Entscheidungen OLG Bremen 1992
ZPO §§ 273, 282, 296, 342, 528; GG Art. 103
1. Das Landgericht darf einen erstmals mit der Einspruchsbegründung gegen ein Versäumnisurteil unter Benennung von sieben Zeugen vorgebrachten Tatsachenvortrag nicht mit der Begründung als verspätet zurückweisen, die Ladung von sieben Zeugen sei eine der Kammer nicht zumutbare vorbereitende Maßnahme nach § 273 ZPO.
2. Liegen die Beweisantritte bereits in dem Zeitpunkt der Terminsbestimmung vor, dann kann und muß anläßlich der Terminierung ausreichend Zeit für eine etwaige Beweisaufnahme eingeplant, und die Ladung der Zeugen veranlaßt werden.
OLG Bremen, Urteil vom 14. Januar 1992 - 3 U 84/91


Eherecht; Nachweis einer gültigen Eheschließung zwischen einem Deutschen und einer Ghanaerin im Rahmen einer Feststellungsklage.
ZPO §§ 428, 638; EGBGB Art. 13; KonsG § 13
Für eine Feststellungsklage nach § 638 ZPO, daß die zwischen einem Deutschen und einer Ghanaerin in Ghana erfolgte Heirat eine in der Bundesrepublik Deutschland rechtsgültige Eheschließung ist, ist die Vorlage eines legalisierten Certificate of Marriage gemäß § 428 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 13 Konsulargesetz unabdingbare Voraussetzung.
OLG Bremen, Beschluß vom 27. Februar 1992 - 5 WF 14/92
FamRZ 1992, 1083 = IPRspr 1992, 77


Verfahrensrecht; Einstweiliges Verfügungsverfahren wegen Amtsverweigerung durch einen Notar; Verweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges von der Zivilkammer zu dem zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
GVG § 17a; BNotO § 15
1. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG findet auch in dem Verhältnis der Zivilkammer zu dem nach § 15 Abs. 1 S. 2 BNotO zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (analog) Anwendung.
2. Dem steht nicht entgegen, daß Gegenstand des von der Zivilkammer zu verweisenden Verfahrens ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist (Abweichung von OLG Düsseldorf DNotZ 1983, 703).
OLG Bremen, Beschluß vom 31. März 1992 - 6 W 14/92


Verfahrensrecht; gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes bei wechselndem Aufenthalt bei getrennt lebenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern.
ZPO § 606
1. Ein Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo der Schwerpunkt seiner persönlichen, dem Alter entsprechenden Bindungen, also sein faktischer Daseinsmittelpunkt, liegt.
2. Lebt das Kind während der Woche bei seinem Vater, und besucht es hier die Schule, so hat es auch dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt alleine bei seinem Vater, wenn es sich an den Wochenenden bei der Mutter aufhält, und das Sorgerecht von den Eltern gemeinsam ausgeübt wird.
OLG Bremen, Urteil vom 3. April 1992 - 4 UF 35/92
FamRZ 1992, 963 = EzFamR ZPO § 606 Nr. 4 = EzFamR aktuell 1992 [Nr. 8] 7 = FuR 1992, 239 [Ls]


Unterhalt unter Verwandten; Anspruch des minderjährigen Kindes auf Unterhalt; Abänderungsklage gegen einen vor einem österreichischen Gericht abgeschlossenen Vergleich; verschärfte Leistungspflicht.
BGB § 1603; ZPO § 323
Zu der Rechtslage bei einer Abänderungsklage gegen einen vor einem österreichischen Gericht geschlossenen Vergleich betreffend Kindesunterhalt.
OLG Bremen, Urteil vom 12. Juni 1992 - 5 UF 8/92


Verfahrensrecht; Zuständigkeit der Gerichte; Verweisung des Rechtsstreits; Bindungswirkung der Verweisung bei unrichtiger Annahme der Unzuständigkeit; Drittwiderspruchsklage als Familiensache bei Vollstreckung aus einem familienrechtlichem Titel.
ZPO §§ 36, 281
1. Im Rahmen des § 36 Nr. 6 ZPO sind nicht nur die materiellen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen zu beachten.
2. Die Bindung tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn das verweisende Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat mit der Folge, daß damit in der Regel das Gericht als das zuständige Gericht zu bestimmen ist, das durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluß zuständig geworden ist.
3. Ein Verweisungsbeschluß, dem die Auffassung zugrunde liegt, eine Drittwiderspruchsklage sei Familiensache, wenn der Titel aufgrund dessen vollstreckt wird, eine Familiensache betrifft, ist - da er nicht jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt und nicht als willkürlich zu bezeichnen ist - bindend.
OLG Bremen, Beschluß vom 29. Juni 1992 - (3) III AR 6/92


Kosten und Gebühren; Rechtsanwaltsgebühren; Mehrvertretungszuschlag bei Fortsetzung des Rechtsstreits für eine Erbengemeinschaft.
BGB §§ 672, 2032; BRAGO §§ 6, 31; ZPO § 91
Wird der Auftraggeber des Rechtsanwalts von mehreren Personen beerbt, und führt der Rechtsanwalt den Rechtsstreit auf Wunsch der Erben fort, so wird er für mehrere Auftraggeber tätig.
OLG Bremen, Beschluß vom 1. Juli 1992 - 2 W 46/92


Prozeßkostenhilfe; Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten; Anwaltswechsel eines Prozeßkostenhilfeberechtigten; Beiordnung eines Rechtsanwalts nach Entschlagung; gesetzwidrige beschränkte Beiordnung eines (neuen) Rechtsanwalts ohne Entschlagungsgrund und Gebührenverzichtserklärung.
ZPO §§ 121, 127; BRAGO §§ 121, 122
1. Der mittellosen Partei darf ein anderer als der beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich nur bei Vorliegen eines Entschlagungsgrundes beigeordnet werden.
2. Dieser Grund ist ausdrücklich festzustellen; andernfalls kommt eine Auswechslung der Beiordnung nur bei teilweisem Verzicht beider Rechtsanwälte auf Gebühren in Betracht, so daß insgesamt der Gebührentatbestand nur einmal entsteht.
3. Wird ohne Entschlagungsgrund entgegen § 121 ZPO ein neuer Rechtsanwalt ohne solche Gebührenverzichtserklärung in beschränktem Umfange beigeordnet (»… soweit die Gebühren noch nicht angefallen sind …«), gibt diese gesetzwidrige Beiordnung nach § 121 BRAGO dem Rechtsanwalt nicht den vollen gesetzlichen Gebührenanspruch, da hierfür der Umfang der Beiordnung gemäß § 122 BRAGO maßgebend ist (Abweichung von KG JurBüro 1981, 706; OLG Celle NdsRpfl 1990, 155).
OLG Bremen, Beschluß vom 14. Juli 1992 - 5 WF 54/92
JurBüro 1993, 51


Kosten und Gebühren; Erstattungsfähigkeit der Kosten eines auswärtigen Mahnanwalts trotz örtlicher Zuständigkeit des Mahn- und des Prozeßgerichts an dem Wohnort des Klägers.
ZPO § 91; BRAGO § 43
Braucht der Kläger mit dem Widerspruch des Beklagten gegen den Mahnbescheid nicht zu rechnen, so ist er auch im Kosteninteresse nicht auf Rechtsanwälte an seinem Wohn- oder Geschäftssitz beschränkt (Aufgabe von OLG Bremen JurBüro 1987, 600).
OLG Bremen, Beschluß vom 3. September 1992 - 2 W 3/92
JurBüro 1993, 159


Prozeßkostenhilfe; Voraussetzungen für die Bewilligung für den Streithelfer im Ehelichkeitsanfechtungsprozeß.
ZPO §§ 114, 640e
1. Auch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die dem Ehelichkeitsanfechtungsprozeß auf seiten des beklagten Kindes gemäß § 640e ZPO beitretende Mutter hat zur Voraussetzung, daß entweder das von ihr unterstützte Kind oder aber sie selbst eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung beabsichtigt.
2. Dies ist nicht der Fall, wenn der Ehelichkeitsanfechtungsklage nicht entgegengetreten werden soll.
OLG Bremen, Beschluß vom 28. Oktober 1992 - 2 W 102/92


Verfahrensrecht; Zuständigkeit der Gerichte; Pflicht zur Abgabe einer zur Betreuungssache gewordenen Pflegschaftssache an das Aufenthaltsgericht.
FGG §§ 46, 65, 65a; BtG Art. 9 § 5
1. Pflegschaftssachen, die zum 1. Januar 1992 zu Betreuungssachen geworden sind, müssen nur dann an das Aufenthaltsgericht abgegeben werden, wenn ein Verfahren anhängig ist, in dem eine konkrete Maßnahme bzw. Entscheidung ansteht.
2. In Übergangsfällen hat daher die Abgabe nach § 65a FGG zu erfolgen.
OLG Bremen, Beschluß vom 10. Dezember 1992 - (1) III AR 16/92
Rpfleger 1993, 153


Verfahrensrecht; Zuständigkeit der Gerichte; anwendbare Verspätungsvorschriften bei Antrag des Beklagten auf Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen.
ZPO §§ 282, 296, 340; GVG §§ 98, 101; RpflVereinfG
1. § 101 Abs. 1 S. 2 GVG regelt in der seit dem 1. April 1991 gültigen Fassung abschließend die Anwendbarkeit von Verspätungsvorschriften auf den Antrag des Beklagten gemäß § 98 GVG auf Verweisung einer vor der Zivilkammer zur Verhandlung gebrachten Klage an die Kammer für Handelssachen.
2. Eine analoge Heranziehung der Verspätungsvorschriften (hier: § 340 Abs. 3 S. 1 und 3 ZPO) bei in § 101 Abs. 1 S. 2 GVG nicht angesprochenen Fallgestaltungen ist daher jedenfalls heute nicht mehr möglich.
OLG Bremen, Urteil vom 21. Dezember 1992 - 6 U 59/92

