor als eheprägend angesehen hat.
15
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
16
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß sich die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet. Den unbestimmten Rechtsbegriff der »ehelichen Lebensverhältnisse« hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung allerdings nicht mehr im Sinne eines strikten Stichtagsprinzips ausgelegt.
17
a) Ursprünglich hatte der Senat die durch die Vorschrift des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB bezweckte Anknüpfung der Höhe des nachehelichen Unterhalts an die Ehe im Sinne eines strikten Stichtagsprinzips verstanden und den Unterhaltsbedarf allein nach den monetären Verhältnissen während des Zusammenlebens der Parteien bemessen. Spätere Einkommensentwicklungen bis zur rechtskräftigen Ehescheidung sollten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie schon in der Ehe angelegt waren (Senatsurteile vom 23. November 1983 - IVb ZR 21/82 - FamRZ 1984, 149, 150 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 3 = BGHF 3, 1393, und IVb ZR 15/82 - FamRZ 1984, 151, 152 = BGHF 3, 1386). Eine unabsehbare Entwicklung nach der Trennung blieb bei der Bemessung des nachehelichen Unterhaltsbedarfs hingegen unberücksichtigt, und ein erst infolge der Scheidung erzieltes Einkommen des Unterhaltsberechtigten war deswegen im Wege der Anrechnungsmethode voll auf den geringen Unterhaltsbedarf nach den monetären Verhältnissen während der Ehezeit anzurechnen (Senatsurteile vom 14. November 1984 - IVb ZR 38/83 - FamRZ 1985, 161, 162 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 4 = BGHF 4, 646, und vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 51/82 - FamRZ 1984, 356, 357 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 4 = BGHF 4, 83). In seiner späteren Rechtsprechung hat der Senat den Stichtag auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung verlagert und damit, unabhängig von der Absehbarkeit im Zeitpunkt der Trennung, alle Entwicklungen bis zu diesem Zeitpunkt, wie etwa den Wechsel der Steuerklasse (vgl. insoweit Senatsurteile vom 16. Juni 1982 - IVb ZR 727/80 - FamRZ 1983, 152, 153 = BGHF 3, 368, und vom 11. Mai 1988 - IVb ZR 42/87 - FamRZ 1988, 817, 818 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 27 = BGHF 6, 236) oder die Geburt eines weiteren Kindes aus einer neuen Beziehung (Senatsurteil vom 25. November 1998 - XII ZR 98/97 - FamRZ 1999, 367, 368 f = FuR 1999, 172 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 51 = BGHF 11, 612), in die ehelichen Lebensverhältnisse einbezogen (Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 - XII ZR 89/92 - FamRZ 1994, 87, 89 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 30 = BGHF 8, 1236).
18
Änderungen nach der rechtskräftigen Scheidung waren auch nach dieser Rechtsprechung allerdings nur zu berücksichtigen, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde lag, die aus der Sicht im Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, und wenn ihre Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits bestimmt hatte (Senatsurteile vom 16. März 1988 - IVb ZR 40/87 - FamRZ 1988, 701, 703 f = EzFamR BGB § 1573 Nr. 14 = BGHF 6, 149; vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85 - FamRZ 1986, 783, 785 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 15 = BGHF 5, 268, und vom 27. November 1985 - IVb ZR 78/84 - FamRZ 1986, 148 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 13 = BGHF 4, 1387 mwN). Erst in der Folgezeit hat der Senat auch diese aus dem Stichtagsprinzip folgende Grenze weiter gelockert und andere Entwicklungen, auf die die Ehegatten sich während der Ehe noch nicht eingestellt hatten, wie z.B. den Wegfall eines während der Ehezeit geschuldeten Kindesunterhalts, grundsätzlich bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigt (Senatsurteil vom 20. Juli 1990 - XII ZR 73/89 - FamRZ 1990, 1085, 1087 f = EzFamR BGB § 1578 Nr. 34 = BGHF 7, 404).
19
Eine zusätzliche Einschränkung des reinen Stichtagsprinzips hatte der Senat durch seine neuere Rechtsprechung zur Bewertung der ehezeitlichen Haushaltsführung und Kindererziehung herbeigeführt. Auch ein während der Ehezeit noch nicht absehbares und erst nachehelich hinzugetretenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten war danach bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, wenn es als Surrogat an die Stelle der ehelichen Haushaltsarbeit und Kindererziehung getreten war (Senatsurteile vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99 - FamRZ 2001, 986, 989 ff = FuR 2001, 306 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 53 = BGHF 12, 1105, und vom 5. Mai 2004 - XII ZR 132/02 - FamRZ 2004, 1173 f = FuR 2004, 500 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 60). Im Ergebnis führte diese Rechtsprechung dazu, ein später an die Stelle der Haushaltstätigkeit und Kindererziehung getretenes Einkommen - unabhängig von seiner Höhe - ebenfalls den ehelichen Lebensverhältnissen zuzurechnen.
20
b) Trotz dieser weitreichenden Ausnahmen konnte das Stichtagsprinzip, das nun auf die Verhältnisse bis zur rechtskräftigen Scheidung abstellte, nicht in allen Fällen zu sachgerechten Lösungen führen.
21
Wegen der Verschiebung des Stichtags auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung war ein aus einer neuen Beziehung hervorgegangenes Kind bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, wenn es zuvor geboren war, nicht aber, wenn die Geburt nach der rechtskräftigen Scheidung erfolgte. Entsprechend hat das Amtsgericht hier das noch vor der rechtskräftigen Scheidung geborene Kind M. bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigt, nicht aber die ebenfalls aus der neuen Beziehung des Beklagten hervorgegangenen Kinder J. und W. K. Schon diese Differenzierung ist in der Literatur als nicht überzeugend kritisiert worden (Ewers, FamRZ 1994, 816, 817; vgl. auch Graba, FamRZ 1999, 370, 371).
22
Hinzu kommt, daß die Rechtsprechung wegen der Anknüpfung an einen festen Stichtag zu Verstößen gegen den Halbteilungsgrundsatz führen konnte, etwa in Fällen, in denen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach dem Stichtag aus Gründen, die dem Unterhaltspflichtigen nicht vorzuwerfen sind, deutlich absinkt. Wenn der Bedarf des Unterhaltsberechtigten in solchen Fällen wegen der Anknüpfung an einen früheren Stichtag unverändert bliebe, erhielte der Unterhaltsberechtigte mehr, als dem Unterhaltspflichtigen von seinem eigenen Einkommen verbliebe. Dies nicht schon bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, sondern erst auf der Stufe der Leistungsfähigkeit durch einen variablen Selbstbehalt auszugleichen, der dem Bedarf des Unterhaltsberechtigten entsprechen müßte, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. März 2006 abgelehnt (BGHZ 166, 351, 360 ff = FamRZ 2006, 683, 685 f = FuR 2006, 266 = EzFamR BGB § 1581 Nr. 9).
23
Gleiches gilt, wenn sich die persönlichen Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen von denen im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung deutlich entfernt haben, denn das Stichtagsprinzip kann auch dann zu Verstößen gegen den Halbteilungsgrundsatz führen, wenn der Unterhaltspflichtige nach Rechtskraft der Ehescheidung weiteren Personen unterhaltspflichtig wird. Auch dann bliebe dem Unterhaltspflichtigen - vorbehaltlich eines abzusetzenden Erwerbstätigenbonus - für sich und die neuen Unterhaltsberechtigten nur so viel, wie er als Unterhalt einem geschiedenen Ehegatten allein zahlen müßte. Auch das kann nach der Rechtsprechung des Senats nicht erst nach § 1581 BGB im Rahmen der Leistungsfähigkeit aufgefangen werden (vgl. schon BGHZ 166 aaO S. 358 ff = FamRZ 2006, 683, 684 f).
24
c) Deswegen hat der Senat seine frühere Rechtsprechung zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse nach einem Stichtag inzwischen aufgegeben; auch das Gesetz gibt in § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB keine Fixierung auf einen solchen Stichtag vor. Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sind bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen vielmehr spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, und ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt. Die in § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB vorgegebene Anknüpfung an die ehelichen Lebensverhältnisse kann nach der neueren Rechtsprechung des Senats deren grundsätzliche Wandelbarkeit lediglich nach dem Zweck des nachehelichen Unterhalts einerseits und der fortwirkenden ehelichen Solidarität andererseits begrenzen.
25
aa) Wie sich insbesondere aus §§ 1569, 1574 und § 1578b BGB ergibt, will das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehe stand oder aufgrund einer absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde. Im Ausgangspunkt will das Recht des nachehelichen Unterhalts dem unterhaltsberechtigten Ehegatten jedenfalls seinen eigenen angemessenen Unterhalt sichern (§§ 1569, 1574, 1581 BGB). Indem § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB für das Maß des nachehelichen Unterhalts - mit der Begrenzungsmöglichkeit des § 1578b BGB - darüber hinaus geht und dem Unterhaltsberechtigten einen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen einräumt, schafft die Vorschrift einen vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleiteten Maßstab des nachehelichen Unterhalts. Die während der Ehe gelebten Verhältnisse bilden dann aber auch die Obergrenze eines insoweit entstandenen Vertrauens und damit auch des nachehelichen Unterhalts. Weitere Steigerungen des verfügbaren Einkommens sind deswegen grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie schon aus der Sicht des ehelichen Zusammenlebens absehbar waren, nicht aber, wenn der Einkommenszuwachs nach der Trennung der Parteien auf einen Karrieresprung zurückzuführen ist.
26
Ebenso kann der Unterhaltsberechtigte, der seinen Unterhaltsanspruch von dem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen ableitet, nicht auf einen unveränderten Unterhalt vertrauen, wenn das relevante Einkommen des Unterhaltspflichtigen zurückgeht. Die Berücksichtigung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet ihre Grenzen somit erst bei einer Verletzung der nachehelichen Solidarität. Die nacheheliche Solidarität findet ihren Niederschlag insbesondere in den gesetzlichen Unterhaltstatbeständen der §§ 1570 ff BGB, die trotz des Grundsatzes der Eigenverantwortung gemäß § 1569 BGB aus verschiedenen Gründen zu nachehelichen Unterhaltsansprüchen führen können. Aus der nachehelichen Solidarität der geschiedenen Ehegatten folgt nicht nur die Pflicht zum Einsatz eines vorhandenen Einkommens im Rahmen der nachehelichen Unterhaltsansprüche, sondern auch die Verpflichtung zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit. Nur wenn diese nacheheliche Solidarität in unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Weise verletzt wird, etwa durch Aufgabe einer Berufstätigkeit, kann, abweichend von den tatsächlichen gegenwärtigen Verhältnissen, ein fiktives Einkommen berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 6. Februar 2008 - XII ZR 14/06 - FamRZ 2008, 968, 972 = FuR 2008, 297 = EzFamR BGB § 1578 Nr. 67).
27
bb) In konsequenter Fortführung dieser Rechtsprechung zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen hat der Senat entschieden, daß es sich ebenso auf den Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen auswirkt, wenn später weitere Unterhaltsberechtigte hinzutreten. Auf den Rang dieser neuen Unterhaltsansprüche kommt es bei der Bedarfsbemessung grundsätzlich nicht an.
28
(1) Das dem Unterhaltspflichtigen für ihn selbst verbleibende Einkommen wird nicht nur in Fällen eines unverschuldeten Einkommensrückgangs, sondern auch durch die Unterhaltsansprüche später geborener Kinder gemindert. Auch dann erfordert der Halbteilungsgrundsatz eine Berücksichtigung der später entstandenen Unterhaltsansprüche bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse. Weil auch die Berücksichtigung dieser nachehelichen Veränderungen erst dort ihre Grenzen findet, wo sie auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht, und dies grundsätzlich im Falle einer Unterhaltspflicht für neu hinzugetretene Kinder nicht der Fall ist, sind die Unterhaltsansprüche für nachehelich geborene eigene Kinder des Unterhaltspflichtigen (Senatsurteil vom 6. Februar 2008 aaO S. 973) und für die in seinem Haushalt lebenden adoptierten Kinder (Senatsurteil vom 1. Oktober 2008 - XII ZR 62/07 - FamRZ 2009, 23) bei der Bedarfsermittlung nach den ehelichen Lebensverhältnissen regelmäßig zu berücksichtigen.
29
(2) Nichts anderes gilt nach der Rechtsprechung des Senats, wenn der Unterhaltspflichtige eine neue Ehe eingeht: Auch dann ist für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen grundsätzlich auf die geänderten tatsächlichen Verhältnisse während des Unterhaltszeitraums abzustellen, soweit dies nicht unterhaltsrechtlich vorwerfbar ist. Wie bei der Geburt eines weiteren Kindes kann dem Unterhaltspflichtigen auch seine weitere Unterhaltspflicht für einen neuen Ehegatten nicht vorgeworfen werden. Weil sich die Unterhaltsansprüche eines geschiedenen und eines neuen Ehegatten somit wechselseitig beeinflussen, ist der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen in solchen Fällen regelmäßig im Wege der Dreiteilung des tatsächlich vorhandenen Einkommens unter Einschluß des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zu bemessen. Lediglich als Obergrenze ist der Betrag zu beachten, der sich ohne die neue Ehe und den sich daraus ergebenden Splittingvorteil als Unterhalt im Wege der Halbteilung ergeben würde (Senatsurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 177/06 - FamRZ 2008, 1911, 1914 ff).
30
d) Diese neuere Rechtsprechung des Senats führt auch nicht zu Verwerfungen zwischen der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Position des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten, denn die Situation eines Unterhaltspflichtigen ist schon nach dem Gesetz nicht mit der Situation des Unterhaltsberechtigten vergleichbar.
31
Bei einem nachehelichen Absinken des unterhaltsrelevanten Einkommens ist schon von Gesetzes wegen zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten zu unterscheiden. Geht das unterhaltsrelevante Einkommen des Unterhaltspflichtigen zurück, wirkt sich dies zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes zwangsweise auf den nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB daraus abgeleiteten Unterhaltsanspruch aus. Für den Unterhaltsberechtigten sehen die §§ 1571, 1572 und § 1573 BGB hingegen vor, daß Unterhalt nach diesen Vorschriften entfällt, soweit der Einsatzzeitpunkt als Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist. Eine erst später eintretende Bedürftigkeit kann einen Unterhaltsanspruch deswegen nicht mehr rechtfertigen.
32
2. Soweit der Senat in seiner Rechtsprechung unerwartete Einkommenssteigerungen, z.B. durch einen Karrieresprung, im Rahmen der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen unberücksichtigt gelassen hat, beruht dies auf der gesetzlichen Wertung, wonach das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen will, als er während der Ehe stand oder aufgrund einer schon absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde (Senatsurteil vom 6. Februar 2008 aaO S. 972).
33
Die Nichtberücksichtigung nachehelicher Einkommensentwicklungen verliert allerdings dann ihre Rechtfertigung, wenn zugleich nachehelich weitere Unterhaltsberechtigte hinzutreten, die - mit entgegengesetzter Wirkung - den Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen mindern. Das Berufungsgericht weist deswegen zu Recht darauf hin, daß beide Umstände bei der Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht voneinander isoliert betrachtet werden dürfen. Soweit also ein nachehelicher Karrieresprung lediglich eine neu hinzugetretene Unterhaltspflicht auffängt, ist das daraus resultierende Einkommen nach der neueren Rechtsprechung des Senats grundsätzlich in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen. Der Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist in solchen Fällen deswegen auf der Grundlage des nach dem Karrieresprung aktuell erzielten Einkommens unter Berücksichtigung der später hinzu gekommenen Unterhaltspflichten - im Falle einer Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten im Wege der Dreiteilung (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 aaO S. 1914 ff) - zu bemessen.
34
Nur soweit die Einkommensentwicklung infolge des Karrieresprungs darüber hinaus geht und zu einem höheren Unterhalt führen würde, als er sich ohne Karrieresprung und ohne Abzug des Unterhalts für später hinzugetretene Unterhaltsberechtigte ergäbe, darf der Einkommenszuwachs die ehelichen Lebensverhältnisse nicht beeinflussen und muß deswegen unberücksichtigt bleiben. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zur Behandlung des Splittingvorteils aus einer neuen Ehe. Auch insoweit hat der Senat entschieden, daß der Splittingvorteil aus einer neuen Ehe im Rahmen der Dreiteilung bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten grundsätzlich zu berücksichtigen ist, zumal die Unterhaltsbemessung im Wege der Dreiteilung regelmäßig zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten führt. Dort wie hier ist als Obergrenze allerdings der Unterhalt zu beachten, der sich ohne den Einkommenszuwachs und ohne die Unterhaltspflicht gegenüber neu hinzu gekommenen Unterhaltsberechtigten ergibt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 aaO S. 1916).
35
3. Das Berufungsurteil entspricht nicht in allen Punkten diesen Grundsätzen der neueren Rechtsprechung des Senats.
36
a) Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings im Ansatz davon aus, daß ein Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs bei der Unterhaltsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) grundsätzlich unberücksichtigt bleibt. Soweit es deswegen im Ansatz von einem Einkommen des Beklagten aus seiner Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. nach Einkommensstufe A 16 ausgegangen ist, beruht dies auf der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung, wonach diese nacheheliche Entwicklung bereits während des Zusammenlebens der Ehegatten absehbar war. Die Revision greift dies auch nicht an. Soweit das Berufungsgericht diesen Einkünften unter Hinweis auf das Urteil des Amtsgerichts das Einkommen als Geschäftsführer der Eigenbetriebe hinzugerechnet hat, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat insoweit im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens darauf abgestellt, daß der Beklagte die Geschäftsführung der Eigenbetriebe zeitgleich mit der Beförderung zum ersten Beigeordneten übernommen hat, und daß auch der Vorgänger im Amt des ersten Beigeordneten Geschäftsführer der Eigenbetriebe war. Der von der Revision dagegen vorgebrachte Umstand, daß die Geschäftsführung der Eigenbetriebe nicht zwingend mit der Tätigkeit als erster Beigeordneter verbunden sei, kann diese tatrichterliche Beurteilung zur Absehbarkeit der Entwicklung aus der Sicht der Ehe nicht erschüttern. Die späteren Beförderungen zum Kreisdirektor (Besoldungsgruppe B 5) und zum Beigeordneten der Stadt D. (Besoldungsgruppe B 7) hat schon das Berufungsgericht im Grundsatz unberücksichtigt gelassen. Gegen diese für ihn günstige Beurteilung wendet sich der Beklagte nicht.
37
b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin die Unterhaltsansprüche der gemeinsamen Kinder und der Kinder des Beklagten aus seiner neuen Ehe berücksichtigt. Wie ausgeführt, sind bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen grundsätzlich sowohl die aktuellen Einkünfte als auch die aktuellen sonstigen Umstände zu berücksichtigen. Die Grenze des unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhaltens ist durch die Geburt der weiteren Kinder des Beklagten nicht erreicht, so daß ihre Unterhaltsansprüche zu Recht Eingang in die Unterhaltsberechnung nach den ehelichen Lebensverhältnissen gefunden haben.
38
Soweit das Berufungsgericht die Unterhaltszahlungen des Beklagten für den Sohn P. allerdings lediglich für die Zeit seines Schulbesuchs bis Ende Juni 2005 berücksichtigt hat, hält dies den Angriffen der Revision nicht stand, denn der Beklagte hat unstreitig bis Januar 2006 Unterhalt für diesen Sohn aus der Ehe der Parteien geleistet. Diese Unterhaltszahlungen können entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht als freiwillige Leistungen unberücksichtigt bleiben, denn der Sohn hatte den Beklagten ebenfalls auf Unterhaltszahlungen in Anspruch genommen, und die Klage auf höheren Kindesunterhalt war nach wie vor rechtshängig. Weil der Sohn nach dem Vortrag der Parteien eine einjährige Einstiegsqualifizierung im Bereich Gastgewerbe-Service durchführte und dafür von der Bundesanstalt für Arbeit lediglich monatlich 192 € erhielt, dürfte sein Unterhaltsanspruch auch unter Berücksichtigung des für seinen Bedarf zu verwendenden vollen Kindergeldes (Senatsurteil BGHZ 164, 375, 382 ff = FamRZ 2006, 99, 101 f = FuR 2006, 76) nicht vollständig gedeckt gewesen sein. Die Unterhaltsklage des Sohnes wurde auch erst mit Urteil vom 8. März 2006 abgewiesen; in diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte seine Zahlungen bereits eingestellt.
39
c) Das Berufungsgericht konnte allerdings die neuere Rechtsprechung des Senats noch nicht berücksichtigen, wonach auch der Unterhaltsanspruch einer neuen Ehefrau des Unterhaltspflichtigen den Bedarf der geschiedenen Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen beeinflußt. Wie ausgeführt, sind auch insoweit die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen, was im Regelfall zu einer Dreiteilung der vorhandenen Einkünfte, nämlich derjenigen des Beklagten als Unterhaltspflichtigem sowie der Klägerin als geschiedener Ehefrau und der neuen Ehefrau des Beklagten, führt (Senatsurteil vom 30. Juli 2008 aaO S. 1914 f). Zu beachten ist dabei lediglich, daß ein im Rahmen der Dreiteilung einzusetzendes Einkommen eines Unterhaltsberechtigten nicht zu einer Erhöhung des Unterhaltsbedarfs des anderen Unterhaltsberechtigten im Vergleich zu einer ohne die neue Ehefrau durchzuführenden Halbteilung des unterhaltsrelevanten Einkommens führen darf. Ob dies hier der Fall ist, kann der Senat nicht beurteilen, weil es insoweit an Feststellungen zum Einkommen der neuen Ehefrau des Beklagten fehlt. Der bloße Umstand, daß sie ebenfalls berufstätig ist, besagt schon deswegen nichts, weil bei dem relativ hohen Einkommen des Beklagten voraussichtlich ein Anspruch auf Familienunterhalt verbleibt, der zu Zwecken der Unterhaltsberechnung im Rahmen der Dreiteilung in Form eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen berechnet werden kann (Senatsurteil vom 30. Juli 2008 aaO S. 1914 f).
40
d) Im Ansatz zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings das infolge des Karrieresprungs des Beklagten gestiegene Einkommen in die Unterhaltsberechnung einbezogen, soweit nachehelich weitere Unterhaltspflichten hinzugekommen sind. Ob das erhöhte Einkommen neben den Unterhaltsansprüchen der drei nachehelich geborenen Kinder des Beklagten auch den vollen Unterhaltsbedarf der neuen Ehefrau auffangen, und es deswegen bei dem Unterhaltsbedarf der Klägerin nach der Besoldungsgruppe A 16 nebst dem Geschäftsführergehalt des Beklagten ohne Berücksichtigung weiterer Unterhaltsberechtigter verbleiben kann, kann der Senat nicht abschließend prüfen. Nach der Berechnung des Berufungsgerichts, deren Ergebnis auf der Grundlage des Einkommens nach der Besoldungsgruppe B 5 und der Unterhaltspflicht für alle Kinder, aber ohne Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs der neuen Ehefrau lediglich geringfügig über dem Unterhaltsanspruch nach den Umständen während der Ehezeit liegt, spricht sogar einiges dafür, daß die Dreiteilung nach den gegenwärtig erzielten Einkünften unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Lebenssituation des Beklagten zu einem geringeren Unterhaltsanspruch der Klägerin führen wird.
41
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Verwirkung des nachehelichen Unterhalts nach § 1579 Nr. 5 BGB (§ 1579 Nr. 4 BGB a.F.) abgelehnt. Eine Begrenzung des Unterhalts setzt insoweit neben dem Härtegrund der Verletzung schwerwiegender Vermögensinteressen stets auch eine grobe Unbilligkeit für den Unterhaltspflichtigen unter Wahrung der Belange des Unterhaltsberechtigten voraus. Hinsichtlich des Härtegrundes verlangt § 1579 Nr. 5 BGB objektiv ein gravierendes Verhalten des Unterhaltsberechtigten, was sich aus dem Wortlaut »schwerwiegende« und »hinwegsetzen« ergibt. Die Vorschrift stellt aber nicht allein auf die Intensität der Pflichtverletzung ab, sondern auch auf den Umfang der Vermögensgefährdung. Nicht erforderlich ist es, daß dem Unterhaltspflichtigen tatsächlich ein Vermögensschaden entsteht; es genügt eine schwerwiegende Gefährdung seiner Vermögensinteressen, die dadurch entstehen kann, daß der Unterhaltsschuldner bereits geleisteten Unterhalt trotz angestiegenen Einkommens des Unterhaltsberechtigten später nicht zurückfordern kann (Senatsurteil vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325, 1327 = FuR 2008, 401 = EzFamR BGB § 1579 Nr. 50).
42
Selbst wenn die Klägerin ihr Einkommen aus Putztätigkeit nicht vollständig angegeben hätte, konnte dies nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts keine Auswirkungen auf den vom Beklagten geschuldeten nachehelichen Unterhalt haben, denn die Klägerin ist im Hinblick auf das Alter der Tochter aus erster Ehe ohnehin gehalten, eine halbschichtige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, also in weiterem Umfange als gegenwärtig ausgeübt tätig zu sein. Deswegen hat das Berufungsgericht der Klägerin zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen ein fiktives Einkommen zugerechnet. Die Höhe des erzielten Stundenlohns aus der tatsächlich stundenweise geleisteten Putztätigkeit ist nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts auch nicht auf den aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit erzielbaren Stundenlohn übertragbar.
43
Allerdings wird das Berufungsgericht auf seiten der Klägerin in seiner neuen Entscheidung für die Zeit ab Januar 2008 von einem Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit auszugehen haben, denn die jüngste Tochter ist im Dezember 2007 15 Jahre alt geworden, und nach der seit 1. Januar 2008 geltenden Neuregelung des § 1570 BGB besteht jedenfalls bei Kindern in diesem Alter regelmäßig kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt mehr.
44
5. Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich für die Zeit bis Ende 2007 eine Begrenzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nach §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB a.F. abgelehnt, weil wegen der noch andauernden Kindesbetreuung weder die Dauer der ehebedingten Nachteile noch deren Umfang konkret zu bemessen war. Für die Zeit ab Januar 2008 richtet sich der Anspruch der Klägerin allerdings nur noch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Insbesondere dieser Anspruch kann nach § 1578b BGB herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden, wobei zu berücksichtigen ist, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Ehedauer ergeben. Jedenfalls der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist danach regelmäßig zu begrenzen oder zu befristen, wenn ehebedingte Nachteile nicht mehr vorliegen, während eine Begrenzung oder Befristung bei noch vorhandenen ehebedingten Nachteilen regelmäßig ausgeschlossen ist (vgl. schon zum früheren Recht Senatsurteil vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 - FamRZ 2006, 1006, 1007 f = FuR 2006, 374 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 25). Ob nach der 10-jährigen Ehe der Parteien und unter Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung der in den Jahren 1985 und 1992 geborenen gemeinsamen Kinder unter Berücksichtigung eines fiktiv zurechenbaren Einkommens noch ehebedingte Nachteile vorliegen, wird das Berufungsgericht prüfen müssen. Dafür spricht allerdings, daß das Berufungsgericht einen Wiedereintritt der Klägerin in ihren erlernten Beruf wegen der nahezu 10-jährigen Berufspause ausgeschlossen hat. Jedenfalls bis zur Höhe des als Arzthelferin bzw. Krankenschwester erzielbaren Einkommens unter Berücksichtigung sonst eingetretener Einkommensentwicklungen dürfte deswegen von einem ehebedingten Nachteil der Klägerin auszugehen sein.
45
6. Das Berufungsurteil kann deswegen keinen Bestand haben.
46
Die getroffenen Feststellungen tragen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht, wonach der Klägerin jedenfalls ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zusteht, der den vom Amtsgericht auf der Grundlage der Einkünfte des Beklagten als Erster Beigeordneter der Stadt G. errechneten Unterhalt erreicht. Soweit ein Unterhaltsbedarf der neuen Ehefrau des Beklagten in Betracht kommt, ist den Parteien im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Senats zur Dreiteilung Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben. Außerdem wird für die Zeit ab Januar 2008 ein fiktives Einkommen der Klägerin aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen sein.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2006 - II-7 UF 154/06 - FamRZ 2007, 1815

Unterhalt des geschiedenen Ehegatten; Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch außergewöhnliche Einkommensentwicklung nach Ehescheidung durch Karrieresprung.

BGB §§ 1570, 1578, 1581

Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 15. März 2006 - FamRZ 2006, 683 = FuR 2006, 266 = EzFamR BGB § 1581 Nr. 9) zur Eheprägung von nach Rechtskraft der Scheidung geborenen Kindern führt dazu, daß auch auf außergewöhnlichen Einkommensentwicklungen infolge Karrieresprungs beruhende Einkünfte der Ehegatten die ehelichen Lebensverhältnisse prägen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Dezember 2006 - II-7 UF 154/06
FamRZ 2007, 1815

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen Abschnitt I. 2 (nachehelicher Unterhalt) des Tenors des Schlußurteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers vom 30.03.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Unterhaltsrückstands gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.400 € und im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110% der fälligen Beträge abzuwenden, sofern nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit erbringt.

Tatbestand

Wegen des Tatbestands wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin zu 3) (ab Abschnitt II: Klägerin) und der Beklagte hatten am 11. Februar 1985 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder P. (geboren am 23. August 1985, Kläger zu 2)) und die am 8. Dezember 1992 geborene N. (Klägerin zu 1)) hervorgegangen. Die Parteien trennten sich endgültig im Juli 1995. Aufgrund des seit 25. Mai 1996 rechtshängigen Scheidungsantrages des Beklagten - und gleichlautenden Scheidungsantrages der Klägerin - wurde die Ehe der Parteien mit Urteil vom 4. Februar 1998 (rechtskräftig seit dem gleichen Tage) geschieden; es verblieb bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien über die Kinder. Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wurden zu Lasten des Versorgungskontos des Beklagten auf dem Versicherungskonto der Klägerin monatliche Anwartschaften in Höhe von 428,75 € begründet.

Am 4. Februar 1998 hatten die Parteien einen Scheidungsfolgenvergleich getroffen, in welchem sich der Beklagte unter anderem verpflichtete, der Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 2.426,02 DM zu zahlen. Mit außergerichtlicher Vereinbarung vom 27. Februar/14. März 2004 änderten die Parteien die Kindesunterhalts- und nacheheliche Unterhaltsverpflichtung des Beklagten unter anderem dahin ab, daß der Beklagte an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 770,50 € zu zahlen hatte. Diesen Betrag zahlte der Beklagte bis einschließlich Februar 2005. Ab März 2005 reduzierte er den nachehelichen Unterhalt für die Klägerin zu 3) auf monatlich 281,06 €; diesen Betrag zahlte er (zumindest) bis einschließlich März 2006. Im Verhandlungstermin vom 22. September 2005 erklärten die Parteien übereinstimmend, aus dem Scheidungsfolgenvergleich vom 4. Februar 1998 keine Rechte mehr herleiten zu wollen.

Nach vorprozessualer Auskunfts- und Unterhaltsaufforderung vom 13. April 2005 haben die Kläger zu 1) bis 3) mit am 9. Juli 2005 beim Amtsgericht - Familiengericht - eingegangener Klage Kindesunterhalt und nachehelichen Unterhalt geltend gemacht. Nach Hinweis des Amtsgerichts auf die örtliche Unzuständigkeit hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs für den Kläger zu 2) (P.) hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 22. September 2005 das Verfahren bezüglich des Klägers zu 2) an das Amtsgericht Kempen verwiesen. Das Amtsgericht Kempen hat die Unterhaltsklage von P. (wohl mit Urteil vom 8. März 2006 laut Angaben der Klägerin im Verhandlungstermin vom 15. März 2006) abgewiesen.

Ihren Unterhaltsanspruch haben die Kläger auf das Einkommen des Beklagten als Kreisdirektor des Kreises W. gestützt. Der Beklagte war am 1. November 1992 zum Beigeordneten der Stadt G. berufen worden (bestellt für 8 Jahre), und seit 1. November 2000 zum ersten Beigeordneten der Stadt G. (Besoldungsgruppe 16, für 8 Jahre). Seit 1. November 2004 wurde der Beklagte zum Kreisdirektor der Kreisverwaltung W. (besoldet nach B 5) ernannt. Nach seinen Angaben im Senatstermin vom 9. November 2006 ist er seit September 2006 Beigeordneter der Stadt D. (Rechts- und Ordnungsdezernent, Besoldungsgruppe B 7).

Der Beklagte ist seit 13. Oktober 1999 wieder verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, und zwar M. (geboren am 17. September 1996), J. (geboren am 10. März 2000) und K. (geboren am 28. Juni 2004). Die Klägerin zu 3) ist gelernte Krankenschwester und übte diese Tätigkeit bis Februar 1985 aus; bis 4. Februar 1998 war sie Hausfrau und versuchte sich im Wiedereinstieg in ihre gelernte Tätigkeit. In der Folgezeit und derzeit geht sie Tätigkeiten in Putzstellen in Privathaushalten nach und bezieht nach ihrer Darstellung Lohneinkünfte in Höhe von allenfalls monatlich 400 €.

Nach der Verweisung der Unterhaltsklage des Sohnes P. haben die Klägerinnen zu 1) und zu 3) zuletzt beantragt, monatlichen Kindesunterhalt und nachehelichen Unterhalt ab Juli 2005 zu zahlen: Klägerin zu 1) (N.) 447 €, nachehelichen Unterhalt 800 €, sowie einen Gesamtunterhaltsrückstand für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von 1.931,82 €. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. September 2005 hat der Beklagte den Kindesunterhaltsanspruch für die Klägerin zu 1) (N.) ab Juli 2005 anerkannt, woraufhin unter dem 22. September 2005 Teilanerkenntnisurteil erging. Mit (Schluß-)Urteil vom 30. März 2006 hat das Amtsgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, über das Teilanerkenntnisurteil vom 22. September 2005 hinaus an die Klägerin zu 1) (N.) einen Unterhaltsrückstand für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von 171 € zu zahlen, ferner an die Klägerin zu 3) nachehelichen Unterhalt für den Zeitraum April bis Juni 2005 in Höhe von insgesamt 1.103,25 €, sowie ab Juli 2005 monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 800 €, abzüglich in den Monaten Juli 2005 bis März 2006 gezahlter monatlicher 281,06 €.

Dabei hat das Amtsgericht auf der Basis der von ihm bei der Stadt G. eingeholten Auskunft über ein fiktives Einkommen des Beklagten als erster Beigeordneter vom 30. Dezember 2005 ein Bruttojahreseinkommen von 79.659,77 € als Einkommen des Beklagten eingestellt, wovon 78.125,93 € steuerpflichtig seien, hierin eingerechnet die Einkünfte aus der Geschäftsführung für den Eigenbetrieb, da ein Verlust dieser Stellung hätte nicht erwartet werden können. Unter Zugrundelegung der Steuerklasse I/4 errechnete das Amtsgericht nach Abzug von Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein Nettojahreseinkommen des Beklagten von 53.747,97 €. Die Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. stelle keinen Karrieresprung dar, hingegen aber der spätere Aufstieg zum Kreisdirektor des Kreises W.

Von diesem Einkommen hat das Amtsgericht abgezogen Krankenversicherungsbeiträge des Beklagten in Höhe von 450,67 € monatlich sowie monatliche (fiktive) Fahrtkosten aus der Wegstrecke zwischen dem Wohnort des Beklagten zur Stadt G. mit 28,9 km täglich. Weiter abgezogen hat das Amtsgericht eine zusätzliche Altersversorgung des Beklagten in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. Mai 2005 (FamRZ 2005, 1817 = FuR 2005, 555 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 24) in Höhe von 4% des Gesamtbruttoeinkommens mit monatlich 265,53 €. Nur die Unterhaltsbelastungen gegenüber P. (bis Juni 2005) sowie für die Klägerin zu 2) (N.), ferner für den Sohn M. aus der jetzigen Ehe seien berücksichtigungsfähig; Unterhaltslasten gegenüber den beiden weiteren Kindern seien nicht eheprägend gewesen. Unterhaltslasten für P. hat das Amtsgericht ab Juli 2005 nicht mehr berücksichtigt.

Auf seiten der Klägerin zu 3) (nachehelicher Unterhalt) hat das Amtsgericht fiktive Einkünfte aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit bei einem Bruttostundenlohn von 8,50 € angesetzt. Die Klägerin zu 3) sei verpflichtet, einer derartigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, sei dieser Obliegenheit mangels hinreichender Erwerbsbemühungen aber nicht nachgekommen.

Gegen das Urteil betreffend den Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er - wie erstinstanzlich - Zurückweisung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs begehrt. Die Klägerin zu 3) habe ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch verwirkt, da sie wechselnde und falsche Angaben zu ihren Einkünften aus Putztätigkeit abgegeben habe. Seine Einkünfte als Geschäftsführer der Eigenbetriebe der Stadt G. seien nicht berücksichtigungsfähig - wobei er der Annahme des Amtsgerichts, seine Einkünfte aus seiner Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. seien fiktiv fortzuschreiben, nicht entgegen tritt. Das Amtsgericht habe seine effektiven Krankenversicherungsbeiträge nicht berücksichtigt. Die fiktiven Einkünfte der Klägerin zu 3) seien höher als vom Amtsgericht angenommen anzusetzen. Die von ihm bis einschließlich Januar 2006 gezahlten Unterhaltsbeträge für P. seien die Leistungsfähigkeit mindernd zu berücksichtigen; das Amtsgericht hätte auch die Unterhaltslasten gegenüber seinen Kindern J. und K. zumindest seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigend berücksichtigen müssen.

Die Klägerin beantragt Berufungszurückweisung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und im übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen. Der Senat hat die Akte 44 F 160/96 (AmtsG Moers) zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

1. Der im Berufungsrechtszug allein noch im Streit befindliche nacheheliche Unterhaltsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1570 BGB (Betreuungsunterhalt), da sie wegen der Betreuung der am 8. Dezember 1992 geborenen Tochter N. an der Ausübung einer vollschichtigen, ihren Unterhaltsbedarf deckenden Erwerbstätigkeit gehindert ist. Entgegen der Annahme des Beklagten ergibt sich nach dem Alter des Kindes N. keine vollschichtige Erwerbsobliegenheit; nach Ziffer 17.1 der Düsseldorfer Leitlinien 2003 und 2005 setzt eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit erst mit der Vollendung des 16. Lebensjahres des jüngsten Kindes der Parteien ein.

2. Auf der Einkommensseite der Klägerin sind - mit dem Amtsgericht (welches aber den Abzug berufsbedingter Aufwendungen übersehen hat) - fiktive Einkünfte aus einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit mit einem Stundenlohn von 8,50 € - was von ihr hingenommen wird - zu berücksichtigen. Mit einer - fiktiven - halbschichtigen Erwerbstätigkeit kommt die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit nach; ein höherer Stundenlohn als 8,50 € kann in die Unterhaltsberechnung nicht eingestellt werden. Soweit der Beklagte darauf verweist, daß nach den Angaben der Klägerin für ihre Putztätigkeit höhere Stundenlöhne (9 € netto) gezahlt würden, übersieht er, daß im Privatbereich tätigen Putzhilfen höhere als im »offiziellen« Anstellungsbereich übliche Stundenlöhne gezahlt werden. Der vom Amtsgericht vorgenommene Einkommensansatz auf seiten der Klägerin ist daher nicht zu beanstanden.

Entgegen der Annahme des Beklagten kann der Klägerin nicht fiktiv ein Einkommen aus einer halbschichtigen Tätigkeit im einstmals erlernten Beruf als Krankenschwester zugerechnet werden. Es ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin seit 1985 diesen Beruf nicht mehr ausgeübt hat. Bis zum Zeitpunkt des Beginns ihrer halbschichtigen Erwerbsobliegenheit, die angesichts der Betreuung für die Tochter N. und den Sohn P. etwa auf Anfang 2004 zu setzen ist, hat sie nahezu 20 Jahre im erlernten Beruf nicht mehr gearbeitet mit der Folge, daß sie die weitreichende medizintechnische Entwicklung nicht mitbekommen hat, so daß zumindest derzeit mangels entsprechender Ausbildung bzw. Nachschulung Beschäftigungsversuche in diesem Beruf objektiv nicht erfolgversprechend sind.

3. Zutreffend hat das Amtsgericht für den Unterhaltszeitraum ab Juli 2005 Unterhaltsansprüche des Kindes P., das Ende Juni 2005 seine allgemeine Schulausbildung beendet hatte, nicht berücksichtigt. Die vom Beklagten - nach seiner Darstellung (ohne Belegvorlage) - gezahlten Unterhaltsbeträge für P. sind als freiwillige Leistungen nicht berücksichtigungsfähig, da P. gegenüber der Klägerin unterhaltsrechtlich nachrangig ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vortrag des Beklagten in dem vorliegenden Verfahren, daß er vehement jede Unterhaltsverpflichtung gegenüber P. in Abrede gestellt hat.

4. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Klägerin ist - entgegen der Vorstellung des Beklagten - nicht verwirkt. Soweit der Beklagte der Klägerin wechselnde und mithin unzureichende Angaben zu ihren effektiven Einkünften vorwirft und hieraus den Verwirkungseinwand ableitet, ist zu berücksichtigen, daß die auf seiten der Klägerin anzusetzenden fiktiven Einkünfte die effektiven Einkünfte der Klägerin bei weitem übersteigen, so daß mangels wirtschaftlicher Beeinträchtigung des Beklagten von einer groben Unbilligkeit iSd § 1579 BGB keine Rede sein kann.

5. Auf der Einkommensseite des Beklagten waren die ehelichen Lebensverhältnisse, nach denen sich der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Klägerin richtet, geprägt durch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in jedem Fall bestimmt waren durch die Einkünfte des Beklagten aus seiner Tätigkeit als erster Beigeordneter der Stadt G. Zutreffend hat das Amtsgericht die Beförderung des Beklagten vom Beigeordneten zum ersten Beigeordneten der Stadt G. nicht als Karrieresprung angesehen, zutreffend hingegen die weitere Beförderung des Beklagten zum Kreisdirektor. Ebenso wurden die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt durch die Nebeneinkünfte des Beklagten aus seiner Geschäftsführung für den Eigenbetrieb der Stadt G. Insoweit ist sein Vortrag, die gleichzeitige Tätigkeit als erster Beigeordneter sei nicht zwingend mit der Geschäftsführung des Eigenbetriebs verbunden gewesen, widersprüchlich. Nach seinem weiteren Vortrag wurde mit dem Ausscheiden des früheren ersten Beigeordneten - dessen Stelle er übernommen hat - gleichzeitig auch die Stelle in der Geschäftsführung des Eigenbetriebs vakant, die im gleichfalls übertragen worden ist. Aus der zeitlichen Koinzidenz des Freiwerdens der an die gleiche Person gebundenen Stelle des ersten Beigeordneten und der Geschäftsführung des Eigenbetriebs mit der nachfolgenden Übernahme beider Tätigkeiten durch ihn ergibt sich, daß beide Positionen miteinander verknüpft waren.

Soweit der Beklagte danach zum Kreisdirektor des Kreises W. und zuletzt zum Beigeordneten der Stadt D. befördert worden ist, handelt es sich - wie zutreffend vom Amtsgericht angenommen - um einen Karrieresprung, denn diese Beförderung(en) beruhten auf einer außergewöhnlichen, nicht in der Ehe angelegten Entwicklung mit erheblichen Abweichungen des Einkommens.

6. Wie der Senat bereits im terminsvorbereitenden Beschluß vom 2. November 2006 ausgeführt hat, liegt das Schwergewicht des Rechtsstreits bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange die Unterhaltslasten des Beklagten gegenüber seinen Kindern aus seiner jetzigen Ehe, von denen M. vor und J. und K. nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Parteien geboren wurden, und auch seine spätere Beförderung zum Kreisdirektor des Kreises W. (Besoldungsgruppe B 5) und nunmehr ab September 2006 zum Beigeordneten der Stadt D. (Besoldungsgruppe B 7) die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt haben.

a) In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (u.a. FamRZ 1994, 87 = EzFamR BGB § 1361 Nr. 30 = BGHF 8, 1236) wurden nach Rechtkraft der Scheidung der Ehe geborene Kinder nicht in der Bedarfsstufe, sondern ausschließlich auf der Stufe der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten mit der Folge eines Billigkeitsunterhalts gemäß § 1581 BGB berücksichtigt. Hieraus folgend ermittelte sich der nacheheliche Unterhaltsbedarf der Klägerin nach den bedarfsprägenden Einkünften des Beklagten, wobei - mit dem Amtsgericht - der nach der Trennung erfolgte Aufstieg des Beklagten zum ersten Beigeordneten der Stadt G. nebst Aufnahme seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Eigenbetriebs nicht als Karrieresprung mit der Folge der Nichtberücksichtigung der Bedarfsbemessung behandelt. Da die Einkünfte des Beklagten durch seinen weiteren Aufstieg zum Kreisdirektor des Kreises W. in erheblichem Umfange gestiegen sind, wäre ein Billigkeitsunterhalt nach § 1581 BGB nicht erforderlich, da der Beklagte in der Lage wäre, die Unterhaltsaufwendungen für die nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe der Parteien in zweiter Ehe geborenen Kinder (J. und K.) - nebst diese betreffenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - aus der Differenz des eheprägenden zum tatsächlichen Einkommen zu zahlen.

b) Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. März 2006 (FamRZ 2006, 683, 686 = FuR 2006, 266 = EzFamR BGB § 1581 Nr. 9) wirkt sich das Hinzutreten vorrangiger oder gleichrangiger weiterer Unterhaltsberechtigter auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten aus, mithin hat auch das Hinzutreten der beiden vorgenannten zweitehelichen Kinder des Beklagten die ehelichen Lebensverhältnisse der Klägerin mitbestimmt. Hiervon ausgehend errechnet sich bei Nichtbeachtung des auf dem Karrieresprung beruhenden Einkommens des Beklagten der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Klägerin wie folgt - wobei mit dem Amtsgericht eine zeitliche Zäsur für den Unterhaltszeitraum bis Juni 2005 sowie ab Juli 2005 (Fortfall der Unterhaltspflicht gegenüber P. sowie Änderung der Düsseldorfer Tabelle) vorzunehmen ist:

Jahresnettoeinkommen des Beklagten (wie Amtsgericht) 53.748 €, mithin monatlich (: 12 =) 4.479 € ./. Krankenversicherungsbeitrag 451 € ./. ergänzende Altersvorsorge (wie Amtsgericht 4% vom Bruttoeinkommen) 266 € ./. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 €, verbleiben 3.612 €.

April bis Juni 2005: Einkommen des Beklagten 3.612 € ./. Kindesunterhaltsbeträge nach der Gruppe 7 der Düsseldorfer Tabelle 2003 (P.: Altersstufe 4 465 €, N.: Altersstufe 3 404 €, M.: Altersstufe 2 343 €, J.: Altersstufe 1 283 €, K.: Altersstufe 1 283 €), verbleiben 1.834 € ./. Einkünfte der Klägerin (aus fiktiver halbschichtiger Erwerbstätigkeit) wie Amtsgericht (566,01 € ./. berufsbedingte Aufwendungen 28 € =) 538 €, verbleiben 1.296 €, Quotenunterhalt (x 3/7 =) 555 €.

Ab Juli 2005: Fortfall des Kindesunterhalts für P. sowie Änderung der Düsseldorfer Tabelle (der Kindesunterhalt ist der Gruppe 8 der Düsseldorfer Tabelle 2005 zu entnehmen): Einkommen des Beklagten 3.612 € ./. Kindesunterhalt N. (Altersstufe 3) 437 € ./. Kindesunterhalt M. (Altersstufe 2) 371 € ./. Kindesunterhalt J. (Altersstufe 1) 306 € ./. Kindesunterhalt K. (Altersstufe 1) 306 €, verbleiben 2.192 € ./. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 €, verbleiben 1.654 €, Quotenunterhalt (x 3/7 =) 709 €.

Ab September 2005: Der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag erhöht sich auf 503 €, womit sich das Einkommen des Beklagten um monatlich 52 € auf 3.560 € reduziert, abzüglich des vorbezeichneten Kindesunterhalts (437 € + 371 € + 306 € + 306 € =) 1.420 €, verbleiben 2.140 € ./. anrechenbares Einkommen der Klägerin 538 €, verbleiben 1.602 €; der Quotenunterhalt (x 3/7 =) ergibt einen monatlichen nachehelichen Unterhaltsanspruch in Höhe von 687 €.

Im Unterhaltszeitraum April bis Juni 2005 hatte der Beklagte zu zahlen (3 x 555 € =) 1.665 €, davon gezahlt (3 x 281,06 € =) 843,18 €, restlicher Unterhaltsanspruch 821,82 €, und mithin weniger als erstinstanzlich mit 1.103,25 € tituliert.

Ab Juli 2005 liegt der der Klägerin zustehende Unterhalt mit 709 € bzw. 687 € niedriger als mit monatlich 800 € tituliert, wovon - mit dem Amtsgericht - im Unterhaltszeitraum Juli 2005 bis März 2006 monatlich 281,06 € vom Beklagten gezahlter Unterhalt in Abzug zu bringen ist. Über Zahlungen ab April 2006 ist nichts mitgeteilt.

c) Damit wäre die Berufung des Beklagten teilweise erfolgreich. Ob allerdings dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu folgen ist, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Ohne die Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erwiese sich das amtsgerichtliche Urteil als richtig, wobei es zutreffend die tatsächlichen Kinderfreibeträge beim Beklagten berücksichtigt hat, zumal auch die Krankenversicherungsbeiträge für die nach der Scheidung geborenen Kinder in Ansatz gebracht worden sind.

Dieses vom Amtsgericht gefundene Ergebnis hält auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - vgl. oben b) - der Überprüfung stand: Der Senat hält es für inkonsequent, daß auf der einen Seite Unterhaltslasten nachehelich geborener Kinder bereits die (früheren) ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt haben, wodurch der nacheheliche Unterhalt durch das Hinzutreten nach Scheidung aufgetretener Umstände erheblich geschmälert wird, und auf der anderen Seite dem unterhaltspflichtigen Beklagten aufgrund des Karrieresprunges ungeschmälert die Differenz zwischen seinem effektiven und seinem eheprägenden Einkommen verbleibt.

Wenn nach der vorbezeichneten Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Hinzutreten nachehelicher Belastungen - durch nachgeborene Kinder aus zweiter Ehe - bereits die ehelichen Lebensverhältnisse einer rechtskräftig geschiedenen Ehe mitprägt mit der Folge der Verminderung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs, ergibt sich hieraus eine einseitige Belastung des geschiedenen unterhaltsbedürftigen Ehegatten. Konsequent ist es, zum Ausgleich dieser nachehelich entstandenen Belastungen des geschiedenen Ehegatten vom Rechtsgedanken des »Karrieresprungs« Abstand zu nehmen, denn die unerwartete, während der Ehe nicht angelegte Einkommensverbesserung des Unterhaltspflichtigen ist ebenso »unerwartet« wie die durch die Geburt nachehelich geborener Kinder sich ergebende weitere Unterhaltslast des Unterhaltspflichtigen.

Mithin hält es der Senat für billig und angemessen, die unterhaltsberechtigte Klägerin nicht nur einseitig durch die Berücksichtigungsfähigkeit des Unterhaltsanspruchs nachehelich geborener Kinder zu belasten, sondern sie im Gegenzug auch davon zu ihren Gunsten partizipieren zu lassen, daß die Einkommensentwicklung des Beklagten eine ebenso wenig in der Ehe angelegte unerwartete positive wirtschaftliche Entwicklung - Beförderung zu Ämtern der Besoldungsgruppe B 5 und nunmehr zur Besoldungsgruppe B 7 - genommen hat.

Unter Berücksichtigung der Beförderung des Beklagten bereits zum Kreisdirektor des Kreises W. (auf die nachfolgende Beförderung zum Beigeordneten der Stadt D. kommt es bereits schon nicht an) errechnet sich ein über dem vom Amtsgericht angenommener nachehelicher Unterhaltsanspruch der Klägerin, wobei der Senat abweichend vom Amtsgericht nicht die vom Beklagten angesetzten (fiktiven) Fahrtkosten zwischen seinem Wohnort und G. für berücksichtigungsfähig hält, vielmehr ausschließlich pauschale berufsbedingte Aufwendungen nach ihrem Höchstbetrag von 150 €. Soweit die von ihm angesetzten Fahrtkosten die pauschalen berufsbedingten Aufwendungen übersteigen, sind dieser Differenz gegenzurechnen die steuerlichen Vergünstigungen des Beklagten durch die Absetzung der Fahrtkosten, wobei die ihm aus seiner Tätigkeit als Kreisdirektor zufließenden Steuererstattungen keine Berücksichtigung gefunden haben.

Hiernach ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

aa) Kalenderjahr 2005: Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen des Beklagten im Kalenderjahr 2004 unter Berücksichtigung einer Jahressonderzahlung von 50% des Monatsgehalts: (12,5 x [6.820,95 € + 105,28 € + 871,84 €] =) 97.476 € ./. Lohnsteuer (besondere Tabelle III/4) 23.568 € ./. Solidaritätszuschlag 823 € ./. Kirchensteuer 1.350 €, verbleiben 71.735 €, mithin monatlich (: 12 =) 5.978 € ./. Kranken- und Pflegeversicherung 451 € ./. ergänzende Altersvorsorge (BGH FamRZ 2005, 1817 = FuR 2005, 555 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 24) in Höhe von 4% vom Bruttoeinkommen (97.476 €) 325 €, verbleiben 5.202 € ./. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 €, somit 5.052 €.

April bis Juni 2005: Einkommen des Beklagten 5.052 € ./. Kindesunterhaltsbeträge - wegen Herabstufung aufgrund höherer Anzahl Unterhaltsberechtigter in Gruppe 10 der Düsseldorfer Tabelle 2003 P. (Altersstufe 4) 556 €, N. (Altersstufe 3) 483 €, M. (Altersstufe 2) 410 €, J. (Altersstufe 1) 339 € und K. (Altersstufe 1) 339 €, verbleiben 2.925 €.

Da der dem Beklagten aufgrund der Wiederverheiratung zukommende Splittingvorteil (§ 26 EStG) nicht der Klägerin zugute kommen darf (BGH FamRZ 2005, 1817 = FuR 2005, 555 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 24), ist für die Bemessung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Klägerin vom oben errechneten verbleibenden Einkommen des Beklagten die Differenz der voranstehend ermittelten Steuerbelastungen zu der (fiktiven) Steuerbelastung des Beklagten gemäß Lohnsteuerklasse I/4 in Abzug zu bringen wie folgt:

Bei einem Bruttoeinkommen von 97.476 € errechnet sich die Steuerlast nach Lohnsteuerklasse (besondere Tabelle) I/4 wie folgt: Lohnsteuer 31.994 €, Solidaritätszuschlag 1.223 €, Kirchensteuer 2.001 €, insgesamt 35.218 € ./. Steuerlast bei Lohnsteuerklasse III/4: (23.568 € + 823 € + 1.350 € =) 25.741 € = 9.477 €, mithin monatlich (: 12 =) 790 €. Für den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Klägerin ist daher von einem Einkommen des Beklagten nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 2.925 € auszugehen ./. Steuerdifferenz 790 € = 2.135 € ./. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 €, verbleiben 1.597 €; Quotenunterhalt (x 3/7 =) 684 €.

Im Unterhaltszeitraum April bis Juni 2005 hatte der Beklagte zu zahlen: (3 x 684 € =) 2.052 €, davon gezahlt (3 x 281,06 € =) 843,18 €, restlicher Unterhaltsanspruch 1.209 € und mithin mehr als erstinstanzlich mit 1.103,25 € tituliert.

Ab Mai 2005 fällt der Kindesunterhalt für P. weg. Die Düsseldorfer Tabelle ändert sich; der Kindesunterhalt ist der 11. Gruppe der Düsseldorfer Tabelle 2005 - wie auch für N. im Teilanerkenntnisurteil tituliert - zu entnehmen. Einkommen des Beklagten (für den Kindesunterhalt) - wie zuvor - 5.052 € ./. Kindesunterhalt N. (Altersstufe 3) 524 € ./. Kindesunterhalt M. (Altersstufe 2) 445 € ./. Kindesunterhalt J. (Altersstufe 1) 368 € ./. Kindesunterhalt K. (Altersstufe 1) 368 €, verbleiben 3.347 € ./. Differenz der Lohnsteuerbeträge (wie zuvor 790 €) verbleiben 2.557 € ./. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 €, verbleiben 2.019 €, somit errechnet sich ein Quotenunterhalt (x 3/7) in Höhe von 865 € und mithin mehr als erstinstanzlich mit 800 € tituliert.

Ab September 2005 zahlt der Beklagte einen höheren Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag mit monatlich 503 € - statt monatlich 451 € -, so daß für die Unterhaltsbemessung monatlich 52 € weniger zur Verfügung stehen, was ohne Einfluß auf den Kindesunterhalt ist. Der Unterhaltsanspruch der Klägerin reduziert sich um (3/7 von 52 € =) 22 € auf monatlich 843 € und mithin ebenfalls mehr als erstinstanzlich tituliert.

bb) Im Kalenderjahr 2006 vermindert sich die Sonderzahlung des Beklagten von 0,5 Monatsgehältern auf 0,3 Monatsgehälter, so daß sich - bei ansonsten unverändertem Monatseinkommen - ein Jahresbruttoeinkommen nach Besoldungsgruppe B 5 errechnet in Höhe von (12,3 x [6.820,95 € + 105,28 € + 871,84 €] =) 95.916 € ./. Lohnsteuer - nach den Steuersätzen für 2005 - (III/4) 22.954 € ./. Solidaritätszuschlag 796 € ./. Kirchensteuer 1.302 €, verbleiben 70.864 €, mithin monatlich (: 12 =) 5.905 € ./. ergänzende Altersvorsorge (4% vom Bruttoeinkommen 95.916 € =) 320 € ./. Kranken- und Pflegeversicherung 503 €, verbleiben 5.082 € ./. berufsbedingte Aufwendungen (Höchstbetrag) 150 €, verbleiben 4.932 € ./. Kindesunterhaltsbeträge (wie zuvor) (524 € + 445 € + 368 € + 368 € =) 1.705 €, verbleiben 3.227 €.

Zur Bemessung des nachehelichen Unterhalts ist wiederum abzuziehen die Differenz zwischen der Versteuerung des Einkommens des Beklagten nach der Steuerklasse III/4 zu einer Versteuerung gemäß Lohnsteuerklasse besondere Tabelle I/4 wie folgt: Lohnsteuer bei Steuerklasse I/4 bei einem Bruttoeinkommen von 95.916 €: (Lohnsteuer 31.339 € + Solidaritätszuschlag 1.187 € + Kirchensteuer 1.942 € =) 34.468 €; Lohnsteuer bei Steuerklasse III/4 (22.954 € + 796 € + 1.302 € =) 25.052 €; die Differenz beträgt daher monatlich ([34.468 € ./. 25.052 €] : 12 =) 785 €.

Hieraus errechnet sich folgender Unterhaltsanspruch der Klägerin: Einkommen des Beklagten nach Abzug des Kindesunterhalts 3.227 € ./. Lohnsteuerdifferenz 785 €, verbleiben 2.442 € ./. bereinigtes Einkommen der Klägerin 538 €, verbleiben 1.904 €;der Quotenunterhalt (x 3/7) beträgt 816 € und somit ebenfalls mehr als erstinstanzlich tituliert.

Für die Zeit ab September 2006 - Beförderung des Beklagten zum Beigeordneten der Stadt D., verbunden mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe B 7 - errechnet sich nach vorstehenden Maßgaben in jedem Falle ein über dem im amtsgerichtlichen Urteil titulierten nachehelichen Unterhalt.

Die Berufung des Beklagten erwiese sich daher auch bei dieser Betrachtung als unbegründet, so daß letztlich offen bleiben kann, ob der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Berücksichtigungsfähigkeit nach Rechtskraft der Scheidung geborener Kinder gefolgt werden kann.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 8, 711 ZPO.

Der Senat läßt die Revision im Hinblick darauf zu, daß er - abweichend vom Bundesgerichtshof - auch die Einkünfte des Beklagten aus seiner nachehelichen Beförderung zum Kreisdirektor als eheprägend angesehen hat.


BGH, Urteil vom 17.12.2008 - XII ZR 9/07
Speichern Öffnen 2008-12-17-009-07.pdf (127,04 kb)

BGH, Urteil vom 17.12.2008 - XII ZR 9/07
Speichern Öffnen 2008-12-17-009-07_BGH.pdf (124,51 kb)


Anmerkung

In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Nichtigkeit eines Ehevertrages auch nach Geltung des neuen Unterhaltsrechts bejaht: Die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen darf nicht dazu führen, daß der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.

Daher ist ein im Ehevertrag kompensationslos vereinbarter Ausschluß des Versorgungsausgleichs nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Ehegatten bei Abschluß des Vertrages bewußt in Kauf nehmen, daß die Ehefrau wegen Kindesbetreuung alsbald aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben wird. Der Ausschluß des Versorgungsausgleichs kann in solchen Fällen zur Gesamtnichtigkeit des Ehevertrags führen, wenn die Ehefrau bei seinem Abschluß im neunten Monat schwanger ist und ihr der Vertragsentwurf erstmals in der notariellen Verhandlung bekannt gegeben wird.

Rechtsanwältin Marion Klein, Fachanwältin für Familienrecht, Regensburg

Aktuelles

Keine Einträge vorhanden.